Wirft man einen Blick auf die Spezifikationen hochpreisiger Cinema-Kameras, so wird dort mit teilweise fast unglaublichen Dynamikangaben geworben. Doch eigentlich müsste die Dynamik doch physikalisch fest mit der Sensor-Pixelgröße zusammenhängen, oder etwa nicht?
Grundsätzlich unterliegt jeder Sensor den gleichen, unumstößlichen Gesetzen der Physik. Jedes Pixel auf der Sensoroberfläche (übrigens exakter als Sensel bezeichnet) hat eine feste Fläche, auf welche Photonen des belichteten Motivs einschlagen. Und je größer diese Fläche eines Sensels ist, desto mehr Photonen können maximal erfasst (= gezählt) werden, bevor das Sensel seinen Sättungszustand (sog. FullWell) erreicht und anfängt zu clippen (= Überbelichtung). Mehr Details zu dieser Thematik kann man bei uns unter anderem im Artikel Der CMOS und seine Sensel finden.
4K = 1/4 FullHD?
Einmal ein einfaches Beispiel: Stellen wir uns einen 4K-Sensor mit genau 3840 Sensel pro Sensor-Zeile und mit mit 2160 Senseln pro Spalte vor. Dann hätten wir für 4K-Auflösung jeweils genau einen quadratischen 4K-Sensel, der für jedes finale Pixel im Clip die eingehenden Photonen zählen kann.

Würden wir anschließend einen Sensor gleicher Größe mit nur 1920 x 1080 Senseln bestücken, dann wäre die Fläche jedes HD-Sensels viermal so groß, wie die Fläche der 4K-Sensel. Diese "HD-Fläche" kann daher viermal mehr Photonen einfangen, als die Fläche der 4K-Sensel.
Nehmen wir weiter an, ein solches 4K-Sensel kann maximal 10.000 Photonen zählen, dann könnte das HD-Sensel unter ansonsten gleichen Bedingungen 40.000 Photonen zählen. Diese Vervierfachung entspricht exakt zwei Blendenstufen. Das klingt wenig, ist aber im professionellen Umfeld ein Riesending. Ob ein Sensor beispielsweise 10 oder 12 Blendenstufen erreichen kann, macht in der nutzbaren Dynamik einen gewaltigen Unterschied.
Dynamik vs. Auflösung
Gleichzeitig kann man hieraus auch schon einen weiteren wichtigen Zusammenhang erkennen: Je höher die Auflösung eines Sensors ist, desto kleiner wird seine mögliche Dynamik, da FullWell und Auflösung in einem natürlichen Wiederspruch stehen.
Dies führt übrigens auch ARRI als offiziellen Grund an, weshalb die ALEXA immer noch keine native 4K-Auflösung unterstützt. Man bekommt - nach ARRIS Meinung- in entsprechend kleinen Senselflächen nicht die gewünschte Qualität/Dynamik unter.
Sind also einzig große Sensel das Geheimnis für hohe Dynamik? Sie scheinen auf jeden Fall mit hoher Dynamik zu korrelieren, wenn man sich die die entsprechenden Pixelgrößen und die Hersteller-Angaben zur Dynamik ansieht:

Dynamik entsteht auch in den Schatten
Der letzte RED-Eintrag lässt nun vermuten, dass Senselgröße alleine nicht alles sein kann, und das ist auch prinzipiell richtig: Denn die Dynamik-Medaille hat immer zwei Seiten: Wo in den Lichtern die Überbelichtung (FullWell, Clipping) das Sensel begrenzt, gibt es als Untergrenze im Dunkeln das Rauschen, welches eine genaue Messung der Photonen unmöglich macht. Und auch hier gibt es leider einen unrühmlichen Zusammenhang: Je größer das Sensel, desto mehr Rauschen fängt es tendenziell ein. Das Rauschenverhalten eines Sensels kann jedoch stärker durch das Sensordesign (und die Signalelektronik) beeinflusst werden als das Clipping. Daher trennt sich vor allem im Rauschen der Schatten die Sensor-Spreu vom Weizen.
Dabei beeinflussen vor allem noch die Kantenbreite, eine eventuelles BSI -Design (BackSide-Illumination), die Anzahl und Anordnung der Sensel-Komponenten sowie der Verlauf der Signalwege das Signal nicht unerheblich. In den letzten Jahren konnten Sensoren in dieser Hinsicht von Generation zu Generation tatsächlich immer noch weiter verbessert werden, weshalb die Kameras trotz der physikalischen Grenzen in der Praxis immer dynamischere Aufzeichnungen hinbekommen haben.
Unter 5 µm wird es (zu?) eng...
Man muss sich jedoch jedoch vor Augen halten, dass trotz all dieser Entwicklungen ein Sensel-Schritt wie von 2K auf 4K oder von 4K auf 8K bei ansonsten gleichen Randbedingungen immer den FullWell eines Sensels um zwei Blendenstufen reduziert. Wohl auch aus diesem Grund müssen Hersteller wie RED oder ARRI bei den Sensorflächen mittlerweile über das klassische Super35mm Format hinausgehen. Die eng gedrängten Pixel würden auf der Fläche eines Super35mm Sensors einfach nicht mehr die gewünschte Dynamik liefern.
Interessant sind bei dieser Betrachtung die Schätzungen, wie viele Photonen man überhaupt mit einer gegebenen Pixelfläche bei aktueller Sensortechnik maximal erfassen kann. Bei einer Sensel-Fläche von 8 µm² liegen die Schätzungen zwischen 2 17 und 218 e-.
Anders ausgedrückt: Die Physik begrenzt aktuelle 4K-Sensoren-Sensel mit 8 µm Kantenlänge bei maximal 18 Blendenstufen. Dies ist wohlgemerkt das theoretische Maximum, wenn der Sensor überhaupt nicht rauschen würde. Und 17 Blendenstufen wären analog gerechnet maximal bei 5,5 µm drin. In diesem Licht scheint RED mit seiner Dragon-Angabe von 16,5 Blendenstufen bei 5 µm Senselbreite die physikalischen Gesetze außer Kraft zu setzen. Doch darauf werden wir in kürze in einem separaten Nachfolge-Artikel eingehen…