Frage von Zeth:Wir haben ein Schulprojekt und sollen eine Dokumentation über unser Umfeld machen aber bei den ersten Aufnahmen haben wir keinen Fuß auf den Boden bekommen.
Die Leute haben auf unsere Fragen immer sehr komisch geantwortet, ganz anders als man es beispielsweise aus dem Fernsehen kennt. Im Fernsehen werden die Kommentare der Leute ja oft einfach ohne die Frage des Moderators gezeigt, bei den Antworten die wir erhalten haben geht das leider nicht.
Da noch mehrere Drehtage anstehen wollen wir es beim nächsten Mal einfach besser machen.
Also wie werden im Fernsehen die Fragen gestellt?
Wie bekommen die Dokumentarfilmer das zu hören was sie gerne möchten?
Es wäre wirklich ganz große Klasse wenn ihr uns helfen könntet und ein paar richtlinien geben könntet.
Lieber Gruß
timmey
Antwort von Anonymous:
- KEINE JA/NEIN FRAGEN!!! Versuch, den Interviewten reden zu lassen
- Schreibt euch die Fragen vorher auf.
- Das Micro IMMER dem gegenüber hinhalten, nicht hin-und-her schwenken. So verpasst Du nichts. (eure Fragen können zur Not nachträglich aufgenommen werden)
- Nicht unterbrechen oder "mhh..ja...aha" reinplappern. Ggf. zustimmend nicken, aber STUMM!
- Rel. nah an die cam stellen, dann schaut der Interviewte auch in die richtige Richtung.
So, mehr fällt mir spontan nicht ein, aber das sind so doe Basics denke ich. Die ersten beide Punte sind die Wichtigsten. Gute Fragen zu formulieren ist nicht so trivial wie man evtl. denkt.
viel erfolg
Antwort von PowerMac:
Schwierig! Sicher wichtig: Praxis, Erfahrung, früher Fehler gemacht haben, über die eigenen Fehler womöglich bewusst reflektiert haben. Ebenfalls: Menschenkenntnis und ein gutes Gefühl, wie man mit Menschen redet. Eigentlich musst du dir nur mal genau ansehen und anhören, wie Menschen reden. Lese ein paar Bücher über Kommunikation oder Kommunikationsmodelle. Die Psychologie der Sprache ist auch interessant. Analysiere, warum jemand wann etwas sagt und was dem vorherging. Warum antwortet dies auf jenes? Was glaubt er, was du von ihm willst? Wie ist das Verhältnis zwischen Interviewer und Protagonist? Was steckt eigentlich in seiner Aussage? Sind es reine Fakten? Oder will er dich zu etwas überzeugen? Gar absichtlich oder unbewusst? Drückt er eigentlich etwas auf der emotionalen Ebene aus? Wieso tut er das? Und warum tut er das auf deine Frage oder Aufforderung, etwas zu sagen? Hat er dich überhaupt verstanden? Weiß er, worauf du hinaus willst? Stelle vielen Menschen die gleiche Frage und höre genau zu, was sie alle darauf antworten. Analysiere, was Menschen antworten und wie sie deine Fragen verstehen. Das setzt voraus, dass du ganz genau weißt, was du hören willst. Aber nicht immer. Es gibt auch viele Situationen, wo du nicht weißt, was du hören willst. Aber du weißt, dass du eine spannende, erklärende Antwort auf deine genau Frage haben willst! Etwa wenn du wissen willst, was es mit ominösen Spende an den Politiker zu tun hat! Die Antwort ist ja neu und spannend, du kennst sie nicht. Aber deine Frage ist dennoch sehr präzise und du weißt, worauf du hinaus möchtest.
