Viele Filmer warten sehnsüchtig auf die ersten Einschätzungen zu Sonys Profi-Flash XDCAM PMW-EX1. Schließlich soll dieses Modell Panasonics HVX-200 in die Schranken weisen. Wir hatten die Möglichkeit ein erstes Vorserienmodell XDCAM EX von Sony für 48 Stunden unter die Lupe zu nehmen und können bereits heute abwägen, was die Käufer von Morgen erwarten können...
Ab November soll die PMW-EX1 in den Läden stehen, und an Vorschusslorbeeren mangelt es nicht. Im gleichen Atemzug versucht Sony mit dieser Kamera SxS als einen zweiten Festspeicher-Standard neben P2 zu etablieren. Falls die Kamera überzeugt dürfte sich das Format auch leicht durchsetzen, so der offensichtliche Gedanke. Vielleicht auch darum packt Sony bei diesem Modell viel mehr Technik unter die Haube, als man eigentlich im Preisbereich unter 8.000 Euro erwarten würde.

Die Einordnung der Cam selbst fällt nicht leicht: Auf der einen Seite kündigte Sony zur IBC an, dass dieses Modell selbst das (eigentlich im Consumer-Bereich anzutreffende) Logo „Handycam“ tragen wird, andererseits prangte auf unserem Testmuster gut sichtbar ein CineAlta-Schriftzug, das firmeneigene Synonym für professionellste DigitalCinema-Kameras. (unter anderem machte George Lucas mit seinem Star Wars Einsatz die CineAlta-Kameras berühmt).

Die technischen Daten in aller Kürze: Für ca. 7700 Euro Listenpreis bekommt man einen Dreichip-CMOS-Camcorder mit Halbzoll-Bildwandlern, der auf den PCMCIA-Nachfolger ExpressCard mit Flashspeicher in einem eigenen Format (SxS) mit bis zu 35 Mbit in FullHD aufzeichnet. Das Objektiv stammt von Fujinon und ist nicht wechselbar. Aufgezeichnet wird mit MPEG2 in den Formaten 720p und 1080i mit diversen Bildraten. Weitere Details sind im folgenden Test erwähnt oder hier in der Datenbank zu finden.
VGA-Display
Schon nach dem Einschalten die erste Überraschung: Das Display besticht durch seine wirklich auffallende Schärfe: Mit umgerechnet 640 x 480 RGB-Pixeln sieht man als Kameramann viel deutlicher, wie scharf das Motiv vor dem Objektiv wirklich ist, als bei bisherigen Low-Budget HD-Cams. Dank dem Zusammenspiel mit dem Expanded Focus ist dies der erste Camcorder, den man wirklich sicher ohne externen Zusatzmonitor bedienen kann. Selbst im prallen Sonnenlicht blieb das Display ablesbar und eine Schärfekontrolle war noch möglich. Wer danach wieder eine HDV-Kamera (oder auch die HVX-200) in die Hand nimmt, merkt den Unterschied sofort. Hier liegen wirklich Welten zwischen der Konkurrenz und der PMW-EX1, deren Display man danach einfach nicht mehr missen möchte. Sucherfilmer profitieren von dieser Glanznummer leider nicht, denn der Sucher ist deutlich unschärfer. Immerhin ist er zwischen s/w und Farbe umschaltbar, was Profis besonders schätzen.
Professionell sind auch die Display-Informationen, die während des Filmens in Sucher und Display angezeigt werden können. Neben Aufnahme-Daten wie Blende (in F-Stops) oder Belichtungszeit, wird auch Farbtemperatur des Weissabgleichs, Gesamthelligkeit des Bildes oder der Schärfebereich des Fokus in Metern dargestellt. Auch das Aufzeichnungsformat und das aktuelle Picture-Preset sind immer auf einen Blick ersichtlich und ein Histogramm ist ebenfalls zuschaltbar. In Summe lassen diese Informationen nichts zu Wünschen übrig. Alles ziemlich üppig und komplett.

