Mit der Nikon D810 hat Nikon einen Nachfolger seiner mit 36MP einzigartig hochauflösenden Vollformat-Kamera an der Start gebracht und visiert mit einer Reihe von neuen Funktionen neben professionellen Fotografen auch verstärkt Filmer an. Zu den videoafinen Features zählen: Zebra, flache Bildprofile und ein cleaner HDMI-Out. Wie gut ist die Nikon D810 im Videobetrieb?

Nikon D810 - techn. Daten und Ergonomie
Auf den ersten Blick hat sich beim Gehäuse der Nikon D810 im Vergleich zum Vorgänger eher wenig verändert. Geblieben ist das robust ausgelegte Metallgehäuse in Magnesiumlegierung mit umfassender Dichtung und das grundsätzliche Schalterlayout. Hinzugekommen ist hingegen auf der Rückseite die „i“ Taste, mit der sich willkommene Shortcut-Möglichkeiten – gerade auch für den Videobereich – auftun. Im Liveviewbetrieb lassen sich hier mit einem Knopfdruck die Werte für Bildfeld (FX, DX), Videoformat, Videoqualität, Audioaussteuerung, Mikrofonfrequenz, Windfilter, SD-Slot-Auswahl, Zebra, Monitorhelligkeit und Kopfhörerlautstärke anwählen und verändern.
Mit 980g Kampfgewicht (inkl. Batterie und Karte, ohne Optik) ist die Nikon D810 minimal leichter geworden, bringt jedoch immer noch genügend Gewicht mit, das sich vor allem mit schwereren, lichtstarken Optiken positiv bemerkbar macht.

Wer hingegen eine leichtere, kompakte Fullframe Nikon sucht, dürfte beim neuen aus Verbundstoff hergestellten Monocoque Gehäuse der Nikon D750 (oder bei der spiegellosen Konkurrenz) besser aufgehoben sein. Bleibt die Frage, ob diese die gleiche hochwertige Videoqualität bietet – doch der Reihe nach …
Minimal verändert zeigt sich der Handgriff der Nikon D810, den man jedoch im direkten Vergleich zum Vorgänger in die Hand nehmen muss, um die Änderungen festzustellen. Für unseren Geschmack immer noch etwas sperrig und weniger handschmeichlerisch als die Canon-Konkurrenz - aber das ist stark vom persönlichen Geschmack abhängig und damit kaum von Belang. Wichtiger hingegen ist die höhere Effizienz beim Energieverbrauch. Während der Vorgänger D800 von Nikon mit 900 Aufnahmen pro Ladung klassifiziert wurde, stehen bei der Nikon D810 1.200 zur Verfügung und auch wir hatten subjektiv den Eindruck, dass die D810 länger durchhält.

In Sachen Ergonomie und Schalterlayout würden wir die Mode-Taste gerne etwas schneller zugänglich haben, die Platzierung oben hinter dem Record-Button finden wir nicht ganz optimal. Positiv anzumerken ist hingegen die sowohl im Sucher als auch in der Lieview eingespielte Programmwahl, so dass man die Kamera für die Wahl der Betriebsart nicht absetzen muss. Vermisst haben wir hingegen die U1 und U2 Einstellräder, wie sie bei der Nikon D750 sowie der Nikon D7100 bereits Einzug gehalten haben.
Und noch eine Randbemerkung in Sachen Fotografie: Die Nikon D810 ist deutlich leiser geworden als ihr Vorgänger (und als die knackig-krachende Nikon D750). Wer also auf der Suche nach einer leisen Foto und Video-DSLR ist, wird bei der Nikon D810 sehr gut bedient. Auch der leicht modifizierte rückseitige AF-Button für Back-Button-AF Betrieb dürfte vor allem professionelle Fotografen zur D810 führen.
Während die Nikon D800 in zwei Varianten angeboten worden war – eine mit modifizierten Filter und reduzierten Tiefpasseigenschaften, wurde bei der Nikon D810 komplett auf einen Tiefpassfilter verzichtet. Für die Befürchtungen, dass dies zu verstärkter Moirébildung – gerade auch bei Videoaufnahmen führen könnte - können wir an dieser Stelle Entwarnung geben. Doch auch hierzu mehr im Testlaborkapitel.
Der CMOS-Sensor der Nikon D810 ist mit 36MP Auflösung auf dem rekordverdächtigem Niveau des Vorgängers geblieben. Nikon spricht jedoch von einer Weiterentwicklung und mit Blick auf den recht großen Sprung bei der Videoqualität scheint dies nicht undenkbar – auch wenn wir hier den deutlich leistungsfähigeren EXPEED 4 Bildprozessor als Hauptverantwortlichen sehen. Dem EXPEED 4 sind auf jeden Fall sowohl die neuen 1080/50/60p Videoformate sowie die (endlich) formatunabhängige parallele interne und externe cleane Videoaufzeichnung (via HDMI) zuzuschreiben.