Es gibt verschiedene Techniken. Manchmal will man nur einen präzisen Faken-O-Ton. Etwa ein Unfall auf der Autobahn. Du gehst zum Einsatzleiter der Feuerwehr und sagst, du brauchst ein paar O-Töne. "Können Sie in 15 Sekunden erklären, was passiert ist und was Sie gerade machen?" "Ja, also ähm, wir bergen gerade den Fahrer. Von diesem Opel Corsa, äh der hat sich überschlagen, nachdem er wohl hier von Chemnitz kommend von der Fahrbahn abgekommen ist und die Böschung hinunter gekommen gerutscht ist. Sieht ziemlich schrecklich aus. Die Insassen sind eine Frau, die wir schon frei schneiden konnten und ein junger Mann, der wir gerade auf der besonders eingedellten Fahrerseite mit Spezialspreizern bergen…"
Oder du willst, dass jemand dir etwas nur nachspricht, weil er sich partout nicht ausdrücken kann. Also sagst du ihm können Sie bitte folgendes in eigenen Worten wiedergeben. Sie haben 10 Sekunden: "Wir sind ganz besonders stolz darauf, endlich hier in Überlingen unser neues Einkaufszentrum für unsere Bürger, nahe an der Innenstadt, eröffnen zu dürfen. So etwas freut einen Bürgermeister natürlich immer doppelt!" Das wird er ähnlich in etwas längerer Zeit hinkriegen. Du sagst 10 Sekunden und weißt, dass es eher 20 Sekunden werden. Aber das geht auch noch und kann dann eventuell auch geschnitten werden.
Sei kurz. Drücke dich einfach aus. Deine Frage sollte nicht mehr als zehn Wörter haben. Du glaubst schon, dich einfach auszudrücken? Mach' es noch einfacher. Nehme Komplexität raus. Komplexität erhöht die Gefahr, aneinander vorbei zu reden. Der Protagonist versteht dich nicht und du weißt nicht mehr, was du wolltest oder du verstehst seine Antwort nicht. Erst recht wird der Zuschauer zuhause nichts blicken. Also mach alles einfach. Für dich im interview, für den Protagonist, damit er kurz, prägnant und direkt ohne Missverständnisse auf deine Frage antworten kann und für den Zuschauer, welcher ja leicht verständliche o-Töne hören will. Er ist ja nur Zuschauer und nicht Experte. Also speck' ab in Sachen Schwierigkeit und Fachlichkeit.
Sag dem Protagonisten, was du brauchst. Wenn du einen eher emotionalen O-Ton haben willst, sag es! Sag ihm, erzählen Sie über diese schwierige Situation damals, als ihr Mann verstorben ist, wie war das für sie…? Was ging dem voraus?" So regst du mit einem Gefühl an, darüber zu reden. Der Protagonist erinnert sich an die negativen Gefühle, die harte Zeit damals und wird traurig, erzählt dir aber davon, so dass du mitfühlen kannst. Und erst recht der Zuschauer. Oder: "Können Sie unserer Zuschauern die Situation schildern und uns berichten, wie das für sie war?" So regst du zur Mit-Tätigkeit an, denn dem Protagonisten wird der Zuschauer wird wieder klar. Er denkt, denen, die davon noch nichts wissen, darf ich das erzählen! Was für eine Ehre! Das hilft mir sicher, damit umzugehen. Erkläre dem Interviewten indirekt, welchen Nutzen für ihn das Interview hat! Mach ihn zu deinem Freund, zu deinem Partner. Er ist nicht nur ein O-Ton-Geber, sondern ein Mensch. Dich interessiert, was er sagt. Dich interessiert der Mensch! Vergiss das nie. Stell dir auch immer vor, du weißt selbst gar nichts. Sei der unbefangene Zuschauer. Was würdest du gerne hören? Was ist spannend für dich? Was bewegt dich? Genau DAS soll der Protagonist erzählen. Also frag möglich direkt danach. Oder auch oft indirekt. Denn du willst ja kein Salz in die Wunde streuen.
