Frage von hubse:Hi,
ich hab mir vor ein paar Tagen "München" im TV gesehen. Da wird der Kopf ziemlich extrem "abgeschnitten". Bei Geoffrey Rush ging der Bildausschnitt nicht selten direkt über den Augen an, die Augenbrauen konnte man grade noch erahnen, der Rest war "abgeschnitten". Also ich geh davon aus, dass der Kameramann das mit Absicht macht, ich frag mich nur wozu?
Wieso schneidet man Gesichter eigentlich überhaupt an (oder ab, keine Ahnung wie man das nennt)?
Gibts da irgendwelche Regeln? Je böser der Mann, desto weniger darf man vom Hirn sehen..etc.? Kann mit sowas eine Stimmung oder eine Meinung zu einer Person beeinflussen?
Gruß,
hubse
Antwort von handiro:
Die Regeln werden von regelnden-Isseuren konstant nach zu regelnden Regeln neu geregelt. Warte schon auf den Film der die Ganze Zeit das Reflektierende von der Augenhornhaut abfilmt.....obwohl hat Kubrick das nicht schon längst gemacht? Bei 2001? Mal kurz?
Antwort von marwie:
sieh z.b.
http://www.movie-college.de/filmschule/ ... oessen.htm oder
http://de.wikipedia.org/wiki/Einstellun ... %B6%C3%9Fe
Ich würde sagen, je näher eine Einstellung ist, desto mehr kann man den Kopf anschneiden, man muss halt darauf achten, was ästhetisch wirkt.
Bei normalen Interviews verwende ich meist keine zu nahen Einstellungen, und zeige den ganzen Kopf, weil ich den Personen nicht so nahe auf die Pelle rücken möchte (sinngemäss, weiss natürlich schon, dass man teles verwenden kann :-)). Aber das ist halt Geschmackssache.
Antwort von olja:
Guck mal in den Videoguide vom SF
http://www.sf.tv/var/VideoGuide/lang_de/loader.php
dann das PDF bei Navigation (unten), Experte Filmen, Gestaltung in 16:9.
Da steht was über Haircut.
Antwort von Nathanjo:
Zuviel "Headroom" sieht nunmal lächerlich aus und lässt die Person im Bild nach unten rutschen. Idealerweise ist das Gesicht bzw. die Augen nunmal in etwa im "goldenen Schnitt".
Ich persönlich mache das aber nach meinem persönlichen ästhetischen Empfinden und ich habe das Gefühl das ist relativ gut ausgeprägt. Andere sind da nicht so gesegnet, wie ich leider manchmal sehe...
Antwort von Axel:
München ist - selten für Spielberg - im Scope b.k.a. Cinemascope-Format mit einem Seitenverhältnis von 1 in der Höhe zu 2,4 in der Breite. Es gibt außer Landschaften und Särgen (seitlich) nicht vieles, was in dieses Frame angemessen passt. So waren die ersten Filme, die das Format verwendeten, auch "Sandalenfilme", Tausende Statisten und Totalen mit teuren Kulissen. Von ernsthaften Kinomachern anfangs für undramatisch gehalten, änderte sich diese Auffassung in ihr Gegenteil, als die Kameraleute begannen, in Closeups Gesichter zu zerschneiden. Das war für sich genommen noch nichts Besonderes, aber im Gegenschnitt mit der Totale enstand bisher unerhörte Dynamik:
zum Bild
zum Bild
Ein Scope-Bild will groß sein. Auf einem moderaten Wohnzimmer-TV wirkt es klein. Die riesigen - eben überlebensgroßen - Gesichter versteht nur, wer näher rangeht. Dazu hat man mit FullHD gute Voraussetzungen.
Antwort von Jake the rake:
Eine Regel wäre darauf zu Achten dass geschnittene Objekte vom Zuseher geistig weiter, bzw. zu Ende gedacht werden können.
Antwort von DWUA:
Wieso schneidet man Gesichter eigentlich überhaupt an (oder ab, keine Ahnung wie man das nennt)?
Gibts da irgendwelche Regeln? Je böser der Mann, desto weniger darf man vom Hirn sehen..etc.? Kann mit sowas eine Stimmung oder eine Meinung zu einer Person beeinflussen?
Apropos
Spielberg.
Hier ein Ausschnitt aus seinem "Erstling".
Achte darauf, in welchen Szenen der Kopf (Köpfe) "angeschnitten" ist
und wann nicht.
Warum (nicht)?
Antwort von Jack43:
Beim Spielfilm dient es dem Spannungsaufbau! Unser Kleinhirn versucht die fehlenden Teile zu ersetzen und das alleine genügt um Spannung aufzubauen!
Eine andere Frage wäre: Warum stellt man die Kamera schräg? Der Zweck ist genau derselbe, denn wir versuchen im Unterbewusstsein das Bild in die Horizontale zu bringen, schaffen es aber nicht, das Resultat ist Spannungsaufbau! Die schräge Kamera sollte aber ganz gezielt und sparsam eingesetzt werden, denn sonst verliert dieser "Effekt" an Wirkung!
Weshalb wirkt ein banales Bild zB. einer belebten Strasse, welches 40cm über dem Boden aufgenommen wird besser als aus Augenhöhe gefilmt? Ungewohnte Sehweise und schon wieder haben wir Spannung/Dynamik aufgebaut!