Auch bei den IN/Outs der Nikon D810 hat es keine wesentlichen Neuerungen gegeben. Hier finden sich wie beimVorgänger: USB 3.0, HDMI, Mikro-In, Kopfhörer Out, HDMI Out, 10-Pol Interface für Zubehör und Blitzsynchro-Buchse.
Leider hat bei der Nikon D810 noch kein Schwenkdisplay Einzug gehalten. Wir sind uns hier des Streits zwischen Profifotografen und Videoanwendern durchaus bewußt und brechen klar eine Lanze für die Videoseite: Ein Schwenk- oder Klappdisplay würde den Videobetrieb der Nikon D810 nochmal deutlich angenehmer gestalten. Sollte Nikon positive Erfahrungen mit dem beweglichen Display der Nikon D750 machen, besteht ja vielleicht Hoffnung bei der nächsten D900 …
Beim genutzten Videocodec und der Audioverarbeitung bietet die Nikon D810 bekanntes: H.264 mit High@L4.1 Lvel im QuickTime MOV-Container mit einer Datenrate (inkl. Audio) von knapp 20 Mbit/s bei 1080/24p. Audio wird als Linear PCM mit 16 Bit bei 48 KHz aufgezeichnet.
Neue Videofunktionen
Gut gefallen hat uns die neue Power-Iris Funktion der Nikon D810, bei der eine manuelle Blendensteuerung durch die auf der Vorderseite befindlichen PV und FN Tasten nun auch während der Videoaufnahme möglich wird und damit ein relativ übergangsloses Auf- und Abblenden für AF-Objektive: Quasi eine elektronisch entklickte Blende – ziemlich nice und Welten besser als beim Vorgänger D800 gelöst, bei dem PowerIris nur beim externen Recording via HDMI während der Videoaufnahme zur Verfügung stand. Die exakteste Kontrolle über Fokus und Blende bieten unserer Meinung nach aber immer noch manuelle Objektive.
Die wohl prominenteste Neuerung bei den Videofunktionen der Nikon D810 stellt ein neu hinzugekommenes Bildprofil dar, das in der englischen Menüführung passend „flat“ genannt wird und im deutschen leicht irritierend „ausgewogen“ genannt wird. Wie dem auch sei: Mit dem Flat-Profil halten flache Bildprofile bei der Nikon D810 Einzug, die dem bereits von Hause aus mit hohem Dynamikumfang gesegneten Sensor der Nikon D810 noch mehr Spielraum bei der Postproduktion lassen.
Ebenfalls neu hinzugekommen ist nun auch eine Zebra-Funktion bei der Nikon D810, die sich über den „i“ Shortcut Button im Liveviewbetrieb dazuschalten lässt. Leider ist nur eine Zebra-Schaltung verfügbar, die bei 100% liegt - 70er oder 80er Werte sind nicht einstellbar.
Für Videoanwender hochinteressant und unseres Wissens nach in keiner anderen DSLR derzeit verfügbar sind die nativen 64 ISO der Nikon D810, die auch für die Videoaufnahme zur Verfügung stehen. Damit gewinnt man also eine 2/3 Blende, was in kniffeligen Lichtsituationen genau das Zünglein an der Waage sein kann. Wer jedoch bei Tageslicht unterwegs ist mit bsp. viel Himmel im Bild und mit optimaler Schärfe (Blende 5.6 oder 8) oder gar mit stärker geöffneter Blende filmen will, wird trotzdem nicht um ND-Filter herumkommen.
Bereits erwähnt hatten wir ja den neuen, cleanen HDMI-Out der Nikon D810. Hier lassen sich nun entweder das interne progressive Aufzeichungssignal oder dessen Interlaced-Variante ausgeben. Wenn man also bsp. mit 1080/50p intern aufzeichnet, lassen sich 1080/50p via HDMI gleichzeitig ausgeben oder 1080/50i. Bei 24p sind es entweder 24p via HDMI oder 60i.
Eine Funktion hat Nikon jedoch vergessen, die es bis Dato unseres Wissens nach in noch gar keine Nikon-DSLR geschafft hat und dies ist Fokus-Peaking. Für uns nicht ganz verständlich, dass Zebra Einzug gehalten hat, Peaking jedoch nicht. Bleibt die Hoffnung, dass Peaking mit einem späteren Firmwareupdate zur Verfügung gestellt wird …
An diese Stelle nicht unerwähnt bleiben sollte allerdings ein leichter Crop der Nikon D810 im Videomodus, über den wir bislang noch gar nichts woanders gelesen haben. Unserer Berechnung nach croppt die Nikon D810 bei der Videofunktion um den Faktor 1,1 – aus einem 24mm Weitwinkel wird also ein 26,4 mm – das sind keine Welten aber wer ein echtes 24mm erwartet, sollte dies wissen. Außerdem gelang uns keine manuelle Audioaussteuerung während der Videoaufnahme mit der Nikon D810 (mit der frisch eingetroffenen Nikon D750 hingegen schon).
Testlabor
Im neuen Flat-Profil zeigt die Nikon D810 ein beeindruckendes Ergebnis:

Trotz Sensor-Downskalings von 36 MPixel gelingt ihr eine sehr natürliche Schärfe, die etwas über ihren aktuellen DSLR-Geschwistern und auch über einer Canon 5D Mk3 liegt. An eine herunterskalierte GH4 oder Spitzen FullHD Camcorder kommt sie allerdings nicht ganz heran. Innerhalb der gesamten Vollformatkonkurrenz (stand Oktober 2014) muss sie sich somit einzig und knapp einer Sony A7s in der FullHD-Schärfe geschlagen geben.
Farben bei 1200 Lux
Wenn der Weißabgleich einmal stimmt, zeigt die Nikon D810 bei genügend Licht jede Menge natürliche Farbdetails, die auch schön differenziert werden. Die Farbstimmigkeit gefällt uns subjektiv sehr gut, die freien Bildprofile lassen dazu viel Gestaltungsspielraum offen.

Bei sehr wenig Licht wie in unserem Fall bei unserem 12 Lux Testaufbau, bleibt die Schärfe der D810 relativ hoch, wodurch auch sehr feines Rauschen im Videostrom landet. Andere Nikon-Modelle bieten hier eine stärkere Rauschreduzierung, die jedoch auch viele Details wegbügelt. Hier einmal eine Belichtungsreihe von 64 - 6400 ISO.









