Stereoskopische Filmaufnahmen wurden schon erstaunlich früh gemacht. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts, nur kurz nachdem der Film überhaupt erfunden wurde, begannen erste Experimente, und schon im Jahre 1922 wurde ein erster Spielfilm im Kino gezeigt ( The Power of Love). Durchsetzen konnte sich 3D auf breiter Basis jedoch bis heute nicht, trotz Anstrengungen seitens der Filmstudios etwa in den Fünfzigern oder Achtzigern.
Seit einiger Zeit ist es wieder so weit: 3D ist in aller Munde, und ginge es nach den Herstellern auch bald in jedem Wohnzimmer. Dabei stehen die Chancen für einen Durchbruch in Sachen 3D-Kino diesmal tatsächlich besser als je zuvor, denn dank digitaler Technik ist sowohl die Aufnahme als auch die Distribution deutlich einfacher geworden. Im Laufe dieses Jahres werden zudem mehrere 3D-Camcorder erscheinen, sowohl für Hobby-Anwender als auch für das (Semi-)professionelle Segment, die mit einer Dual-Optik ausgestattet sind. Mit ihnen erübrigt sich die umständliche (aber natürlich flexiblere) Synchronisation von zwei Kameras.

Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, daß die stereoskopische Filmproduktion ein recht aufwändiges Unterfangen ist, bei der es vieles zu lernen und beachten gibt. Um Neugierigen den Einstieg in die Thematik zu erleichtern, haben wir etwas Grundwissen rund um 3D zusammengestellt -- im einführenden ersten Teil geht es um die Frage, wie der 3D-Eindruck entsteht, welche Parameter wichtig sind und was es bei der Aufnahme zu beachten gibt.
Wie kommt das stereoskopische Bild zustande
Unser natürliches, räumliches Sehen entsteht, da die zwei Bilder, die das rechte und linke Auge liefern, aufgrund des Augenabstands leicht versetzt sind. Im Sehzentrum werden die Abweichungen zwischen den zwei Ansichten räumlich interpretiert (außer bei den ca. 5% der Menschen, die kein "3D" sehen können). Der feste Augenabstand führt zu einer gleichmäßigen Raumtiefe unserer Seheindrücke. Zusätzlich interpretieren wir, praktisch unbewußt, Hinweise auf Räumlichkeit über die Perspektivik -- unterschiedliche Größen erlauben Rückschlüsse darüber, was sich wie weit weg im Raum befindet, Winkel, Linien, Farbabstufungen, Überdeckungen etc. liefern weitere Hinweise.
Aus diesem Grund vermitteln auch herkömmliche, zweidimensionale Bilder (nicht nur Film, auch Foto und Malerei) einen räumlichen Eindruck.
Möchte man nun in 3D-Bildern zusätzlich zur Perspektivik das natürliche Sehen (soweit möglich) reproduzieren, müssen zwei Aufnahmen statt einer gemacht werden (eine für jedes Auge), sie müssen jedoch bis auf einen horizontalen Versatz identisch sein. Denn jeder Unterschied zwischen dem rechten und linken Bild wird als Indiz für räumliche Ausdehnung gesehen, daher verursachen Unstimmigkeiten im 3D-Bild Unwohlsein oder Kopfschmerzen: unser Gehirn versucht vergeblich, die Information zu verarbeiten.
Nachher beim Abspielen wiederum muß sichergestellt sein, daß jedes Auge jeweils nur das linke bzw. rechte Bild zu sehen bekommt (mit Hilfe der altmodischen, anaglyphen Brillen, oder mit neuerer Shutter- oder Polarisationstechnik). Es müssen also zwei Situationen gemeistert werden, die perfekte Aufnahme und die reibungslose Wiedergabe.
Parameter der 3D-Aufnahme
Es gibt mehrere Faktoren, die die Aufnahme von stereoskopischem 3D beeinflussen. Zunächst einmal ist der sog. interaxiale Abstand wichtig, auch Stereobasis genannt. Beim Menschen beträgt dieser etwa 6,3cm -- der Augenabstand. Beträgt der Abstand null, so sind die Bilder identisch, also ohne 3D-Effekt. Beträgt der Abstand sagen wir 10 cm, so weisen sie eine deutlich stärkere räumliche Wirkung auf.

