Angeregt durch einen Forenthread zur neuen Sigma fp L wollten wir auch einmal ein paar Gedanken zur L-Mount zusammenführen. Besonders über deren Positionierung im Umfeld der Filmer. Dafür muss man jedoch erst einmal gut drei Jahre zurückblicken...
Gestern
Die großen japanischen Hersteller Canon und Nikon kamen ungefähr zu dieser Zeit (Sommer bis Herbst 2018) mit zwei neuen Mounts für Vollformat Sensoren auf den Markt. Diese neuen Mounts ermöglichten durch Weglassen der bis dahin üblichen Spiegelreflex-Einheit Objektiv-Konstruktionen mit deutlich verkürztem Auflagemaß. Sony und Leica waren zu dieser Zeit bereits mit vergleichbaren Mounts im Markt vertreten. Die Hersteller verfolgten bei der Einführung jedoch unterschiedliche Strategien, die rückblickend unterschiedlich erfolgreich waren...
Die naheliegendste Strategie kam dabei von Canon und Nikon: Nämlich einen pragmatischen Upgradepfad für Objektive und Kameras zu schaffen. So ließen sich mit durchdachten Adapter Lösungen alle Objektive der abgelösten Vorgänger-Mount an neuen Kameras weiter nutzen.
Die interessanteste Strategie kam von Sony: Hier wurde die ursprünglich nur für APS-C/S35-Sensoren vermarktete E-Mount "einfach" auf Vollformat erweitert. Das klappte technisch trotz kleinem Durchmesser erstaunlich gut, sorgte aber im Objektiv-Sortiment für einige Unklarheiten.
Da Panasonic auf keine vorangegangene Vollformat-Basis zurückgreifen konnte und die MFT-Mount zu klein war, um für Vollformat genutzt zu werden, musste eine dritte Strategie her. Hierfür wurde die L-Mount Allianz ins Leben gerufen, bei der Panasonic zusammen mit Sigma auf Leicas seit 2015 eingeführte L-Mount zurückgriff. Da Panasonic und Leica schon seit längerem eine tiefe Technik-Partnerschaft pflegen, dürfte Panasonic die Eigenschaften der L-Mount sowieso wie die eigene Westentasche gekannt haben. Wenn die L-Mount nicht sogar seinerzeit schon von Panasonic maßgeblich mitgestaltet wurde.

Doch leider blieb Panasonic bei der Einführung der L-Mount nicht seinem früheren Image treu, verlässliche Spitzentechnik signifikant günstiger als Canon, Nikon oder Sony an den Mann zu bringen. Stattdessen versuchte man der aufkeimenden Kamera-Krise mit einer neuen Strategie zu begegnen. Nämlich indem man mit dem technischen Weggefährten Leica dessen hochpreisiges Image "mitfahren" wollte. Und so kamen vielen Panasonic Fans die 2018 eingeführten Vollformat Kameras mit L-Mount nicht gerade günstig vor. Ganz im Gegenteil: In Kombination mit einem neuen Objektiv waren die Panasonic Modelle meist sogar teurer als vergleichbare Kombinationen von Canon, Nikon oder Sony.
Canon und Nikon konnten dagegen viele Anwender ansprechen, die bereits seit über drei Jahrzehnten EF-Mount oder F-Mount-Objektive genutzt haben, während Panasonic auf keinen derartigen Upgrade-Pfad zurückgreifen konnte.
In unseren Augen wäre unter diesen Voraussetzungen eine Druckertinten-Strategie erfolgreicher gewesen: Panasonic hätte seine neuen Kameras zum Kampfpreis positionieren müssen, um schnell Marktanteile und dann erst in zweiter Instanz an den L-Mount Objektiven zu verdienen.
Doch Panasonic wollte sich offensichtlich seine Marktanteile lieber durch einen objektiven Funktionsvorsprung "verdienen". Und tatsächlich präsentierte Panasonic für Filmer eine interessante Varicam Color Science sowie ein potentes, internes 10 Bit Log Format, das die Konkurrenz 2018 so nicht bieten konnte (bzw. wollte).
Dennoch griffen die Filmer nicht scharenweise bei den neuen Panasonic-Angeboten zu - was in unseren Augen vor allem an drei Dingen lag:
1. Die ersten Objektive hatten abschreckend hohe Preisschilder, was ein drehfertiges Setup für Filmer entsprechend verteuerte.
2. Bei dem immer mehr nachgefragten Video-Autofokus zeigt Panasonic bis heute Schwächen gegenüber Canon, Nikon und Sony.
3. Es stand bereits 2018 im Raum, dass die Konkurrenz kurzfristig bei den Videofunktionen nachlegen würde.
Heute
Hätte Panasonic vom Start an die S1 günstiger angeboten oder mit den meisten Funktionen der S1H ausgestattet (die jetzt seit kurzem sowieso per Firmware nachgereicht wurden) hätte man vor drei Jahren sicherlich deutlich mehr Filmer zur L-Mount bewegen können. Doch in der Zwischenzeit haben sowohl Canon als auch Sony zwei DSLMs (sowie noch weitere Cine-Kameras) ins Rennen geschickt, die an Funktionalität für Filmer die Panasonic Modelle übertreffen. Und das zu Preisen, die kaum über Panasonics DSLMs liegen.

