Wir haben uns das neue iPhone XS im Verbund mit der Filmic Pro App in der Praxis angeschaut und hierbei auch erste Erfahrungen mit den Smooth 4 Smartphone Gimbal von Zhiyun gemacht. Interessiert waren wir hierbei vor allem, wie sich das iPhone XS zusammen mit der Log-Funktion von Filmic Pro bei Hauttönen schlägt. Als Vergleich haben wir kurz auch das aktuelle Samsung S9+ ebenfalls mit Filmic Pro hinzugezogen.
Vorab unser Testclip mit Caro, bei dem wir bei Tageslicht das iPhone XS mit Log-Funktion in Filmic Pro mit manueller Belichtung in 4K 24fps bei maximaler Qualität (Filmic Extreme) in h.265 aufgenommen haben. Fast alle Aufnahmen (außer Stabilisierungs-Vergleich zu Samsung S9+) wurden zusammen mit dem Zhiyun Smooth 4 aufgenommen:
Farbkorrigiert und geschnitten wurde auf DaVinci Resolve 15.
Hauttöne & Bildeindruck
Hält man sich die Sensorgröße samt winzigem integriertem Objektiv des hier genutzten iPhone XS vor Augen ist die Bildqualität, bei der man mittlerweile im High-End Smartphonebereich angekommen ist, ziemlich beeindruckend. Dies gilt insbesondere wenn die mit dem Smartphone produzierten Videoclips „nur“ im Web zur Verfügung gestellt werden sollen.

Die hier genutzte Log-Funktion der Filmic Pro App (aufpreispflichtig zur normalen Filmic Pro App) hat uns die Farbkorrektur deutlich erleichtert, wobei das sicherlich auch mit Gewohnheit in der Postproduktion zu tun hat. Wir schätzen einen Workflow vom entsättigt, kontrastarmen Log-Material hin zum finalen Bild mehr als andersherum. Die Hauttöne sind hierbei akzeptabel.
Wer hingegen schnelle Ergebnisse benötigt oder auf der Jagd nach dem optimalen Dynamikumfang ist, fährt beim 8 Bit Material des iPhone XS (und anderen Smartphones) höchstwahrscheinlich besser mit angepassten Standardfarbprofilen. Dies dürfte sich erst ändern, sobald 10 Bit auf Smartphones einzieht, was auch nicht mehr allzu fern erscheint ...

Grundsätzlich gilt: Log und 8 Bit Material funktionieren am besten bei eher sanft zu Werke gehenden Log-Gammakurven - ansonsten läuft man bei 8 Bit schnell Gefahr, Banding-Artefakte oder ungewolltes Rauschen - vor allem in Schattenbereichen - zu erhalten. Wenn man bei unseren iPhone XS Material etwas genauer hinschaut, sieht man dann auch gelegentlich etwas Rauschen in Caros roten Haaren. Auf YouTube nivelliert sich das allerdings wieder.
Vergleicht man das Smartphone Material mit aktuellen spiegellosen Systemkameras kann das Smartphone Material kaum in einer Disziplin mithalten: Auflösung, Lowlight, Farbwiedergabe, uvm. liegen deutlich hinter aktuellen Systemkameras (s. hierzu auch unseren Labor Test zum iPhone XS). Hinzu kommt, dass so viele digitale Algorithmen und Enhancer am Bild der Smartphones arbeiten, dass es für uns auch etwas artifiziell rüberkommt.
Einzige Ausnahme beim Vergleich mit grösseren Kameras: Bei der Stabilisierungsleistung liegen die Smartphones eindeutig vorne - vor allem das aktuelle iPhone XS bietet hier eine beeindruckende Performance (hierzu mehr beim Vergleich mit dem Samsung S9+).
Unterm Strich sind wir recht angetan von der Performance des iPhone XS im Verbund mit Filmic Pro. Smartphones wie das iPhone XS stellen für uns damit so etwas wie die neuen Einstiegsgeräte in die Bewegtbildwelt dar. Filmen mit dem Smartphone als "Immer dabei Gerät" macht nicht zuletzt auch wegen des unkomplizierten Handlings einfach Spaß - und mehr braucht es eigentlich auch nicht für ein Consumer Videogerät... Aber auch als Notbackup im Messe/Industrie-Umfeld können wir uns ein entsprechendes Setup vorstellen.

