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Revolution oder Rückschritt - die neuen DVD-Camcorder

Der Markt der DV-Camcorder ist heftig umkämpft. Daher versuchen die Hersteller mit neuen Formaten um die Gunst des Kunden zu buhlen. Nachdem die DVD nun endgültig unsere Wohnzimmer erobert hat, sollen in diesem Weihnachtsgeschäft DVD-Camcorder der große Renner werden. Zumindest wenn es nach dem Willen der Hersteller geht...

// 23:24 Fr, 16. Apr 2004von

Revolution oder Rückschritt - die neuen DVD-Camcorder : Header


Der Markt der DV-Camcorder ist heftig umkämpft. Daher versuchen die Hersteller mit neuen Formaten um die Gunst des Kunden zu buhlen. Nachdem die DVD nun endgültig unsere Wohnzimmer erobert hat, sollen in diesem Weihnachtsgeschäft DVD-Camcorder der große Renner werden. Zumindest wenn es nach dem Willen der Hersteller geht...



Nachdem Sony mit seinem MicroMV-Alleingang nur eher erlesene Käuferschichten beeindrucken konnte, gelang Hitachi mit den ersten DVD-Camcordern ein breiter Achtungserfolg. Das konnten die „großen der Branche“ natürlich nicht auf sitzen lassen und so schickten Panasonic und Sony in diesem Jahr ebenfalls eigene DVD-Camcorder-Modelle ins Rennen.



Doch bieten die neuen DVD-Camcorder wirklich einen echten Vorteil gegenüber den angestammten DV-Modellen?






Marketing und Realität

Die Marketing-Idee hinter dem Konzept ist auf jeden Fall offensichtlich: Weniger versierte Anwender verbinden mit dem Medium DVD gestochen scharfe Bilder und kristallklaren Ton. Wenn nun der Camcorder ebenfalls auf DVD aufzeichnet, muss dessen Qualität ja ebenfalls beeindruckend sein. Das Gegenteil ist jedoch leider der Fall. Die Erklärung hierfür findet sich im eingesetzten Aufzeichnungsformat. Sowohl die DVD als auch die aktuellen DVD-Camcorder zeichnen Ihre Videos im hochkomprimierten MPEG-2 Format auf. Dieses Format besitzt jedoch -einfach ausgedrückt- sehr viele verschiedene Qualitätsstufen.



Zunächst einmal beeinflusst die Datenrate, die für die Videoaufzeichnung zur Verfügung steht entscheidend die Bildqualität. Da alle erhältlichen und angekündigten DVD-Camcorder nur auf 8cm großen Scheiben (MiniDVD) aufzeichnen, steht ihnen auf diesen Datenträgern pro Seite nur ca. 1,4 GB zur Verfügung. Handelsübliche Spielfilme werden dagegen meistens auf 12 cm großen DVD-9 Disks ausgeliefert, die ca. 9 GB speichern können. Die Größe eines Videos wird durch die Bitrate bestimmt. Diese beschreibt, wie viele Bits pro Sekunde Video „verbraucht“ werden dürfen. Die übliche Bitrate für eine hochqualitative DVD liegt bei bis zu 8 Mbit/Sekunde, was rund 3,6 GB pro Stunde entspricht. Mit dieser Datenrate passen auf eine Seite der 8cm MiniDVD-Disk nur knapp über 20 Minuten Film.



 Alle DVD-Camcorder zeichnen auf die 8cm großen MiniDVDs auf.
Alle DVD-Camcorder zeichnen auf die 8cm großen MiniDVDs auf.







CBR vs. VBR

Doch die Datenrate ist nicht allein ein Garant für perfekte Videoqualität. Mindestens ebenso entscheidend ist die sorgfältige Codierung mit einem guten MPEG-2 Encoder. Bei der Encodierung unterscheidet MPEG-2 zwischen einer konstanten und einer variablen Bitrate. Bei der konstanten Bitrate (CBR) steht dem Encoder eine fest vorgegebene Speicherbandbreite zur Verfügung, die er auf keinen Fall überschreiten darf. Benötigt eine Sequenz dabei mehr Speicherplatz als verfügbar, wird diese Sequenz einfach stärker komprimiert, was in manchen Szenen schnell zu sichtbaren Qualitätseinbußen führt. Die variable Bitrate (VBR) kann dagegen Speicher dynamisch verteilen. Benötigt eine Szene beispielsweise weniger Speicherplatz als die vorgegebene Bitrate, so kann der übrige Speicherplatz für eine spätere Szene „aufgehoben“ werden. Die spätere Szene hat dann eine höhere Bitrate zur Verfügung als die geforderte durchschnittliche Bitrate des gesamten Videos. Um die knackige Qualität eines gut codierten Hollywood-Blockbusters zu erreichen, werden daher professionelle DVDs immer mit variabler Bitrate codiert. Denn diese bietet immer eine bessere Bildqualität bei gleicher, durchschnittlicher Bitrate.




