Jedes mal wenn Canon einen neuen Kameratyp vorstellt, fallen sowohl die Spezifikationserwartungen als auch der Preis eher hoch aus. Und danach schlagen die Geräte voll oder gar nicht ein. Wie es da wohl der XC10 ergehen wird?
Auch als Canon die XC10 vorstellte, schieden sich mal wieder schnell die Geister. Denn die Zielgruppe dieser Kamera findet sich in Zeiten filmender Fotoapparate nicht mehr automatisch. Hinter einer fixen 10fach Zoom-Optik verbaut Canon einen 1 Zoll-Sensor mit faktisch nativer 4K-Horizontal-Auflösung (13MP Bruttopixel).
Die auf Kleinbild umgerechnete Brennweite des Objektives beträgt 24-240mm, wobei die Anfangsblende bei 1:2,8 beginnt, bei 50mm schon 1:4 erreicht und schließlich bei 240mm auf 1:5,6 abfällt. Gleichzeitig wurde auch noch ein einstufiger ND-Filter sowie ein Bildstabilisator integriert, was den Einsatzbereich der Kamera für eher spontane Shots, denn für szenische Arbeit definiert.
Mit diesen Rahmendaten wirkt die Kamera in ihrem Preisbereich als Hybride jedoch für Fotografen ziemlich uninteressant, da man ähnliche, sogar teilweise bessere Objektiv-Sensorkombinationen bei Sony (RX10) oder Panasonic (TX101) deutlich günstiger bekommt. Dass Canon selber die Kamera nicht als Foto-Apparat sonderlich ernst zu nehmen scheint, erkennt man u.a. an der fehlenden RAW-Unterstützung.