Das iPhone XS überzeugt hierbei mit einer guten Integration von Filmic Pro (i. Ggs. zu einigen Android-Modellen) – doch auch hierzu später mehr.
Zhiyun Smooth 4 + Filmic Pro + iPhone XS
Spannend finden wir die völlig neue Bedeutung, die Gimbals bei Smartphones wie dem iPhone XS u.a. zukommt: Gimbals sind – zumindest beim neuen iPhone XS – nicht mehr in erster Linie für die Stabilisierung da, sondern um Apps wie Filmic Pro externe Bedienelemente in Form von Schaltern Knöpfen und Drehrädern zur Verfügung zu stellen.
In gewisser Weise mutieren Smartphones damit zu hochmodularen Kamerasystemen, weil externe Entwickler sowohl Apps als auch Hardware um das Smartphone herum kreieren können und hierbei deutlich mehr Freiheit haben, als bei althergebrachten Kamerasystemen. Das vergleichsweise gute Zusammenspiel von Filmic Pro und dem Zhiyun Smooth 4 Gimbal auf dem iPhone XS ist ein gelungenes Beispiel hierfür.

Wir haben 16 Funktionsschalter auf dem Zhiyun Smooth 4 gezählt, mit denen sich viele zentrale Funktionen von Filmic Pro direkt abrufen lassen - darunter: Manuelle Fokusverlagerung via Fokuswheel, Fokusfeldaktivierung/ Lock, Belichtungsfeldaktivierung/Lock, Display-Infos, Peaking, Umschaltung manueller/ Automodus u.a..
Die externe Funktionsverlagerung auf Bedienelemente des Gimbals ist gerade für Smartphones wichtig - insbesondere, wenn man etwas mehr Ehrgeiz beim Smartphone-Filmen entwickelt: Ohne externe Bedienelemente bleiben beim Handy nur die Paar wenigen Tasten am Rand, die häufig nicht alle von Apps genutzt werden dürfen sowie das Touchdisplay, das gegenüber externen Schaltern ergonomisch deutlich weniger Sinn macht und dessen Bedienung während des Filmens auch zu Wacklern-, Fehleinstellungen u.a führen kann.
Doch das heisst nicht, dass die Kombination Smartphone + App + Gimbal völlig sorgenfrei wäre. Die Kehrseite dieser extremen Modularität heisst Inkompatibilität: Hier muss viel Software aus unterschiedlicher Hand zusammenspielen: Handy-Betriebssystem Version, Filmic Pro App-Version, Gimbal-App Version... Ist ein Glied in dieser Kette zu alt oder zu neu kann schnell Frust aufkommen.

Hinzu kommt, dass die via Bluetooth angebundenen externen Bedienelemente stets auch mit Latenzen zu kämpfen haben – das gilt sowohl für Menüaufrufe und im speziellen für die Ansteuerung des Fokusrads. Wer hier Minimal-Latenzen wie bei mechanischen Follow-Fokus-Systemen erwartet, ist hier definitiv falsch. Es gilt also wie stets abzuwägen: Was ist wichtiger? Bildqualität, Zuverlässigkeit, Reaktivität und Reproduzierbarkeit oder hochmobiles Setup inkl. internen Bearbeitungsmöglichkeiten und schnellstmöglichem WWW-Upload?
Wer letzteres benötigt, wird bei der Kombination iPhone XS, Filmic Pro und Zhiyun Smooth 4 durchaus fündig. Eine tiefere Integration von Filmic Pro Funktionen in einen Gimbal dürfte schwer zu finden sein. Und hat man sich erstmal an die Bedienung gewöhnt sind vor allem die buttonbasierte Aktivierungs- und Lockfunktionen der Fokus- und Belichtungsfelder echte Hilfen.

Unser Tip: Im „manuellen Betrieb“ die Belichtungs- und Fokusfelder an ihrer Stelle unverändert in Filmic Pro behalten und einfach per Gimbalbewegung die Felder auf die entsprechenden Motive richten und dann Fokus und Belichtung abnehmen und per Wheel-Klick locken.
Und: Aufpassen würden wir bei Smartphones besonders bei Moirée-lastigen Motiven wie Gittern, feinen Mustern und Oberflächenstrukturen.
iPhone XS vs Samsung S9+
Um die Bildqualität und die Stabilisierungsleistung des iPhone XS im Smartphone-Bereich besser einschätzen zu können, haben wir auch das aktuelle Samsung S9+ kurz zum Vergleich mit hinzugezogen. Filmic Pro inkl. Log-Erweiterung wurde hierfür ebenfalls auf dem Samsung S9+ installiert - ebenso die Android App für den Zhiyun Smooth 4. Und hierbei haben sich dann doch deutliche Unterschiede aufgetan.

