Mit der XL H1 wagt Canon die ersten Schritte im HDV-Bereich. Wir konnten die Kamera für ein paar Tage intensiv testen.
Hier die Testbilder der Canon XL H1 und die technischen Daten
Nachdem viele Anwender gespannt auf Canons ersten HDV-Wurf gewartet haben, gab es bei der Vorstellung erstmal kräftig zu schlucken: Mit einem Preis knapp an der 10.000 Euro-Marke hatte wohl kaum jemand gerechnet.
Ausstattung
Viele einzigartige Features sollen dabei den üppigen Preis der Kamera rechtfertigen. Über die Produktdetails hatten wir ja bereits unter Erster Handlingtest mit der Canon XLH1 berichtet. Daher wollen wir hier nur noch einmal die wichtigsten Punkte kritisch beleuchten:
Als beworbenes Killerfeature bringt die XL H1 unter anderem einen echten HD-SDI-Ausgang mit, der das hochauflösende Videosignal unkomprimiert ausgeben kann. Überhaupt scheint die Kamera in erster Linie für Studio- und Mehrkamera-Einsatz konzipiert zu sein: So gibt es zusätzlich einen separaten Ein- und Ausgang für den Timecode sowie Genlock zur Synchonisation.

Viele Fachredakteure vermuten diese Profi-Features als Grund für den recht hohen Einstandspreis. Das mag uns jedoch nicht so richtig einleuchten. Dann um ein unkomprimirtes HD-Videosignal samt Steuersignalen aus der Kamera herauszuführen benötigt man nicht sonderlich aufwändige Elektronik. Schließlich liegt es das Signal vor der Kompression ja schon als solches bereit.
Vielmehr sind dies eben Features, die den Aufpreis der Kamera gegenüber der Konkurrenz rechtfertigen sollen. (Ähnlich verlangt ja auch Sony für die Z1 gegenüber der FX1 fast das doppelte, ohne einen echten Hardware-Mehrwert). Als Nachfolgemodell zu der XL1/2(s) ist die XL 1H daher wohl kaum zu verstehen.
Ähnlichkeiten
Dennoch teilt die Kamera viele Gemeinsamkeiten mit ihren deutlich günstigeren Vorläufern: Das Gehäuse ist praktisch identisch. Hinter der Wechselobjektiv verrichten allerdings drei 16:9-Zoll-CCDs ihr Werk, die mit je 1,67 Megapixeln rechnerisch sogar ohne Pixelshift für volle HDV2-Auflösung sorgen können. Auch der Sucher ist wieder frei justierbar, wodurch man theoretisch sogar mit dem linken Auge eine Sichtkontrolle hat. Durch Aufklappen ist der Sucher auch als Display nutzbar. Allerdings reichen die 215.000 Pixel trotz Fokussierhilfen wie Peaking und Ausschnittsvergrößerung nicht aus, um zuverlässig die Schärfe kontrollieren zu können. Ein externer Vorschaumonitor könnte hier helfen, jedoch sollte dieser über Komponenten und nicht über Firewire angeschlossen werden (wie z.B ein Notebook mit Capture-Software). Denn durch die lange GOP-Struktur der MPEG2-Kompression liegt das Signal hier mit fast einer Sekunde Verzögerung an. Deutlich zuviel für eine Bildkontrolle. Diese ganze Schärfe-Problematik teilt Canon jedoch mit allen anderen bisher erhältlichen HDV-Camcordern.
Bedienung
Auch bei der Bedienung ist die XL 1H eine klassische XL-Kamera. Wenn man bereits mit den anderen Kameras der Serie gefilmt hat, findet man sich sofort zurecht. Damit erbt das neue Modell allerdings auch die alte Schwäche der Kopflastigkeit: Als Schultercamcorder trägt der Bedienarm des Kameramanns einen großen Teil des Kamera-Gewichts, was zur schnellen Ermüdung beim Filmen führt. Auf einem Stativ ist die XL 1H daher deutlich besser aufgehoben. Ein deutliches Indiz für den primären Einsatz als Studiokamera oder für den szenischen Film.
Wie es sich für eine professionelle Kamera gehört, finden sich alle wichtigen Einstellungsmöglichkeiten als separate Knöpfe und Drehregler am Gehäuse. Nur für grundsätzliche Einstellungen muss man in das Kamera-Menü. Auf einer SD-Karte lassen sich bis zu sechs Kamera-Einstellungen speichern und bei Bedarf abrufen. Auch die Zoom-Wippe ist sozusagen erste Sahne: Butterweiche An- und Ausfahrten sowie die einstellbare Zoomgeschwindigkeit garantieren professionelle Bildfahrten. Das mitgelieferte 20fach-Zoom-Objektiv ist nicht so weitwinkelig wie das der Z1/FX1, allerdings zeigt letztere im extremen Weitwinkel auch deutliche Kissenverzerrungen. Der optische Bildstabilisator funktioniert übrigens tadellos. Kleinere Wackler korrigiert er soft ohne nervöse Hakler. So soll es sein.
Bildtest
Die Bildqualität der Kamera bringt beeindruckendes Zutage: Die XL 1H zeigt bei der Schärfe fast bis zum Ende unseres Testcharts noch die Streifenstruktur. Während eine Sony FX1/Z1 ungefähr bei 700 Linien dicht macht, kommt die Canon auf fast 800 Linien. Doch während die Sony einfach nur unschaf wird, zeigen sich bei der Canon leichte Farbsäume (Chromatische Aberrationen) an den Kantenrändern im äußeren Bereich des Objektivs.

