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Frage von 1pjladd2:


Als Einstiegs-Freiberufler (nun seit gut 2 Jahren) quälen mich hier und da einige grundlegende Fragen zum Thema Kostenkalkulation und Verhandlungen mit Auftraggebern.
Ich schätze mich da meistens selbst als sehr unselbstbewusst und zu gutmütig ein. Da ich halt noch nicht die Erfahrung habe und viele Halbwahrheiten im Umlauf sind.
Es fehlt mir quasi an Argumentationskraft, wenn der Auftraggeber mal widerspricht. Die wie soll man selbstsicher auftreten, wenn man nicht weiß was richtig oder falsch; üblich oder unkonventionell in der Branche ist. Die einen behaupten, der Tagessatz sei viel zu hoch. Die anderen meinen, davon könnte man nicht mal leben.

Für manche Themen gibt es auch keine allgemein gültige Regelung, da diese Angelegnheiten einfach auf gegenseitige Verhandlung beruhen.

Also schieß ich einfach mal los mit meinen Fragen? (Falls da Fragen dabei sind, die Betriebsgeheimnisse berühren, bitte einfach ignorieren!)
1. Wie rechnet ihr Überstunden ab? (Wenn überhaupt?)
2. Auf wie viele Stunden sind eure Tagessätze ausgelegt (8h/10h/12h)?
3. Kommuniziert ihr diese Länge zu Beginn mit eurem Auftraggeber?
4. Oder habt ihr feste Tagespauschalen (sprich, wenn der Job auch mal 16h geht, verlangt ihr keinen Aufrpeis)?
5. Wie verhandelt ihr Spesen / Reisepauschalen (vor Beginn des Jobs? Hinterher alle Belege auf den Tisch legen? / Pauschale vereinbaren?)
6. Manchmal kommt es vor, dass einem der Mehraufwand erst am Ende des Jobs auffällt (heftige Überstunden, verschwiegener Mehraufwand, lange Reisezeiten, spontane Unterbringung in Hotels) - Wie kalkuliert bzw. regelt ihr das mit dem AG?
7. Wie argumentiert ihr euren Tagessatz (Erfahrung? Know-How? Alleinstellungsmerkmal?)
8. Wenn der Auftraggeber nicht nachgibt und weiter runterhandeln will, lehnt ihr ab oder lasst ihr euch drauf ein?

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Antwort von Drushba:

Vielleicht solltest Du erstmal klären, was Du machst. Ist es nur Kamera? Dann die entsprechenden Tarifsätze zur Orientierung nehmen. Stellst Du Filme komplett her, d.h. verantwortest Du auch die Endfertigung inkl. des Einbeziehens anderer Gewerbe? Dann solltest Du keine Stundenzahl berechnen sondern Dir überlegen, was Du wert bist und was Du verdienen willst und das Projekt als solches veranschlagen. Klar kannst Du als Grundlage Deiner Kalkulation Stundensätze nehmen und diese bei Bedarf angleichen. Nur dann wirst Du immer wie eine Handwerker verdienen und auch als solcher behandelt werden. Die meisten scheitern IMHO, weil sie mit Arbeitnehmermentalität selbstständig werden wollen und nie als Produzent und Verkäufer aufzutreten lernen.

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Antwort von 1pjladd2:

Ich bin zum größten Teil dienstleistender Kameramann. Werde also von Produktions- und Veranstaltungsfirmen angeheuert.
Andererseits biete ich aber auch komplette Produktionen an (vom Konzept, Dreh, Schnitt, Ton, Farbkorrektur, bis zur Animation).
Aber selbst bei diesen "Full-Service"-Aufträgen kommt es zu Diskussionen mit Kunden á la "Beim Fernsehen geht das doch auch schneller und kostet weniger."

Wo findet man denn solche Tarifsätze?

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Antwort von Drushba:

Hier sind Wochengagen gelistet. Tagessätze wären dann der entsprechende Teiler:
http://www.kinematografie.org/berufsver ... abelle.php

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Antwort von 1pjladd2:

Diese Liste war mir bereits ein Begriff.
Doch wer von diesen Leuten tritt denn als Selbstständiger am Set auf? Bei Film- und Fernsehproduktionen sind diese doch alle unter Vertrag.

Ich arbeite meistens in kleinen Teams von 2-3 Mann. Da kann ich solche Preise leider nicht abrufen.