Oder sag ihm gar nichts. Er soll keine Ahnung haben, in welche Richtung das Interview geht. Er darf nix über deine Fragen wissen. Frage ihn stellvertretend für den neugierigen Zuschauer aus. Wenn du etwas nicht verstehst, frage nach! "Können Sie das noch einmal erklären. Das verstehe ich nicht!" oder: "Können Sie das unseren Zuschauer einfacher erzählen?"
Manchmal hilft es, wenn du einen Satz beginnst und der Interviewte muss ihn vervollständigen. "Ich halte von Hartz 4 nichts, weil…" "Skaten ist einfach ein toller Sport! Ich kann so immer…"
Antwort von smooth-appeal:
Die beste Methode ist Vertrauen zu den Leuten aufzubauen. Es kommt dabei nicht nur auf dein Auftreten sondern vor allem auf eine natürliche Art des Umgangs mit deinen Protagonisten an.
Wenn du das geschafft hast erhälst du wirklich authentische Szenen, dafür müssen Sie aber dich wahrnehmen und nicht die Kamera.
Das ist meine Art das zu bekommen was ich möchte. Auch wenn ich mich dafür meistens verstellen muss ist das Ergebnis es wert.
Bei deiner Aufgabenstellung wird es schwierig, bei meinen Projekten ist meist genügend Zeit zum kennenlernen und ggf. auch zum Wiederholen der Szenen. Aus diesem Grund kenne ich keine gute Pauschalantwort. Da sollte sich lieber einer der ENG erfahrenen User zu Wort melden.
Wobei ich das Geplappere bei Reportagen und Co. nicht so schlimm finde. Kommt oft genug im Fernsehen vor damit es von den Zuschauern akzeptiert wird. Außerdem sind ja viele Leute auch nicht sehr helle und von daher wäre das angesprochene Dummgeblubber auf euren Aufnahmen schon wieder authentisch ;-)
Antwort von Anonymous:
Manchmal hilft es, wenn du einen Satz beginnst und der Interviewte muss ihn vervollständigen "Skaten ist einfach ein toller Sport! Ich kann so immer…"
"... Luft ablassen und einen klaren Kopf kriegen."
So, und was macht man dann mit so einem Sprachfetzen? Man könnten den Off-Ton vervollständigen lassen, aber das ist immer eine Notkrücke find ich. Ich würde sie auf jeden Fall ganze Sätze sagen lassen!!
Antwort von PowerMac:
Natürlich soll er das von mir Vorgesagte nachplappern und seinen Part anhängen.
Antwort von Anonymous:
Natürlich soll er das von mir Vorgesagte nachplappern und seinen Part anhängen.
So???
Antwort von Pianist:
Im Prinzip sind die bisherigen Beiträge schon sehr gehaltvoll und nützlich, aber ich ergänze mal noch ein paar Gedanken, weil sowas später ja auch im Archiv gefunden wird:
Generell geht es ja darum, wie weit man Leuten was "in den Mund legt" oder sie einfach unbeeinflusst reden lässt. Bei einem journalistischen Produkt würde ich weniger eingreifen als bei einem Film im Bereich Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit. Und ich würde es auch davon abhängig machen, wie routiniert der Gesprächspartner ist.
Um mal zwei Extremfälle zu nehmen: Ein Bundesminister kriegt für einen kritischen Magazinbeitrag eine Frage gestellt und erzählt Grütze. Dann wird die Grütze genau so gesendet. Wenn aber jemand, der sonst nie vor Kameras steht, für einen positiven Imagefilm etwas sagen soll, dann darf man ihn auch gerne in eine bestimmte Richtung lenken und ihm ein paar Vorschläge machen, wie er seine Botschaft am besten rüberbringen kann. Und der hat dann auch fünf bis zehn Versuche frei.