Um dieses Prinzip auch vollständig ausnützen zu können, muss der Encoder jedoch vorausschauend arbeiten können. Liegt ein Spielfilm zum Encoding bereits fertig geschnitten auf der Festplatte, so können in einem ersten Durchgang erst einmal alle Szenen des Videos auf ihre Komplexität untersucht werden. Dabei analysiert der MPEG2-Encoder grob, wie viel Speicherplatz welche Szene voraussichtlich benötigen wird. In einem zweiten Durchgang kann dann die vorhandene Bandbreite (i.e. Bitrate) auf die einzelnen Szenen optimal verteilt werden. Diesen Vorgang nennt man 2-Pass Encoding. Mittlerweile sind sogar noch mehr Analyse-Durchgänge üblich. Professionelle Encoder bieten mittlerweile bis zu 20 Analyse-Läufe an, um eine perfekte Videoqualität zu garantieren.






Hellseher

Wenn ein DVD-Camcorder nun eine ähnlich gute Qualität erzielen will, gibt es offensichtlich ein Problem. So müsste die Kamera schon mit hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet sein, um zu ahnen, welche Bitrate die noch aufzunehmenden Szenen für eine optimale Qualität benötigen werden. Zwar können die aktuellen DVD-Camcorder in den höchsten Qualitätsmodi durchaus mit variabler Bitrate aufzeichnen, jedoch können diese immer nur über ein paar Bilder hinweg die Datenrate steuern. Deshalb kommt es bei der Aufzeichnung zwangsweise zu einem Qualitätsverlust gegenüber einer gut gemasterten DVD. Selbst im höchsten Qualitätsmodus bei einer Aufzeichnungszeit von 30 Minuten pro Seite eines 8cm Rohlings sind Qualitätsverluste praktisch vorprogrammiert. Diese zeigen sich denn auch gelegentlich bei Szenen mit schnellen Bewegungen und in detailreichen Bildern. Also immer wenn nicht mehr genügend Datenrate für die Komplexität des Bildes zur Verfügung steht.



 Wenn einem Bild zu wenig Datenrate zur Verfügung steht, kann es zu sichtbaren Artefakten kommen. Dies kommt manchmal bei sehr detailreichen Bildern oder schnellen Bewegungen vor.
Wenn einem Bild zu wenig Datenrate zur Verfügung steht, kann es zu sichtbaren Artefakten kommen. Dies kommt manchmal bei sehr detailreichen Bildern oder schnellen Bewegungen vor.


DV hat dieses Problem dagegen nicht. Da ein DV-Tape für 60 Minuten gleich 12 GB-Speicherplatz bietet, kann jedes Bild einzeln gespeichert werden. Bewegungsartefakte können hierbei gar nicht auftreten, weil mit der Datenrate nicht variabel und knapp kalkuliert werden muss.



Womit wir beim nächsten Problem wären. Um eine annähernd gleiche Qualität wie bei DV zu bieten, müssen die Daten bei einem DVD-Camcorder viel stärker komprimiert werden. Dabei werden mehrere Bilder zusammengefasst und nur die Unterschiede zwischen den Bildern gespeichert. Das dies der Qualität keinen Abbruch leisten muss, zeigen die hochqualitativen DVDs die wir am heimischen Fernseher bestaunen dürfen. Allerdings sind diese DVDs bereits fertige Spielfilme, die nicht mehr nachbearbeitet werden müssen. Will man dagegen Szenen von einem DVD-Camcorder nachbearbeiten, so müssen die komprimierten Bilder wieder zu Einzelbild-Sequenzen zerlegt werden. Gerade wenn man in der Nachbearbeitung eine Farbkorrektur durchführen will, kommen hier schnell Kompressionsartefakte zum Vorschein, da viel Information schon bei der MPEG-2 Aufzeichnung wegrationalisiert wurde. Dennoch kann man nicht sagen, dass die Bildqualität der Mini-DVD grundsätzlich schlecht ist. Nur DV ist eben besser, besonders bei der Nachbearbeitung.