Sehr wahrscheinlich hatten wir es diesem Kampf um die neuen Mounts zu verdanken, dass die anderen Hersteller ihre professionellen Video-Funktionen aktuell auch in günstigeren DSLM-Bodys verbauen. Denn nur wenn man sich von einem neuen Body einen handfesten Vorteil verspricht, lässt man sich letztlich von einem Systemwechsel überzeugen.
Ein gutes Beispiel ist die technische Ähnlichkeit zwischen der 1DX Mark III und der EOS R6. Als Spiegelreflex-Modell findet man vergleichbare R6-Funktionalität für Filmer erst für mehr als den doppelten Preis. Eine solche Preis-Diskrepanz darf wohl bei Canon deutlich als Anreiz für einen Mountwechsel gedeutet werden.
Morgen
Was könnte nun also Panasonic tun, um die L-Mount für Filmer noch spannender zu machen? Zuerst einmal: Günstige Bodys (nicht nur) für Filmer auf den Markt bringen. Die günstigsten DSLM-Bodys von Canon, Nikon und Sony sind bereits knapp über 1.000 Euro zu erstehen, während die günstigsten L-Mount Kameras immer noch fast 2.000 Euro kosten. Solche Preisunterschiede sind für die meisten Anwender Welten.
Neben einer dringlichen Nachbesserung beim Autofokus müsste Panasonic auch Funktionen bieten, welche die Konkurrenz weiterhin "beschützt". Und das bedeutet u.a. bei Panasonic Pro Funktionen plündern (Broadcast) und auch beim Streaming mehr wagen.
Kurz: In unseren Augen bräuchte es eine Kamera die Broadcast, Streaming und Cine in sich bestmöglich vereint. DIE Eine für Alle - zum Killer Preis mit L-Mount.

Man darf dabei ruhig in Richtung BGH-1 mit Vollformat Sensor denken. Und zwar "groß denken", also mit allen Funktionen, die sie auch zur direkten Konkurrenz für Blackmagics URSA Mini Pro, zu den REDs und zur ARRI Alexa Mini macht. Und gerne auch noch für Broadcast mitdenken, wie es ARRI gerade mit der AMIRA Live vorgemacht hat. Und natürlich auch für Streaming Studios interessant bleiben, z.B. mit geringer Latenz, guter IP-Einbindung und pragmatischem Audio-Sync.
Panasonic könnte hierfür das Know-How aus seinen diversen Abteilungen zusammenführen. Und wirklich eine Basis-Kamera für all diese Anwendungsbereiche schaffen. Stimmt hier der Preis, so kann nachrangig mit diversem Zubehör, Servicekonzepten und L-Mount Objektiven der Gewinn abgeschöpft werden. Irgendwann wird es eine solche Kamera sowieso geben, denn die entsprechende Konvergenz zeigt sich schon heute bei allen Herstellern deutlich. Und noch könnte Panasonic der erste Hersteller sein, der sie realisiert...