Gruss, Paul
Antwort von gast5:
@olja
Super Link!!!!
Antwort von MarcBallhaus:
Ganz einfach, damit die Augen immer auf etwa gleicher Höhe liegen, also etwa auf der Linie zwischen dem 1. und 2. Drittel der Bildfläche. Kannst ja mal nen schnellen Schnitt zwischen mehren Einstellungsgrößen versuchen und dann sehen, wie irritierend das wirkt, wenn man das nicht macht.
MB
Antwort von olja:
@olja
Super Link!!!!
Jo, den poste ich immer für interessierte, denn viele Fragen werden da ja beantwortet.
Upps, eine Kinnstütze ;-)
zum Bild
Antwort von berkelium:
Ich werfe mal unüberlegt den Ausdruck Open Matte in den Raum. Kann es denn nicht sein, dass die Kadrage in der Post entstand (obwohl bei
IMDb nichts davon steht)? Manchmal gibt es auch zwei Filmversionen mit unterschiedlichen Seitenverhältnissen. Bei der Open Matte 4:3-Version von
One Eight Seven sieht man bei einer Dolly-Fahrt eindeutig die Schienen -- in der 1,85:1-Version dagegen nicht. Ähnlich bei Jackie Brown.
Antwort von soan:
Ich schneide Gesichter immer dann an wenn:
- ich den Kopf grösser haben möchte weil ich es so will
- ich den Kopf grösser haben möchte weil die Regie es so will
- ich den Kopf grösser haben möchte weil der Hintergrund nix taugt ;-)
Es gibt dafür keine "Grundregel", erlaubt ist was gefällt.
Antwort von olja:
....erlaubt ist was gefällt.
Darum geht ja eigentlich immer. Nur manchmal will man halt vorher wissen, was alles so gefällt. ;-). Das Beispiel oben zeigt einfach auch die Formatschwierigkeiten wenn man noch ne Bauchbinde unterbringen will. Wär es da besser gewesen, einen Haircut (obwohl da nicht viel Hair ist ;-)) vorzunehmen damit mehr Luft unter dem Kinn ist ?. Ich denke ja. Was sagen die Profis ?
Antwort von soan:
In der Regel reagieren einige Redaktionen allergisch auf zu engen Beschnitt. Zumindest im Bereich EB-Produktionen kann man festhalten das die Wahl des Bildausschnittes von einigen Faktoren abhängt:
- wie lang wird der gezeigte nachher im Bild zu sehen sein? (gerade mal 20 Sekunden? Dann kann ich den Protagonisten nicht ultra-eng drehen, das gibt nur Ärger. Keine Möglichkeit für ein Insert, der Zuschauer hat keinen Bezug weil er die Person nicht richtig wahrnehmen kann usw.)
- Muss Insertiert werden? Dann nicht zu eng. Handelt es sich um ein Interview für eine Nachrichtenproduktion? Dann ebenfalls offen bleiben, der geneigte Fernsehredakteur mag es bei Nachrichten lieber "gewöhnlich"
- Was wird gerade produziert? Ein Portrait über einen Künstler? Dann darf nach Einführungs-O-Tönen gerne mal ein enger Beschnitt genommen werden, wir wollen doch nah dran sein am Protagonisten gelle?
Ich halte mal fest...eng werden kann es wenn:
- man die Person eingeführt hat und der Inhalt es erlaubt
- die Birne der Person was hergibt (eine Hässlette in Close ist wirklich nicht schön anzusehen auf nem 40" Display)
- man was auf "künstlerischer Ebene" produziert: ein Kurzflim, ein Portrait, eine Doku...irgendwas halt bei dem man auch mal ein bisschen den Zuschauer verwöhnen darf und möchte.
- es einem gefällt und man durchsetzungsstark genug ist es allen als non-plus-ultra zu verkaufen
Antwort von Axel:
Für TV noch immer ein Thema: Sicherer und titelsicherer Bereich. Hier wird die Kadrage nie ganz perfekt sein können, da man zwischen sicher und gewagt angeschnitten einen faulen Kompromiss finden muss. Kommen dann noch Bauchbinden ins Spiel, kann man gleich wie bei QVC ein kleines Fensterchen für das Videobild übriglassen. Einerseits könnte man nun sagen, Fernsehen ist nichts für dynamische Kadrierung, andererseits könnte man sagen, es erfordert nur besondere Fähigkeiten. Aber für die meisten Fernsehproduktionen gilt: Sicher, aber öde.
Im analogen Kino galt der "sicher"-Aspekt noch stärker als im TV, im digitalen Kino fällt er weg. Wenn wir einmal daran gewöhnt sind, auch zuhause Riesen-TV-Bilder ohne Overscan zu betrachten, geht auch in
Schlechte Zeiten die Post ab! Oder Klaus Klebers windschiefes Gesicht in "Ganz Nah".
A propos digitales Kino. Bestätigten Gerüchten zufolge schaffen viele Häuser in den nächsten Wochen 4k und 24-Kanal-Audio (Details folgen) an. Erster Film wird voraussichtlich Spielbergs/Jacksons Tim & Struppi, im frühen Herbst.