Der deutlichste Unterschied dürfte - wie bei unseren Testclips zu sehen - bei der internen Stabilisierungsleistung des iPhone XS und Samsung S9+ im Filmic Pro Betrieb liegen. Hierfür haben wir den Zhiyun Smooth 4 Gimbal weggelassen und beide Smartphones auf eine Schiene nebeneinander montiert und haben dann Caro einmal rückwärts und dann vorwärtsgehend gefilmt.

Während das iPhone XS fast an die Stabilisierungsleistung im Gimbalbetrieb herankommt, hat das Samsung S9+ hier deutlich mehr zu kämpfen und auch Jello-Effekte sind beim Samsung S9+ deutlich ausgeprägter. An diesen Aufnahmen erkennt man recht gut, was wir weiter oben über die neue Funktion eines Smartphone-Gimbals – zumindest beim iPhone XS - gesagt haben: Externe Bedienelemente für Videofunktionen sind hier wichtiger als die Stabilisierung.
Schaut man sich die Aufnahmen genauer an, sieht man auch, dass das iPhones XS über mehr Dynamikumfang verfügt. Im Bildhintergrund im Himmel finden sich beim iPhone XS noch vergleichsweise sauber abgestufte Farbverläufe von Orange zu Blau wieder, während beim Samsung S9+ der Himmel aus einem blau-grauen Block ohne Farbverlauf besteht.
Darüber hinaus ist die Implementierung der Filmic Pro und Zhiyun Smooth 4 Gimbal App - zumindest derzeit - beim iPhone XS besser gelöst als beim Samsung S9+:
Das Fokus-Wheel des Zhiyun Smooth 4 funktioniert zumindest halbwegs brauchbar mit dem iPhone XS. Die kurze Fokusverlagerung in unserem Beispielclip wurde damit produziert. Auf dem Samsung S9+ ruckelt der Fokus hingegen kaum kontrollierbar über das Fokuswheel vor und zurück.

(Ob Fokusverlagerungen bei den kleinen Sensoren der Smartphones überhaupt Sinn machen und hier nicht animierte Schärfeverlagerungen in der Post der effektivere Weg sind, lassen wir mal dahingestellt … ;-)
Trotzdem zeigt sich mal wieder: Die deutlich weniger heterogene Entwicklungsumgebung für Apple-Hardware erleichtert es Entwicklern, performantere Apps zu programmieren. Hinzu kommt noch eine deutlich stärkere CPU beim aktuelleren iPhone XS als beim nicht mehr ganz brandaktuellen Samsung S9+. Die Kehrseite hierbei ist das im Vergleich weniger offene Apple-Biotop und der rund doppelt so hohe Preis des iPhone XS.
Fazit
Das iPhone XS überzeugt im Praxistest im Smartphone-Umfeld mit sehr guter Bildstabilisierung, akzeptablen Hauttönen und und der vermutlich tiefsten Filmic Pro Implementierung. Zusammen mit speziell auf die Funktionen von Filmic Pro zugeschnittenen Gimbals wie dem Zhiyun Smooth 4 ergibt sich ein erstaunlich performantes, hochmobiles Videosetup.
Wer vor allem kompakt und mobil (bei guten Lichtverhältnissen) unterwegs sein will und eher an schnellen Video-Uploads Richtung YouTube, Facebook und eingeschränkter aber dafür unkomplizierter On-Board Videoverarbeitung interessiert ist, erhält mit der Kombination iPhone XS und Filmic Pro eines der derzeit besten Video-Setups im Smartphonebereich. Auf jeden Fall auch eine Einstiegsmöglichkeit in das Thema Bewegtbildproduktion.
Wer andererseits an szenischer Ästhetik, größerem Gestaltungsspielraum hinsichtlich Farbe und Schärfentiefe sowie an guten Lowlightfähigkeiten und insgesamt robusterer Performance interessiert ist, fährt mit dedizierten Kameras mit größeren Sensoren und Wechselobjektiven besser.
Unterm Strich bieten die Videofunktionen des iPhone XS zusammen mit Filmic Pro eine beeindruckende Performance im Smartphonebereich die allerdings auch mit einer UVP ab 1.149,- Euro für das Apple iPhone XS auch ihren (Premium)Preis hat.
p.s.
Dank an LUUV für die Bereitstellung des Zhiyun Smooth 4