In der Praxis wirken die Bilder der Canon immer eine Spur knackiger, als die der FX1/Z1. Dazu benötigt die Kamera kaum eine Kantenaufsteilung. Jedoch sind die Bild-Unterschiede wirklich nur im direkten Vergleich zu sehen.
Auch bei den Farben kann man Canon eine etwas bessere Farbdifferenzierung zugestehen. Im direkten Vergleich zur Sony-Serie muss man die Unterschiede dennoch mit der Lupe suchen. Wer das selbst tuen will: Unsere beiden Testbilder finden sich in voller HDV2-Auflösung (1440 x 1080) hier zum Download:
Canon XL H1 und Sony Z1/FX1 (Die Bilder sind in der nativen HDV2-Auflösung mit 1440 Pixeln abgelegt, um keine Skalierungsfehler zu zeigen.)
Eine direkte Klassifizierung fällt schwer, weil sich beide Geräte umfangreich farblich justieren lassen.

Im Low-Light-Test liegt die Canon dagegen etwas unter dem Niveau der FX1/Z1. Zwar sehen die Test-Bilder bei 0dB nahezu identisch aus. Dreht man jedoch den Gain dazu fängt die XL H1 schneller an zu rauschen, wo die Sony noch nahezu rauschfreie Bilder produziert.
Sonstiges
Der integrierte 25-Frame-Modus (25f) soll Aufnahmen einen Film-ähnlicheren Look verleihen. Technisch sorgt jedoch nur ein integrierter Deininterlacer für die Zusammenlegung der beiden Halbbilder. Das Ergebnis konnte uns dabei nicht überzeugen. Erstens ist der aufgezeichnete Datenstrom von anderen HDV-Geräten nicht mehr lesbar. Und zweitens ruckelt das Material abschließend einfach zu stark. Softwarebasierte Deinterlacer erzielen hier deutlich bessere Ergebnisse. Über zwei Cinelook-Kurven lässt sich die Aufzeichnung auch noch näher an den Kontrastverlauf von Film bringen. Dies gelingt der Kamera sehr gut, jedoch lässt sich dieser „Look“ ebenfalls gut in der Postproduktion erzeugen. Dadurch muss man sich nicht schon beim Dreh festlegen.
Fazit
In bestimmten Anwendungsgebieten (besonders im Studio) kann die XL 1H bisher eine Alleinstellung einnehmen. Nirgendwo sonst bekommt man unter 10.000 Euro ein echtes HD-Signal unkomprimiert aus einer Kamera geliefert. Auch die Timecode-Synchonisation gibt es bei der Konkurrenz in diesem Preisbereich nicht. Schon als hochauflösende Studiokamera dürfte dieses Modell eine rege Abnehmerschar finden. Der Bildunterschied zur FX1/Z1 von Sony ist zwar im Messlabor nachweisbar, beim subjetiven Sichttest fallen die Unterschiede jedoch geringer aus als erwartet. Auch in den übrigen Bereichen kann sich Canon nicht sonderlich mit seiner mitgelieferten Optik gegenüber der Sony FX1/Z1absetzen. Vielleicht wird die Kamera in Zukunft ja mit einer besseren Optik ausgeliefert, jedoch sollte man sich hier beim Preis keine Hoffnungen machen: Eine HDV-Optik ohne Randunschärfen und Chromaaberrationen kostet heute noch mehr als die ganze XL 1H. So gesehen kann man der Canon XL H1 zwar das bisher beste HDV-Bild aller Zeiten bescheinigen, allerdings zu einem Preis, der sie für ambitionierte Filmer beinahe uninteressant macht. Immerhin zeigt die XL 1H schon einmal, dass Canon auch HDV beherrscht. Hoffen darf man jetzt daher auf eine schnelle Einführung der XM 1H (oder wie auch immer sie dann heissen mag).
Die Canon XL H1 im Test und im Vergleich mit anderen HDV Camcordern