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Antwort von Drushba:

1pjladd2 hat geschrieben:
Diese Liste war mir bereits ein Begriff.
Doch wer von diesen Leuten tritt denn als Selbstständiger am Set auf? Bei Film- und Fernsehproduktionen sind diese doch alle unter Vertrag.
Ein Kameramann kann auch auf Rechnung arbeiten. Wird nicht empfohlen wegen Rente etc., ist aber bei kleinen Drehs wie z.B. Werbung durchaus üblich.
1pjladd2 hat geschrieben:
Ich arbeite meistens in kleinen Teams von 2-3 Mann. Da kann ich solche Preise leider nicht abrufen.
Dann hast Du schlicht die falschen Auftraggeber. Überleg mal, ob eine Handwerkerbude oder ein Malermeister auch so rechnen würde. Dadurch, daß im Filmbereich jeder ohne Berufsausbildung arbeiten kann, meint auch jeder zweite, sich dumpen lassen zu müssen. Klar, werden diese Auftraggeber jemand anderes nehmen, wenn Du mehr Erlös erzielen möchtest. Und trotzdem gibt es hervorragend laufende Firmen, die weiter gute Preise nehmen. Wie gesagt: Als Unternehmer denken, nicht als Angestellter. Mind the difference ;-)

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Antwort von Sebastian:

Hallo 1pjladd2!
Schade, dass Du Deinen Vornamen nicht nennst...
Ich finde es gut, dass Du solche Fragen öffentlich stellst, denn nur, wenn wir unter Kollegen ungefähr die gleichen Vorstellungen von Honorar und Produktionsbedingungen haben, können wir verhindern, dass uns Produktionsfirmen und Auftraggeber auf der Nase herumtanzen und die Preise immer weiter drücken. Ich weiß, die Vorstellungen liegen (gerade auch hier im Forum) oft weit auseinander, aber umso wichtiger ist es, dass man sich austauscht...
Ich rede schon seit Jahren mit Kollegen offen über Honorare, was dazu geführt hat, dass wir alle ungefähr auf dem gleichen Niveau liegen und wissen, was wir bei freien Produktionen ungefähr aufrufen können.

Meine Antworten im Einzelnen:

1. Überstunden werden grundsätzlich abgerechnet, insbesondere, wenn der Tag eh schon so voll geplant ist, dass die Überstunden schon vorhersehbar sind. Wenn ich die Produktionsfirma mag und öfter von denen gebucht werde, vernachlässige ich Überstunden, die nicht durch Fehlplanung, sondern durch äußere Umstände verursacht wurden, z.B. wenn wir ne Stunde warten müssen, bis der Regenschauer vorbei ist. Und nicht vergessen: Fahrtzeit ist Arbeitszeit!
Überstunden rechne ich auch meistens mit +25% ab.

2. 10h

3. Ja, unbedingt

4. Tagespauschalen mache ich nicht mehr. Das war bisher IMMER zu meinem Nachteil. Wenn Du Auftraggebern eine Tagespauschale einräumst, führt das nur dazu, dass die versuchen, die Arbeit für zwei Tage in einen Tag zu quetschen...
Anders sieht es aus bei Werbung oder Spielfilm. Dort sind Pauschalen für die komplette Produktion eher üblich, bzw. die Tagesgage ist so hoch, dass Überstunden mit abgegolten sind.

5. Spesen und Reisekosten werden nicht verhandelt, sondern nach Aufwand abgerechnet. Musst Du nur auch so in Dein Angebot schreiben. Bei Spesen kann man sich ganz gut an den offiziellen Sätzen des Finanzamtes orientieren, wenn man eine Kalkulation machen muss. Oft ist es aber eh so, dass der Auftraggeber die Hotels selbst bucht und mittags und abends das Essen bezahlt.

6. Wie gesagt, nach tatsächlichem Aufwand abrechnen.
Und Überstunden fallen nicht erst nach der Produktion auf, sondern währenddessen. Im Zweifelsfall kurz den PL informieren, dass ab JETZT Überstunden anfallen. Wenn es dann heißt, dass es dafür kein Budget gibt, kurz überlegen, ob die Produktion die Drehplanung verbockt hat oder ob es "höhere Gewalt" war, dass man so spät dran ist. (siehe 1.)
Wenn Du der Produktion entgegenkommen möchtest, fordere sie auf, alle Bilder, die nicht mehr zwingend benötigt werden, zu streichen um innerhalb der nächsten Stunde fertig zu werden. So bleibt's wenigstens bei nur einer Überstunde.
Besser wäre es noch, wenn Du schon bei der Hälfte des Drehs anmerkst, dass es eng werden könnte und sich die Produktion / Regie über Streichungen Gedanken machen sollte.
Wenn die Produktion den Dreh total falsch geplant hat und Deine vorab kommunizierte Arbeitszeit bewusst überschreitet und nicht bereit ist, dafür zu bezahlen, solltest Du einfach Deine Kamera einpacken und Feierabend machen. Das gibt zwar ne mega Diskussion, aber anders lernen sie es nicht...