Wird eine Stereobasis gewählt, die entweder enger oder weiter als bei uns Menschen ist, so können unter gewissen Umständen die dargestellten Objekte im Maßstab verändert wirken. Von Hypostereo oder Gigantismus spricht man, wenn ein enger Abstand dazu führt, daß das Geschehen wie aus der Perspektive eines sehr kleinen Wesens gesehen wirkt: alles relativ groß, verglichen mit einem selbst. Liliputismus (Hyperstereo) dagegen entsteht bei großem Abstand zwischen den Optiken -- man sieht die Welt wie mit den Augen eines Riesen: alles klein. Diesen Effekten kann man entgegenwirken, indem die Stereobasis auf die Entfernung der dargestellten Objekte im Raum angepasst wird.
Ein weiterer wichtiger Faktor für das räumliche Sehen ist die Konvergenz. Bringt man die zwei Kameras/Objektive genau parallel ausgerichtet zueinander an, liegt ihr Konvergenzpunkt (der Punkt, wo sich ihre Blickachsen kreuzen) in der Unendlichkeit. Winkelt man sie leicht zueinander, liegt er entsprechend weiter vorne.

Die Bildinhalte am Konvergenzpunkt, wo sich die Objektivachsen kreuzen, weisen in den stereoskopischen Halbbildern den geringsten Versatz auf. Sie liegen, wenn das 3D-Material angeschaut wird, genau auf der Bildebene (der Leinwand, dem Bildschirm). Alle Objekte zwischen der Kamera und dem Konvergenzpunkt liegen bei der Darstellung im Raum vor der Leinwand, jene dahinter entsprechend im Raum hinter der Leinwand.
Die Konvergenz kann auch nachträglich in der Postproduktion beim sogenannten Depth Grading justiert werden.

Bei der Aufnahme müssen also – sofern möglich, s.u. – Einstellungen zur Stereobasis und ggf. zur Konvergenz gemacht werden um die räumliche Wirkung zu kontrollieren. Ebenfalls wichtig ist die verwendete Brennweite, sowie die Lage der abzubildenden Elemente im Raum. Die Entfernung des Objekts, das am nächsten an der Kamera ist, sowie diejenige des am weitesten entferten Objekts ist maßgeblich für den Raum, der im 3D-Bild abgebildet werden muß. Allerdings läßt sich nicht eine beliebige Tiefe in ein 3D-Bild „quetschen“, ohne daß der Sehnerv überreizt wird.
Je näher das Motiv an der Kamera ist, umso kleiner sollte die Stereobasis sein und umgekehrt. Je weiter weg im Bild sich Inhalte befinden, umso schwieriger wird es, ihre genaue Verteilung im Raum einzuschätzen (so ist es auch in der Realität, also beim natürlichen Sehen). Daher kann man etwa bei Landschaftsaufnahmen schon mal eine größere Stereobasis wählen, um die Tiefe zu betonen.
Eine alte Daumenregel besagt, daß die Stereobasis 1/30 des Abstandes betragen sollte, der zwischen dem nähesten Objekt und der Kamera liegt. Um bei einer professionellen Produktion passende Werte für Stereobasis (und ggf. zur Konvergenz) einzustellen, wird zunächst festgelegt, wo die Kamera platziert wird, mit welcher Brennweite gearbeitet werden soll und welche Bildinhalte sich in welcher Entfernung im Raum vor der Kamera befinden. Anhand dieser Werte wird mit einer Formel bzw. Software (wie zB. dieser) die optimale Stereobasis ermittelt, und zwar idealerweise unter Berücksichtigung der Größe des endgültigen Abspielfensters und der Betrachtungssituation. Denn je nach dem, ob das 3D-Material auf einer großen Kinoleinwand oder nur am Computerbildschirm abgespielt werden soll, muß die Stärke des 3D-Effekts reguliert werden.
Bei der Wahl der Brennweite werden übrigens meist eher weitwinkelige Optiken vorgezogen, da diese die Welt runder abbilden, während dasselbe Motiv durch eine Telelinse flach und beinahe wie ausgestanzt wirkt.
Bildkontrolle und Gestaltung
Wird mit zwei Kameras aufgezeichnet -- und bislang gab es keine Alternative dazu, erst im Laufe des Jahres erscheinen erste Camcorder, die über eine Doppellinse verfügen --, müssen diese äußerst penibel eingerichtet und von den Einstellungen exakt synchronisiert werden. Wie oben erwähnt geht unser Sehzentrum, das die 3D-Bilder sozusagen entschlüsselt und interpretiert, davon aus, daß jede Abweichung (sog. Disparität) zwischen dem linken und rechten "Signal" ein Hinweis auf die Größe und Lage des Gesehenen liefert. Gewünscht ist daher unbedingt nur jene horizontale Disparität, die den 3D-Effekt ermöglicht. Jeder andere Unterschied zwischen den Bildern stört -- sei es, daß die Bilder um ein paar Pixel vertikal zu einander verschoben sind, oder daß verschiedene Bildeinstellungen gewählt wurden (Blende, Shutter, Fokus, Weißabgleich, Zoom etc..).
Auch zeitlich müssen die zwei Videoströme genau synchronisiert sein, da ein Versatz ebenso unangenehm für den Betrachter ist oder sogar den Effekt stören kann. Über Genlock/Lanc können mehrere Kameras simultan gestartet werden (eine altmodische Klappe einzusetzen empfiehlt sich dennoch als Backup).
Es müssen übrigens zwei baugleiche Camcordermodelle zum Einsatz kommen, damit die Bilder annähernd identisch werden können. Bringt man diese nebeneinander an, ist die minimale Stereobasis vom Bautyp begrenzt (d.h. das Gehäuse der Camcorder erlaubt es nicht, sie bzw. ihre optischen Achsen weiter anzunähern), daher wird bei anspruchsvollen Produktionen ein 3D-Spiegelrig verwendet. Darin werden die zwei Kameras um 90 Grad versetzt zu einander montiert, eine filmt horizontal, die andere vertikal von oben – ein halbdurchlässiger Spiegel lenkt den Bildstrahl auf letztere um.
Bei den einfacheren 3D-Camcordern, die nun rechtzeitig fürs Weihnachtsgeschäft erscheinen, läßt sich praktisch nichts einstellen. Dies bedeutet weniger Gefrickel bei der Aufnahme, aber auch sehr viel weniger Flexibilität, da man sich im Rahmen bewegen muß, den die Kamera vorgibt.
Abgesehen von den korrekten und für die Aufnahmesituation passenden, stereographischen Einstellungen an den Kameras/der 3D-Kamera, gibt es noch jede Menge weitere Faktoren beim Dreh zu beachten, um zu guten 3D-Bildern zu gelangen.
Verabschieden sollte man sich beispielsweise von dem bildgestalterischen Stilmittel des (va. seitlichen) Anschneidens, wenn die Bildinhalte später beim Betrachten scheinbar vor der Leinwand liegen bzw. aus ihr herausragen sollen. Denn was sich vor dem Bild befindet, kann nicht von den Bildrändern verdeckt (also angeschnitten) werden, das läuft der Raumlogik zuwider und zerstört den dreidimensionalen Eindruck.