Anzumerken ist noch, dass der automatische Weißabgleich bei uns sehr inkonsistente Ergebnisse lieferte und der K(elvin)-Wert nicht unter 2500 einstellbar ist, wobei 2000-2300 für dieses Bild eher treffen würden.
Alle Testlaboraufnahmen wurden mit dem Carl Zeiss Distagon 1.4/35 gemacht.
Das wahre Leben
Wir hatten Gelegenheit, mit der Nikon D810 und einem günstigen, neuen Slider und Stativsystem aus Japan ( ALLEX S von Libec ein Paar Aufnahmen zu machen.
Die Aufnahmen wurden alle mit dem Nikkor AF-S Zoom 24-70mm 1:2,8G ED Objektiv gemacht. Am Nikkor kam teilweise der Genus ND-Fader Eclipse zum Einsatz (Dank an NEFAL.TV für dessen unkomplizierte Bereitstellung). Die Aufnahmen sind alle ohne Farbkorrektur oder andere Bildanpassungen zu sehen.
Die Nikon D810 hat einen beachtlichen Sprung bei der Bildqualität hingelegt - für uns mit das „cinematischste Bild“ Out-of-the-Box von allen uns bekannten Video-DSLRs. Wir vermuten, dass sich hierbei einige Faktoren recht gelungen ergänzen. Zum einen eine sehr ordentliche, artefaktfreie HD-Auflösung, die ohne viel Nachschärfung detailreiche Bilder produziert, zum anderen eine sehr gute „Colorscience“ und letztlich eine Signalverarbeitung, die den hohen Dynamikumfang des 36MP-Sensors bildtechnisch gut umzusetzen versteht.
All dies zusammen generiert ein bemerkenswertes Bild, das unter den bislang auf slashCAM getesteten Video-DSLRs vor allem mit Hinblick auf dessen unproblematische Produktion seinesgleichen sucht.
Legen wir alle unsere Bewertungskriterien für VIDEO-DSLRs bei der Nikon D810 an, landet sie in unserer VIDEO-DSLR Bestenliste auf einem sehr knappen dritten Platz. In Sachen Auflösung sind die GH4 und die Sony Alpha7s zwar noch höher anzusiedeln – einen solchen Filmlook bekommen diese jedoch nur mit mehr Aufwand hin … Hut ab Nikon vor dieser Leistung …
Zum Schluß noch eine kleine Timelapse-Sequenz der Nikon D810, die eine kamerainterne H.264 Clipgenerierung bietet. Hier ebenfalls unbearbeitet direkt aus der Kamera hochgeladen:
Fazit
Die Nikon D810 stellt eine bemerkenswerte Kamera dar. Sie schafft es mit ihrem 36MP Sensor und cleverer Signalverarbeitung sowohl in der Fotografie als auch bei der Videofunktion außergewöhnlich hohe Qualität zur Verfügung zu stellen. Betrachtet man die reine Bildqualität stellt die Nikon D810 die erste VDSLR dar, bei der man sich – anders als im aktuellen Top-DSLR-Umfeld - nicht mit einem Kompromiss zwischen Video und Foto zufrieden geben muss: Hohe Videoauflösung, nahezu artefaktfreies Bild und eine sehr gute Tageslicht-Colorscience. Diese Aussagen gelten zumindest solange man in der HD, 8-Bit, 4:2:0 Videowelt bleibt.
Wer eine professionelle, hochauflösende Fotokamera mit exzellenter HD-Videoqualität sucht, kann bei der Nikon D810 eigentlich kaum etwas falsch machen. Vor allem professionelle Fotografen, die sich die D810 ohnehin für ihre Studioarbeit kaufen, erhalten quasi nebenher fast die beste HD-Videoqualität der derzeitigen DSLR-Klasse oben drauf.
Wer hingegen 4K-Auflösung benötigt oder modernere Codecvarianten mit 4:2:2 Subsampling oder gar 10 Bit-Recording dürfte die Nikon D810 als etwas unzeitgemäß sehen und woanders eher fündig werden (allerdings hinkt im Video-DSLR/DSLM Segment derzeit Canon noch weiter hinterher – so ändern sich die Zeiten …)
Mit ihren ca. 3.250 Euro lohnt sich die Nikon D810 vor allem für all diejenigen, die die Fotofunktion auf Pro-Niveau genausoviel nutzen, wie die Videofunktion. Schaut man nur nach der Videofunktion fehlen uns beim Bedienkonzept der Nikon D810 trotz ihres fantastischen, cinematischen Bildes dann doch noch ein Paar wichtige Funktionen. Hierzu zählen: Peaking, Klappdisplay, Audiopegelung während der Videoaufnahme und ein höherwertigerer Videocodec respektive 4K.
Bei der slashCAM VIDEO-DSLR Bestenliste belegt die Nikon D810 derzeit einen knappen Platz 3.