Capturing ade...

Deutliche Vorteile für den Anwender können dagegen die internen Schnittmöglichkeiten der neuen Geräte sein: Wer ohne PC seine Werke bearbeiten will, kann dies nun direkt in der Kamera bewerkstelligen. Die Modelle von Hitachi und Panasonic stellen hierfür allerdings nur rudimentäre Möglichkeiten zur Verfügung. Viel mehr, als eine Neuanordnung der einzelnen Szenen oder einfache Überblendungen sind nicht drin. Wer mehr -und auch bequemer schneiden- will muss daher zur Nachbearbeitung dennoch zum PC greifen. Doch dabei offenbart sich jedoch auch ein wirklicher Vorteil der neuen Technlologie:. Egal, ob man den DVD-Camcorder am PC als externes Laufwerk benutzt, oder die Mini-DVD über ein PC-Laufwerk ausliest, der zeitraubende Capturing-Prozess kann vollständig entfallen. Man kann also sofort mit den Szenen auf der DVD losschneiden. Ulead hat bereits Unterstützung für den direkten Timeline-Schnitt angekündigt, die anderen Hersteller werden sicherlich folgen. Auch gibt es bereits ein separat erhältliches Plugin für Premiere, welches die aktuellen Hitachi-Modelle unterstützt.



Hitachi liefert außerdem bereits ein PC-Programm aus, mit welchem sich der Camcorder auch als ein externer DVD-Brenner nutzen lässt. Wer nun denkt, sich hierdurch den Kauf eines weitern DVD-Brenners sparen zu können, sollte bedenken, dass der DZ-MV270E nur 8cm-Rohlinge benutzen kann. Übliche DVDs haben allerdings einen Durchmesser von 12cm (wie auch CDs).



Verlockend klingt auch die Möglichkeit, die aufgenommene DVD direkt im heimischen DVD-Player abspielen zu können. Doch in der Praxis zeigen sich hier einige Tücken. Will man die Möglichkeit nutzen, seine DVDs mehrfach zu bespielen, so können die aktuellen Modelle von Hitachi und Panasonic nur DVD-RAM als wiederbeschreibbares Medium nutzen. Dieses Format können allerdings die wenigsten DVD-Player wiedergeben. Wer allerdings zur Aufnahme eine nur einmal beschreibbare DVD-R benutzt kann diese im Camcorder finalisieren und danach auf ca. 90% aller Heim-DVD-Player sofort betrachten. Dafür ist der Rohling dann nicht mehr weiter bespielbar. Nur die Modelle von Sony unterstützen den wiederbeschreibbaren DVD-RW Standard, der von vielen DVD-Playern gelesen werden kann.



Wer mit den bereits erhältlichen Hitachi-Modellen DVD-kompatible Scheiben erstellen will, muss weitere Zugeständnisse machen: Denn um jedoch in bester Qualität (XTRA) aufnehmen zu können, muss man auf DVD-RAM aufzeichnen. Für übliche DVD-R Rohlinge stehen nur die niedrigeren Qualitätsstufen FINE und STD (Standard) zur Verfügung. Auch viele Sonderfunktionen funktionieren ausschließlich mit einem DVD-RAM Rohling. Das neue Panasonic-Modell scheinen sich in dieser Hinsicht übrigens aus Kompatibilitätsgründen genau so zu verhalten.








Fotogen

Interessant kann die Technologie dagegen wieder für den mittlerweile obligatorischen Fotomodus werden. Dank der enormen Speichermenge können DVD-Camcorder auf einer Mini-DVD auch bis zu 1998 Fotos speichern. Da sich DVD-Camcorder am PC wie eine normale Festplatte verhalten, kann die Auflösung der gespeicherten Bilder theoretisch beliebig groß werden. Bei der Aufnahme von Standbildern auf ein DV-Band ist man dagegen auf das für Fotoqualität nicht ausreichende Videoformat von 720 x 576 Pixeln beschränkt. Leider sind momentan noch keine DVD-Camcorder mit mehr als 1,1 Megapixel in Aussicht, was die maximale Fotoauflösung auf 1280 x 960 Pixel beschränkt. Das mag zwar für gelegentliche Schnappschüsse ausreichen, ersetzt jedoch nicht ernsthaft einen digitalen Knipser. Schade. Denn gerade die professionellen Fotoapparate kämpfen immer unter notorischer Speicherarmut, weil diese auf teures Flash-Ram aufzeichnen. Hier würde die Speicherung auf Mini-DVD weitaus mehr Sinn machen.