Möchte man jedoch immer komplett unter Kontrolle haben, was sich wann wo im Bild befindet, ist ein spontanes Drehen und natürlich auch Agieren (seitens der Schauspieler) nur eingeschränkt möglich.
Licht ist ein anderes Thema, das nicht zu kurz kommen sollte. Zunächst ist es gut, für genug Licht beim Dreh zu sorgen, da je nach Aufnahme- und Abspielsituation viel Licht geschluckt wird: Dreht man etwa mit Panasonics SDT750, sinkt die Lichtstärke durch den 3D-Objektivvorsatz, und bei dem Shutter-Verfahren, wo beim Abspielen das rechte und linke Bild abwechselnd gezeigt wird, gehen beispielsweise systembedingt mindestens 50% der Bildhelligkeit verloren.
Ferner verursachen große Kontraste im Bild sogenanntes Ghosting, also schwache Geisterbilder, was den Seheindruck empfindlich stört. Das Problem tritt vor allem auf, wenn die kontrastierenden Bildteile nicht genau am Konvergenzpunkt liegen. Und glitzert etwas, zB. Wasser oder Schmuck, kann es im Bild schnell flirren, da die Lichtreflexe in den rechten und linken Bildern unterschiedlich sind.
Um mögliche Fehler schon beim Entstehen korrigieren zu können (der ein oder andere mag es sich bereits gedacht haben), ist eine Bildkontrolle in 3D schon am Set ist praktisch unerläßlich. Für eine entsprechende Möglichkeit, eine Live-Preview auszugeben, sollte also gesorgt sein und auch für genug Zeit, diese sorgfältig zu nutzen.
Abschließend noch ein Tipp, der uns besonders am Herzen liegt: Hype hin oder her, 3D kann durchaus eine tolle Bereicherung der Filmerei sein, und um sich mit der Technik vertraut zu machen, sind eigene Experimente ein Muß. Daß bei solchen Tests die Technik und der Look im Vordergrund stehen, und nicht die Geschichte, ist klar. Doch ebenso klar sollte sein, daß die 3D-Effekte alleine keinen Film ergeben, und ein schlechter Film wird durch 3D auch nicht besser. Clever eingesetzt jedoch können die räumlich gestaffelten Bilder als Teil einer neuen Filmsprache die Dramaturgie unterstützen. Das ist unserer Meinung nach das eigentlich Spannende an 3D, und der Grund, weshalb sich eine Beschäftigung mit dem Thema lohnt.
Im nächsten Teil werden wir uns die Besonderheiten der 3D-Postproduktion etwas näher anschauen, davor jedoch gibt´s ein längeres Interview mit Josef Kluger, der mit seiner KUK Filmproduktion in München seit über zehn Jahren in 3D dreht, beispielsweise auch für die BBC. Wir haben mit ihm über Konvergenz-Philosophien gesprochen, über das Lenken der Zuschauerblicke im 3D-Bild, Augenschmerzen und vieles mehr...