Dabei achte ich immer darauf, dass ich später nicht in den O-Tönen herumschneiden muss, sondern dass es eine Version gibt, wo die entscheidenden drei Sätze genau so sitzen, dass ich sie zeigen kann. Also mit einem klaren Anfang und einem klaren Ende. Die Leute sollen immer zum Interviewer schauen, niemals in die Kamera und auch sonst nirgendwohin. Und sie sollen nicht mit "ja" oder mit "also" beginnen.
Das Drehen schöner O-Töne ist mit die schwierigste Aufgabe beim Filmen, weil man mit vielen Faktoren zu kämpfen hat: Sonne geht plötzlich weg, Baumaschine macht Lärm, Gesprächspartner redet Gülle, und so weiter. Aber genau in diesen Augenblicken darf man nicht verzagen, sondern die Aufnahme ist erst dann fertig, wenn man eine Version im Kasten hat, von der man weiß, dass sie gut ist. Lieber die Leute einmal mehr quälen, damit sie dann später auch mit dem Ergebnis zufrieden sind.
Aber meiner Erfahrung nach lassen sich ganz normale Straßenumfragen ziemlich locker drehen, da kommen an sich immer gute Resonanzen, wenn man geschickt mit den Leuten umgeht. Ist Übungssache.
Matthias
Antwort von robbie:
Sehr gute inputs. Ich steh zwar meist an der Kamera und überlasse meinem Redakteur (bevorzugt Redakteurin) das Reden. Aber manchmal muss man auch selbst was machen, besonders bei sehr kleinen Geschichten.
Ich geh auch mal kurz auf die Bildtechnische Seite ein:
Ich weiß nicht ob meine Vorredner das schon geschrieben haben, aber, besonders wichtig ist auch, dass der Interviewte nicht in die Kamera spricht, sondern mit dem Redakteur. Weiters sollte man auf die Drittel-Regel achten beim Bild, und diese dann bei mehreren Interviews (zB auf der Straße,...) abwechselnd mit links und rechts anwenden, das führt zu einem interessanteren Bildaufbau beim Schnitt.
Ach ja, um zur Redakteurin zurückzukommen. Es gibt manchmal Tage, oder es gibt Situationen, da will irgendwie niemand interviewt werden. Da Hilft es ungemein, wenn man eine hübsche Redakteurin mit hat, weil der laufen die Interviewpartner dann meist nach.
Manchmal von Vorteil: Eine kurze und eine lange Version der gleichen Antwort. Wenn man merkt, der Interviewte blabbert einen voll, dann nochmal die Frage nachstellen wie "auf den Punkt gebracht, dein Resumee,.."
und, wenns zu kurz ist, nachhacken, oder noch eine Frage stellen.
hat das meine Redakteurin zB sehr gut gemacht.
Ich möchte mich für die blöde Youtube-Quali entschuldigen, den Schnitt hab nicht ich gemacht. Der Witzbold hat nichtmal die mikrospur verdoppelt glaub ich *ärger*...
Antwort von Markus:
Kürzlich im Fernsehen gelaufen:
Ein Reporter möchte einen Sachverständigen (der die ganze Zeit im Bild zu sehen ist!) etwas fragen, holt meilenweit aus, verheddert sich in einem Schachtelsatz und beendet seinen Beitrag am Ende mit einer geschlossenen Frage, auf die die Person, die bereits seit 30 Sekunden kommentarlos im Bild zu sehen ist, mit einem lapidaren "Ja." antwortet.
Das fand ich sehr lustig. Warum wurde die Aufnahme in dem Moment nicht einfach wiederholt und die Frage offen formuliert?
Antwort von robbie:
^^ welcher sender? :P
Antwort von Markus:
Ich bin mir nicht sicher, aber es
könnte Sat.1 gewesen sein.
Wobei ich die Aussage fast sogar auf "es könnte
jeder Sender gewesen sein" erweitern würde, denn der inhaltliche, dramaturgische und technische Schrott nimmt für meine Begriffe bedenklich zu - und zwar auf beinahe jedem Sender.