7. Erfahrung, know-how, ortsübliche Preise und durch Beispielfilme

8. Bei einem neuen Auftraggeber kannst Du versuchen, den Tagessatz einfach mal 10% höher anzusetzen. Wenn das angenommen wird, kannst Du Dich freuen. Wenn Du das schwere Atmen in der Leitung hörst und er runterhandeln will, kannst Du ihm 10% nachlassen ;)
Mit Produktionsfirmen, für die ich öfter arbeite, habe ich ein recht offenes Verhältnis und wenn die mir sagen, dass sie für das Projekt X nur Etat Y zur Verfügung haben, weiß ich, dass sie mir bei Projekt Z wieder mehr vom Kuchen abgeben werden. Ich schaue dann auch meistens, ob ich Bock auf das Projekt hätte, oder ob das keinen Spaß machen wird.
Dann lehne ich auch ab.
Bei Neukunden lehne ich eigentlich immer ab, wenn die zu weit runterhandeln wollen. Denn wenn man mit einer miesen Tagesgage bei einem neuen Kunden anfängt, wird die auch niemals höher werden. Du wirst dann bei eventuellen Folgejobs immer schlechte Laune haben und früher oder später sowieso nicht mehr für die arbeiten wollen.

Kunden, die sagen "Beim Fernsehen geht das doch auch schneller und kostet weniger", solltest Du raten, sich ein Fernsehteam zu buchen.

Viel Erfolg in der Branche,
Sebastian

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Antwort von 1pjladd2:

Vielen Dank Sebastian für diese ehrliche, ausführliche und konstruktive Antwort.
Sieht man sehr, sehr selten hier im Forum.

Da geb ich auch gerne mal meinen Namen Preis, trotz des Genusses der Anonymität ;-)

Liebe Grüße,
Daniel

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Antwort von Pianist:

Drushba hat geschrieben:
Ein Kameramann kann auch auf Rechnung arbeiten. Wird nicht empfohlen wegen Rente etc., ist aber bei kleinen Drehs wie z.B. Werbung durchaus üblich.
Das eine (auf Rechnung) hat aber nichts mit dem anderen (Rente) zu tun. Wenn ich mal davon ausgehe, dass ein Kameramann ein selbständiger Künstler ist, dann wird er in die Künstlersozialkasse aufgenommen, und dann zahlt er in die gesetzliche Rente ein. Die KSK legt dann den gleichen Betrag noch mal oben drauf.

Matthias

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Antwort von pixelschubser2006:

@Sebastian: SEHR GUT geschrieben, absolut auf den Punkt! Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Außer das die Arbeitsbedingungen beim Fernsehen teilweise lächerlich sind und kein Maßstab sein sollen. Freie Redakteure / Autoren verdienen richtig gut, altgediente Kameraleute kommen klar. Aber alles was in der Hackordnung darunter ist, kannste finanziell weitgehend abhaken. Ich verkaufe zum Glück mein Rohmaterial überwiegend über eine Agentur, da geht das alles. Aber wenn ich mir die Tagespauschalen der Sender so ansehe... nee, würde ich so eher nicht machen. Allerdings ist die Arbeitsbelastung bei einem Sender, mit dem ich viel zu tun habe - vorsichtig ausgedrückt - nicht auf Handwerker-Niveau. Wie da Live-Schalten gemacht werden für 2 Minuten, mit 10 Mann, SNG & Rüstwagen, da krieg ich nen Fön.

Was die KSK betrifft: Aus sozialer Sicht sehr gut (ich hoffe, sie bleibt erhalten), aber bürokratisch eine Katastrophe. Es gibt soviele Möglichkeiten, das besser zu machen, aber immerhin: Wir haben sie. Ich habe im Moment keine reelle Chance, da aufgenommen zu werden, aber als freier Kameramann, der für Produktionsfirmen arbeitet, sollte das kein Problem sein. Die sollten das System auch kennen.

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Antwort von TheBubble:

Passt zwar nur indirekt, da es um Angestellte geht, aber vielleicht eine Orientierung (die Links im verlinkten Artikel ruhig auch aufrufen und lesen):

https://heise.de/-3830997

Das ersetzt für Selbstständige natürlich keine eigene Kalkulation, man kann aber vergleichen, was Andere als Angestellte bekommen.

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Antwort von Bruno Peter:

Sebastian hat geschrieben:
Kunden, die sagen "Beim Fernsehen geht das doch auch schneller und kostet weniger", solltest Du raten, sich ein Fernsehteam zu buchen.

Viel Erfolg in der Branche,
Sebastian
Gehälter bei der ARD: Klick!

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