Im Filmmodus unterstützt die Kamera zwar 4K, jedoch ist dies bei den genannten, direkten Konkurrenten ebenfalls der Fall. Auf den ersten Blick erscheint die Canon XC10 daher ziemlich überteuert. Nimmt man sie jedoch das erste Mal in die Hand, kann man einige Details dennoch schätzen lernen. Der drehbare Griff und die (wenigen) externen Menütasten erinnern in ihrer Anordnung stark an eine verkleinerte C100/300 aus dem selben Haus. Wer die großen Cinema-EOS Modelle von Canon mag, dürfte sicher eine gewisse Verbundenheit zum Handling der Kameras spüren. Dieses gefällt uns prinzipiell auch sehr gut, jedoch fanden wir in der Praxis ein paar Ecken in der Bedienung, die uns nicht so zusagten...
Bedienung
Der rotierbare Griff fühlt sich zwar von der Bedienung richtig gut an, jedoch fehlt der Kamera eine Zoom-Wippe, die an dieser Stelle gut angebracht gewesen wäre. Dazu empfinden wir den Auslöseknopf zu reaktiv. Sprich: Er besitzt keinen definierten Druckpunkt, weshalb man immer noch einmal nachcheckt, ob man wirklich die Aufnahme ausgelöst hat (was bei uns auch öfters ungewollt der Fall war). Im Gegensatz dazu war der Play-Button viel zu schwergängig. Erst nach einem sehr beherzten Druck kommt man ins Wiedergabemenü. Der Button für die Display-Vergrößerung auf der Rückseite des Griffes verhält sich dagegen genau nach unserem Geschmack. Auch bei blinder Bedienung fühlt man genau, wann der Button auslöst. Das gilt leider wiederum nicht für die zwei seitlichen Buttons links neben dem Objektiv.
Zusammen mit dem Griff-Button lassen sich insgesamt drei Buttons frei belegen und dafür gibt Canon folgende Funktionen frei: ND-Filter, Zebra, Display-Vergrößerung, Push-Autofokus, Icon-Einblendungen, Peaking, Powered Image Stabilisierung sowie Start/Stop und Fotomodus.
Seltsamerweise fehlen neben dem Weißabgleich auch ISO, Shutter und Blende in dieser Liste. Es gibt zwar noch ein Kontrollrädchen am Griff, jedoch kann dieses nur entweder Blende oder Shutter oder ISO steuern. Um zwischen der Funktionsweise des Rädchens umzuschalten muss man tief ins Menü. Es gibt also keine externe Möglichkeit diese drei elementaren Funktionen gleichzeitig manuell zu steuern.
Hierfür steht stattdessen ein Extra-Menü auf der rechten Seite des Touchsceens zur Verfügung. Dort finden sich in der ersten Ebene IRIS (Blende), Shutter, ISO sowie Weißabgleich. Bevor man einen dieser Werte einstellen kann, muss man folglich mindestens zweimal klicken, dann einstellen und anschließend das Menü wieder verlassen.
An ganz anderer Stelle in einem komplett anderen Menü versteckt sich schließlich der integrierte ND-Filter. Dieser ist meistens nicht unter 3 Klicks zu erreichen, weshalb es sich auf jeden Fall empfiehlt, bei Außendrehs einen externen Button für den ND-Filter zu “opfern”. Nachdem aber auch Zebra, Peaking, Display-Vergrößerung und Push-Autofokus sowie die “Powered” Bildstabilisierung sinnvoll auf diesen Buttons logieren, muss man vor einem Dreh immer sorgfältig abwägen, welche Buttonbelegung im Vorfeld Sinn macht. Und in vielen Situationen wünscht man sich dann sehnsüchtig mehr externe Buttons.
Das Menü selbst ist äußerst reaktiv und bedient sich flüssiger als bei vielen Konkurrenten. Leider hat Canon keinen Waveformmonitor oder ein Histogramm dazugepackt, was man in dieser Preislage bei der Konkurrenz schon oft vorfinden kann.
Ausstattung
Der 1-Zoll-Sensor kommt rechnerisch auf einen horizontalen Crop-Faktor von 2.7. Damit liegt die kleine Canon deutlich unter MicroFourThirds oder APS-C-Sensoren. Weil das integrierte Objektiv nicht sonderlich lichtstark ausfällt, sind auch Bokeh-Effekte keine Stärke der XC10.
Da das Zoomen über einen Objektivring erfolgen muss, gelingen Kriechzooms praktisch gar nicht. Schade, denn diese Option hätte ein großer Pluspunkt für die XC10 gegenüber vielen Wechseloptik-Modellen sein können.
Das Objektiv selbst kann optisch stabilisiert arbeiten. Dazu gibt es noch einen elektronischen Bildstabilisator, der jedoch nur bei HD-Aufnahmen funktioniert.
Einen Sucher besitzt die Kamera nicht. Dafür bringt sie einen Sucheraufsatz für das klappbare Display mit, was bei starkem Sonnenschein sehr hilfreich sein kann. Das Display selbst ist mit ca. 1 Mio Bildpunkten auf 3 Zoll nicht sonderlich hochauflösend. Dank Sucherlupe und Peaking kann man aber auch in 4K trotzdem meistens zuverlässig fokussieren. Hilfreich ist dabei die geringe Sensorgröße sowie eine eingeblendete Abstandsangabe des Fokus-Punkts in Metern. Für manuelle Schärfeverlagerungen funktioniert der zweite (Fokus)ring trotz indirekter Koppelung gut, jedoch benutzt man in den meisten Fällen sowieso eher den gut funktionierenden Touch-Fokus via Display.
Aufzeichnungsformate
4K UHD kann nur auf CFast Karten aufgezeichnet werden, wobei Datenraten von bis zu 305 Mbps (ca. 38 MB/s) erzeugt werden. Dieser Speichertyp hat nun endlich auch erträgliche GB-Preise für ca. 1 Euro/GB erreicht. Jedoch macht die hohe Datenrate die Aufzeichnung insgesamt dennoch deutlich teurer als bei der Konkurrenz: Eine 128 GB CFast Karte (ab ca. 125 Euro) fasst bei 305 Mbit ca 56 Minuten Material. Zum Vergleich: Schnelle UHS-SDXC Karten kosten dagegen aktuell nur knapp die Hälfte und die 4K-Konkurrenz packt mit maximal 100 Mbit/s auch dreimal so viel Material pro GB auf solche Karten. Somit kostet die Drehminute hier nur ein sechstel.
Mit unserer 128 GB CFast 2.0 Karte Extreme Pro von SanDisk arbeitete die XC10 in allen Datenraten problemlos zusammen. Subjektiv sah das Canon XF-AVC Bild gegenüber Sonys XAVC S etwas cleaner aus. Bei der höchsten Datenrate mit 305 MBps fielen uns (trotz unterschiedlicher Inter/Intra-Frame Codec Konzepte) bei Canon weniger sichtbare Artefakte auf.
Gegenüber allen “Knipsen” mit ähnlichen Spezifikationen zeichnet Canon mit seinem hauseigenen Intraframe-Codec XF-AVC mit 4:2:2 Farbsubsampling auf. Diese Clips lassen sich in praktisch allen gängigen Schnittprogrammen öffnen und flutschen auf der Timeline gegenüber H.264 butterweich. Die XC10 limitiert den Codec allerdings auf 8 Bit, sowohl bei der internen Aufzeichnung als auch beim Output über HDMI. Außerdem steht auf einem anderen Blatt, ob ein 4:2:2-Farbsampling bei einem 1:1 Pixel-Debayering in der Praxis überhaupt Vorteile hat.
Anders sieht die Sache in FullHD aus. Hier kann die Canon XC10 wie eine C100/C300 ihr FullHD Signal aus 4 Bayer-Pixeln errechnen. Dann macht die 4:2:2 Speicherung auch sehr wohl Sinn. Dies stellt die XC10 damit in der Aufzeichungsqualität auf eine Stufe mit der C300 MK1. Die Datenrate beträgt dabei maximal 50 Mbit/s, weshalb hierfür dann auch der günstigere SD-Karten-Slot genutzt werden kann.
Unter diesem Aspekt hat übrigens auch die europäische Rundfunkunion
eine Empfehlung für die XC10 ausgesprochen. Also nicht als 4K-Camcorder, sondern für die Eigenschaften als FullHD-Modell. Und tatsächlich meisterte sie dann auch unseren alten FullHD-Schärfetest in 25p mit Bravour:

Nur die feinsten Details werden sanft gefiltert, ansonsten bekommt man ein praktisch Moire- und artefaktfreies Testbild zu Gesicht. Bei Slow-Motion kommt der Sensor allerdings nicht mehr ganz mit. In 1080p50 gehen schon einige Details verloren:

Und bei 100p muss die Kamera schon in die 720p-Aufzeichnung ausweichen. Das Bild wird hierbei entsprechend verwaschen:

Sonstiges
Die deutsche Version der Kamera unterstützt in 4K leider keine 24p, anders als die amerikanische Variante (24p + 30p). Einzig 25p stehen hierzulande in 4K zur Auswahl.
Der Rolling Shutter ist normal ausgeprägt, hier hat Canon keinen Vorteil gegenüber guten Konkurrenzprodukten mit CMOS-Sensor herausgearbeitet.
Pluspunkte kann die XC10 bei den mitgelieferten Bildprofilen verbuchen. Sowohl das bewährte C-Log als auch das Canon Wide DR Gamma stehen neben weiteren Consumer-Profilen zur Auswahl. In diesen Profilen startet die ISO erst bei 500.
Mit knapp 1kg Gewicht ist die Kamera kein Leichtgewicht in ihrer Klasse. Am ehesten ist sie vom Formfaktor aktuell mit der Sony RX100 Mk2 vergleichbar, die ca. ein viertel weniger wiegt. Ein externes Akku-Ladegerät liegt nicht bei, weshalb man Akkus immer in der Kamera nachladen muss. Entgegen dem allgemeinen Trend besitzt die Kamera auch keinen USB-Ladeanschluss, sondern noch einen klassischen Rundstecker zur Stromversorgung. Im Betrieb hielt der mitgelieferte Akku je nach 4K-Dreh-Verhältnis ca. 90-120 Minuten.
Aus dem Messlabor
Bei der 4K-Auflösung hat die Kamera keine Überraschung parat. Ein 4K-Debayering mit 1:1 Sensor-Readout muss immer Kompromisse eingehen. So zeigt auch die XC10 leichte Luma- und Chroma-Schwächen. Im verwendeten C-Log Profil wird dabei u.a. die Schärfe komplett zurückgefahren:

Bei viel Licht kann die Kamera dann mit ziemlich guten Farben punkten. C-Log ist (gegenüber C-Log2) noch relativ bunt und liefert ein ausgewogenes Bild ohne übersteuerte Farbkanäle:

Bei sehr wenig Licht (ca. 12 Lux) wird der kleine Sensor schon ganz schön gefordert. Bei F2.8, 1/25s und ISO6400 entstand diese Aufnahme:

Trotz ihrer Anfangsblende von F2,8 gelingen selbst bei ISO6400 noch brauchbare Aufnahmen mit relativ wenig Rauschen. Auch gegenüber den neuen 1 Zoll-Sony-Modellen kann die Canon hier gut mithalten, wobei uns bei Canon die Farbabstimmung subjektiv deutlich besser gefällt.
Signifikant bessere Bilder bekommt man nach wie vor erst mit lichtstarken Wechseloptiken an größeren Sensoren.
Fazit
Schaut man sich die reinen 4K-Spezifikationen an, so steht die XC10 gegenüber einer Sony RX10 MK2 relativ konservativ da: Denn Sony bietet ebenfalls einen S-Log 2 und Hypergamma-Workflow in einem vergleichbaren Formfaktor bei sehr ähnlichen Spezifikationen. Dazu hat Sony einen BSI-Sensor mit wenigen Rollig Shutter Effekten, der bessere Slow-Motion beherrscht sowie eine durchgehende F2,8 Blende zu bieten. Außerdem zeichnet die RX10 Mk2 UHD/4K auf günstige SDXC-Karten auf und bietet neben einem Display zusätzlich einen Spitzen-Sucher. Und das bei nicht einmal zwei Drittel des Canon Straßenpreises.
Der Canon Vorteil der 8 Bit 4:2:2 Aufzeichnung in 4K dürfte dazu nur für wenige Anwender praxisrelevant sein, zumal die hohe Datenrate teure CFast-Speicherkarten buchstäblich auffrisst. Positiv sind hier im Gegenzug der weiche Schnittkomfort und die subjektiv eher geringen Artefakte bei der 4K-Aufzeichnung aufgefallen.
Äußerst interessant ist die XC10 dagegen in FullHD, da hier ein nahezu perfektes Bild mit interner 4:2:2-Aufzeichnung zur Verfügung gestellt wird, das quasi höchstoffiziell den Stempel “sendetauglich” besitzt. Allerdings gibt es in dieser Preisklasse ebenfalls direkte Konkurrenz von Sony: Die PXW-X70, welche -ebenfalls mit 1 Zoll-Sensor- sogar 10 Bit 4:2:2 Aufzeichnung und XLR-Eingänge aufweisen kann.
Am ehesten dürfte die XC10 daher für bestehende Canon-Anwender als Zweitkamera Begehrlichkeiten wecken. Das im Vergleich zu den Cinema EOS-Modellen sehr kompakte Gehäuse und der kompatible C-Log Workflow, sowie die ansprechenden Farben passen sich gut in die Produktfamilie ein. Leider ebenso wie der Preis.
Die UVP der Canon XC10 liegt bei 1.999,- Euro.