Mit dem HC-VXF999 und dem HC-VX989 bringt Panasonic zwei neue Camcorder auf den Markt, die sich vor allem durch ihre 4K-Funktionen von den klassischen HD-Modellen der letzten Jahre absetzen. Das teuerste Modell HC-VXF999 für 999 Euro unterscheidet sind dabei vom HC-VX989 für 799 Euro nur in zwei Bereichen: So besitzt der HC-VXF999 einen einen hochklappbaren Farbsucher, der mit 1,5 Mio. Bildpunkten auflöst. Außerdem bringt nur er vier zusätzliche Film-Effekte mit, die während des Drehs für eine cinematische Anmutung sorgen sollen. Ansonsten sind der HC-VXF999 und der HC-VX989 funktions- bzw. baugleich, weshalb wir für unseren Test nur den HC-VXF999 herangezogen haben.
Ausstattung
Der erste Eindruck des HC-VXF999 verbreitet bekannte Vertrautheit. An der typischen Haptik eines Panaonsic-Consumer-Camcorder-Gehäuses hat sich wenig verändert. Kleine, aber nicht unwesentliche Optimierungen haben dennoch Einzug erhalten: So findet sich jetzt der Mikrofon-Eingang nicht mehr unter dem Display, wo er früher bei eingestecktem externen Mikrofon ein Schließen unmöglich machte. Der Ein- und Ausschalt-Button bleibt jedoch weiterhin unter dem Display.

Der Sucher dürfte für viele Anwender kaufendscheidend sein. Mit seinen 1,5 Mio Bildpunkten wirkt er auch für 4K-Fokussierung in der vergrößerten Ansicht ausreichend scharf, jedoch kann er mit aktuellen Top-OLED-Suchern nicht ganz mithalten. Auch kam uns die Wiedergabe etwas ruckelig vor. Dazu ist der Dioptrienausgleich enorm leichtgängig und verstellt sich sehr leicht, weshalb man ihn praktisch vor jedem Einsatz neu justieren muss.
Das Objektiv ist schon beim Einsatz in 4K nicht sonderlich weitwinkelig ausgelegt. Es beginnt hier erst bei kb-äquivalenten 31mm und kann 20fach zoomen. Wer in HD filmt, kann sogar erst mit vergleichbaren 37mm "einsteigen".
Da die Anfangsblende bei F1,8 beginnt (und im Tele bei F3,3 endet), könnte man draußen oft einen ND-Filter brauchen. Doch selbiger findet sich nicht, was bei Camcordern in dieser Klasse leider üblich ist. Schade, denn die F2.0 lassen sich bis zum 3fachen Zoombereich halten und die F2,8 lässt sich bis zum 10fachen Zoombereich einstellen.
Manuelle und andere Funktionen
Als Ersatz für einen Objektivring findet sich ein Objektiv-Rad, das verschiedene manuelle Funktionen übernehmen kann. Soweit wir sehen konnten, lässt sich der Ring jedoch nicht auf eine spezielle Funktion festlegen, sondern man nutzt ihn mehr zum Navigieren durch diverse manuelle Funktionen, was im Gegenzug auch immer ein paar zusätzliche Klicks bedeutetet.
Gegenüber Sony bietet Panansonic auch diesmal die Möglichkeit, Blende und Shutter wirklich unabhängig einzustellen. Allerdings muss man seit den letzten Panasonic-Camcorder-Generationen hier immer den Shutter zuerst festlegen, damit er sich beim Einstellen der Blende (+Gain) nicht mehr verändert. Drückt man dagegen nach eingestellter Blende erneut den Shutter, so wechselt die Blende dabei zeitgleich in den Automatik-Modus zurück.
Die eingebauten kleinen Zweit-Kameras an den Displays der letzten Top-Modelle sind dieses Jahr wieder verschwunden. Geblieben ist jedoch die Wireless Multi Camera Funktion, welche simultan mit bis zu drei Smartphones oder Actioncams zusammenarbeitet, um deren Aufnahmen wie gehabt als Bild im Bild zu übernehmen.