Ein weiterer Schwachpunkt: Die Preise für Mini-DVD Rohlinge sind -verglichen mit DV- nicht gerade günstig. So war der beste Preis den wir für eine einmal beschreibbare Mini-DVD-R online ermitteln konnten knapp 8 Euro, für eine Mini DVD-RAM sogar über 20 Euro. Und da es sich nicht um Standard 12cm-Rohlinge handelt, ist ein drastischer Preisrutsch in der nächsten Zeit eher unwahrscheinlich. Für Vielfilmer ist ein DVD-Camcorder daher auch im Unterhalt eine kostspielige Angelegenheit.



Doch die direkte Speicherung auf Disks hat gegenüber den günstigen DV-Bändern auch Vorteile: Laut Herstellerangaben können DVD-RAMs bis zu 100.000 mal wieder beschrieben werden. Ob dies ein normales MiniDV-Band mitmacht ist mehr als fraglich. Außerdem nutzen sich die Medien nicht durch häufiges Betrachten ab, da kein direkter Kontakt zum Medium besteht. MiniDV-Bänder sind dagegen zur permanenten Wiedergabe kaum geeignet, weil mit jedem Abspielen immer ein paar Magnetpartikel am Videokopf hängen bleiben und sich das Band dadurch physikalisch abnutzt. Zudem entfällt bei den DVD-Camcordern das lästige Herumspulen. Alle Szenen stehen praktisch sofort zum Abruf bereit. Und auch wenn noch keine gesicherten Langzeitstudien zur tatsächlichen Haltbarkeit von DVDs vorliegen, sind die Aufnahmen hier sicher besser aufgehoben als auf einem Magnetband. Bei DV-Tapes reicht oft schon die unbeabsichtigte Nähe zu einem kleinen Magnetfeld um einige Frames zu löschen. Im Bezug auf die Praktikabilität des Mediums ist die Mini-DVD daher auf jeden Fall ein echter Fortschritt gegenüber MiniDV.






Fazit:

Kompressionsbedingt haben DVD-Camcorder bei der Bildqualität das nachsehen, denn DV bietet im Zweifelsfall immer die bessere Bildqualität. Dass dies den Herstellern durchaus bewusst ist, zeigt sich in den angeboteten Modellen. So kommen in diesem Jahr nur Einchip-Geräte auf den Markt, die mit maximal einem Megapixel-Chip ausgestattet sind. DV-Modelle in der selben Preisklasse bieten hier deutlich mehr, außerdem gibt es semiprofessionelle Dreichipper.



Auch sonst wirkt das Konzept der aktuellen Geräte noch nicht hundertprozentig durchdacht. So wäre ein gängiges, wiederbeschreibbares Medium wie DVD-RW oder DVD+RW wünschenswert. DVD-RAM, mit dem sich die aktuellen Camcorder am besten verstehen, können noch die wenigsten DVD-Laufwerke nutzen. Eine Aufzeichnung auf übliche 12cm Medien würde zwar eine größere Bauform nötig machen, könnte dafür jedoch einen zusätzlichen DVD-Brenner ersetzen. Dann wären aufgrund der größeren Speicherkapazität auch längere Aufzeichnungen bei besserer Bildqualität und höherer Datenrate möglich. Und ein hochauflösender Foto/Video-Kombi würde sicher mehr Anwender ansprechen, wenn sich dadurch die Zusatzanschaffung einer guten Digitalkamera sparen lässt. Bei einer solchen Kombination nehmen sicher viele Käufer die leichten Abstriche bei der Videoqualität in Kauf. Aber was nicht ist, kann ja noch kommen.



Auf der anderen Seite gibt es bereits jetzt Punkte, die für das neue Videoformat sprechen: Das sind vor allem die höhere Stabilität des Aufzeichnungsmediums und das Ausbleiben des nervigen Capturing-Prozesses. DVD-Camcorder der aktuellen Generation werden dennoch DV mit Sicherheit nicht ablösen. Es deutet sich jedoch bereits heute an, dass mittelfristig das Magnetband auch aus seiner letzten Domäne -den Camcordern- verschwinden wird.



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