Die übrigen inneren Werte der neuen Top-Modelle sind praktisch unverändert geblieben: Also wieder ein relativ kleiner 1/2,3-Zoll BSI Sensor mit 18,3 Megapixeln, ein 5-Achsen Bildstabilisator Hybrid OIS, ein relativ gering auflösendes Display (460.800 Pixel) sowie die 4K-Aufnahme mit maximal 25p bei 72Mbit/s.
Kein 4K/UHD 50/60p
Da derade im Markt der 4K-Camcorder UHD mit 50/60p eine sinnvolle Funktion darstellen, muss man sich fragen, warum weder Sony noch Panasonic in diesem Preisbereich diese Funktion nicht anbieten. Wir persönlich spekulieren, dass die Signalelektronik hierfür einfach noch nicht leistungsstark genug ist. Es könnte jedoch auch sein, dass die potentielle Überhitzung des Sensors hierbei eine Rolle spielt, was uns jedoch bei dessen Größe eher unwahrscheinlich vorkäme.
24p mit kleinem Sensor
Wer cinematisch arbeitet, kann sich dagegen freuen, dass es einen echten 24p Modus gibt. Dieser erzwingt einen Neustart der Kamera, aber dankenswerterweise keine Neuformatierung der Speicherkarte, wie bei manchen Konkurrenten.
Der 24p-Modus bietet sogar eine passende Shutterzeit von 1/48s, (aber natürlich auch 1/50s und 1/60s). Schaltet man im Menü den Automatic Slow Shutter ein, lassen sich im manuellen Modus sogar noch maximal 1/24s einstellen, die bei wenig Licht gerne gesehen sind. Die kürzeste Verschlusszeit liegt übrigens bei 1/8000s. Kurz gesagt es gibt einige bemerkenswerte 24p-Features, die jedoch bei der gebotenen Sensorgröße nur begrenzt ästhetischen Sinn machen.
Kino-Effekte und 4K-Cropping
Nur im Full HD-Modus bietet die VXF999 neue "Kino-Effekte" wie beispielsweise Speed-Ramping, also die Möglichkeit, während des Filmens die Aufnahme-Geschwindigkeit zu verändern, einen Kriechzoom sowie einen automatischen Dolly Zoom(auch bekannt als Vertigo Effekt) -- das Motiv im Vordergrund bleibt unverändert, während der Hintergrund optisch näher rückt. Hierfür muss man die Kamera allerdings selber (am besten auf einer Schiene) in entgegengesetzte Richtung mitbewegen. Ironischerweise funktioniert von all diesen "Cinema-Effekten" übrigens nur der Kriechzoom auch in 24p.
Sowohl die HC-VXF999 als auch die HC-VX989 bieten ein nachträgliches 4K-Cropping in der Kamera an, um bei der Umwandlung der ultrahochauflösenden Aufnahmen Zooms, Schwenks oder eine Stabilisation einzufügen. Hierfür muss man in die Wiedergabe-Ansicht des Camcorders wechseln und dort dann die 4K-Bearbeitung anwählen. Anschließend wählt man den gewünschten Ausschnitt am Display und die Kamera zeigt nach einer kurzen Denkpause den berechneten FullHD-Clip. Der Anwender hat dabei keine weiteren Eingriffsmöglichkeiten und kann einzig nach der Berechnung wählen, ob er der neuen Clip separat speichern oder wieder verwerfen will.
Wifi-Tricks und alte Stärken
Die WiFi-Funktionen der neuen Kameras sind dagegen ziemlich umfangreich und lassen ahnen, wo Panasonic die neuen Camcorder-Zielgruppen vor allem sieht: So gibt es eine Baby-Monitor-Überwachungsfunktion, eine Home-Monitor-Überwachungsfunktion sowie einen direkten Live Cast-Button fürs Live-Streaming ins Internet.
Auch die schon erwähnten Twin- und Multi-Kamera-Einstellungen finden sich hier, um mehrere Streams von anderen Kameras in einen Hauptstream einzubetten. Auch DNLA Play -also die drahtlose Übertragung von aufgezeichneten Clips zum heimischen DNLA-Fernseher- soll hiermit möglich sein.
Schön ist, dass Panasonic dabei immerhin seine alten Stärken nicht vergessen hat und nach wie vor dem ambitionierten Anwender viele manuelle Einstellmöglichkeiten zur freien Justage anbietet. Dies sind während des Filmens Weißabgleich, Fokus, Shutter, Blende und Gain. Und die Bildcharakteristik bleibt ebenfalls in Schärfe, Farbe, Belichtung und Weißabgleichsverschiebung einstellbar. All diese Funktionen verweigert Sony seit Jahren seinen Kunden in dieser Gerätekategorie.
Bildqualität
Nachdem bei uns in letzter Zeit kaum noch Sensoren unter einem Zoll durch das Messlabor wandern, kommen bei der Messung eines 1/2,3-Zoll Sensors fast schon nostalgische Gefühle auf. DER Vorteil dieser Sensorgröße liegt definitiv in seiner großen Schärfentiefe, die man sich jedoch durch relativ schwaches Low-Light-Verhalten und geringe Dynamik erkauft.
Schon beim 4K ISO-Testchart zeigt sich, dass hier in erster Linie ein hoher Kontrast und eine digitale Nachschärfung dafür sorgen, das Bild knackig zu halten. Dies gelingt allerdings nur bedingt, da hohe Bildfrequenzen (also die besonders feinen Details) von der Sensor-Optik-Kombination nicht wiedergegeben werden. Immerhin sieht man auch überhaupt keine Aliasing Artefakte.

Bei wenig Licht fällt das 4K-Ergebnis ebenfalls erwartungsgemäß aus. Der kleine Sensor sorgt hier für eher unscharfe Wiedergabe und für viel Rauschen, das der Codec aufgrund der relativ geringen Datenrate auch noch zu tanzenden Mustern verquirlt:

Bei viel Licht (1200 LUX) liefert die Kamera dann Bilder, die man von einem typischen 4K-Camcorder in dieser Gerätekategorie erwartet: Die etwas starken Farben gemischt mit dem hohen Kontrast sorgen für den wahrscheinlich gewünschten digitalen, knackigen Look für die angepeilte Zielgruppe.

Fazit
Die Zahl 999 in der Produktbezeichnung deutet es vielleicht schon indirekt an, dass hier das letzte Top-Modell seiner Art vor uns steht. Der Formfaktor eines Camcorders überzeugt uns zwar nach wie vor, aber die erzeugte Bildqualität muss sich einfach mit den filmenden Fotoapparaten der gleichen Preisklasse messen lassen. Und letztere bieten aufgrund ihrer großen Sensoren hier einfach schon viel mehr fürs Geld. Nicht nur, aber gerade auch viele Modelle aus dem Hause Panasonic machen bei der 4K-Bildqualität hier einfach weitaus mehr her.
Die Cinema-Effekte, die weder in 4K noch größtenteils unter 24p funktionieren, deuten dazu schon an, dass cinematische Ästetik und Camcorder mitlerweile überhaupt nicht mehr zusammengehen wollen. Wer Film-Astethik sucht filmt besser und günstiger mit Foto-Apparaten oder echten Cine-Kameras die auch nicht mehr unbezahlbar sind.
Als echtes Verkaufsargument sehen wir in diesem Segment vor allem 4K/50p, das gut zu der Kundschaft passt, denen ein 4K-Familien-Video nicht scharf genug sein kann. Leider bieten weder Sony noch Panasonic diese hohen Bildraten in diesem Marktsegment aktuell an.
Was bleibt sind zwei Geräte mit denen man bei ausreichend Licht schnell immer scharfe Videos mit bunten Farben erhält, die dank Bildstabilisator auch ungeplant aus der Hand einigermaßen ansehbar bleiben. In erster Linie also ein Gerät für spontane Familien-Aufnahmen. Inwieweit hierfür nicht schon das eigene Smartphone ausreichen kann, das teilweise ebenso große Sensoren mitbringt ist wohl die Frage, deren Antwort die schrumpfenden Camcorder-Verkäufe der letzten Jahre (mit)erklärt…