Kleines Detail am Rande. Bei unserem Vorserienmodell war der Shutter nur auf 1/60s einstellbar, die in „PALand“ üblichen 1/50s waren noch nicht auszuwählen, werden jedoch selbstredend in der endgültigen Version vorhanden sein. Dafür wird das Serienmodell (wie unser Muster) auch die freie Wahl zwischen NTSC- und PAL-Formaten sowie deren Frameraten erlauben. Wer international produziert freut sich darüber besonders.
Optik
Die verbaute Linsenkonstruktion versteht zu begeistern: 31,7mm Weitwinkel (bezogen auf KB) sind bei einer HD-Kamera mit fest eingebautem Objektiv momentan Rekord. Und dabei treten die üblichen tonnenförmigen Verzerrungen nur im extremen Weitwinkel sehr leicht zu Tage. Ab 7% Zoom (ein Bereich in dem viele andere Cams noch gar nicht aufzeichnen) waren vertikale Linien schon wieder absolut gerade. Kombiniert mit dem 14fach-Zoom dürfte zusätzliche optische Konverter nur für Spezialeinsätze nötig sein.
Bedienung
Die Bedienung des Objektivs ist ein Traum. Sowohl Fokus, Zoom als auch Blende sind als Objektiv-Ring manuell steuerbar. Focus und Zoom lassen sich dabei als „Endlosring“ über einen Servo koppeln. Der Clue ist jedoch, dass alle drei Ringe auch direkt auf die Linsengruppen (also vom Servo entkoppelt) arbeiten können. Sie verhalten sich in der Bedienung also wirklich so, wie komplett analoge Objektive. Nur mit dem Vorteil, dass die Kamera-Elektronik immer direkten Zugriff auf das Objektiv und dessen Parameter behält. Best of Both-Worlds sozusagen.
Auch die übrigen Bedienelemente sind auch kaum zu bemängeln. Praktisch alle denkbaren Parameter, die man während des Filmens sinnvollerweise verändern kann, sind als Schalter und Taster auf der Außenseite frei zugänglich. Detaillierte Signalelektronik-Einstellungen aus dem Menü wie Knee, Farbmatrizen oder Cinegammas lassen sich zusätzliche in 6 verschiedenen Picture-Presets ablegen. Dazu gibt es noch 4 frei belegbare Buttons. Wer diese Kamera einmal auf seine Bedürfnisse eingestellt hat, dürfte sich daher während des Drehs niemals in Menü verirren müssen. Einzig große Hände könnten sich vielleicht über die hohe Buttondichte auf der Oberfläche mokieren, was jedoch bei diesem Formfaktor kaum anders möglich ist. Weniger und dafür größere Knöpfe wären die einzige Alternative.

Bildqualität
Obwohl unser Modell nur mit 1/60s-Shutter aufzeichnen konnte, wagen wir an dieser Stelle schon eine grobe Einschätzung der Bildqualität. Da es sich noch um ein Vorserienmodell handelt, sind alle Ergebnisse natürlich mit Vorsicht zu genießen. Doch was wir bis jetzt von der Kamera gesehen haben lässt wahrlich bestes erahnen:
Die Schärfe liegt im FullHD-Modus bei 35Mbit mit echten 1920 x 1080 Pixeln tatsächlich nochmal etwas über dem HDV-kompatiblen 1440-Modus und lag bei unserem Modell mit unserer Schärfereferenz Canon XH-A1/G1 auf einer Stufe.

Das LowLight verhalten war ebenfalls fulminant: Selbst in Innenräumen, die abends nur mit einer 100 W Birne ausgeleuchtet wurden gelangen immer noch helle, farbige und rauschfreie Bilder. Und das wohlgemerkt ohne zugeschalteten Gain!
Hier scheinen die neuen Halbzoll-CMOS-Chips von Sony ihre volle Stärke auszuspielen. Eine derart lichtstarke Kamera mit so ausgezeichneter Schärfe ist uns bis dato noch nicht ins Testlabor gewandert.
Sonstiges
Neben den hervorragenden Low-Light Eigenschaften sorgen die Halbzollchips natürlich auch für ziemlich coole Differenzierungsmöglichkeiten in der Tiefenschärfe. Die integrierte Shoot-Transistion-Funktion macht hiermit endlich richtig Sinn und glänzt in dieser Kamera mit entsprechenden Möglichkeiten. Einfach zwei Bildauschnitte mit Zoom/Schärfe und anderen Parametern festlegen und die Kamera wechselt auf Knopfdruck butterweich zwischen den zwei Einstellungen. Hier wünscht man sich nur noch den Touchscreen aus der Consumer-Reihe um einfach auf die gewünschten Objekte für die Schärfeverlagerung zu tippen. Dennoch eine Funktion, die man auch so nicht mehr missen möchte.
Postproduktion
Natürlich steht mit jedem neuen Format auch die Frage der Nachbearbeitung im Raum. Zuerst die schlechten Nachrichten: Diese Kamera ist keine XDCAM im klassischen Sinne, denn sie kann auch mit 1920 x 1080 Pixel aufzeichnen, was bisher für das XDCAM-Format nicht vorgesehen war. Dazu speichert sie ihre Videos mit maximal 35 Mbit als MPEG2-Stream in einem MPEG4-Container (??). Damit verstehen alle bisherigen XDCAM-Schnittprogramme erst mal nur Bahnhof und können nichts mit den Clips der PMW-EX1 anfangen. Daher lieferte Sony mit unserem Modell auch eine Beta-Konvertiersoftware mit, welche die Files in MXF-Dateien wandelt. Doch weder Premiere noch Edius konnten mit diesen in unserem Test etwas anfangen. Für den Mac wurden ebenfalls FCP-Treiber und Formatvorlagen mitgeliefert, jedoch waren diese ebenfalls noch Beta und konnten nichts mit den 35 Mbit-Dateien anfangen. Schließlich gelang es uns jedoch mit dem nagelneuen Vegas 8 die MXF-Files zu lesen. Bis zur vollen Unterstützung aller Metadaten wird jedoch sicherlich noch etwas Zeit vergehen, aber die Cam ist ja noch nicht mal auf dem Markt. Eine Nachbearbeitungslücke wie im ersten Jahr AVCHD scheint jedenfalls nicht zu erwarten.
Kritik
Bei so viel Euphorie fragt man sich zwangsläufig, was man eigentlich noch ernsthaft bemängeln könnte. Da wäre einmal die fehlende 4:2:2 Aufzeichnung, die man bei Panasonic immerhin in manchen Modi findet. Allerdings hat man bei der Full-HD-Aufzeichnung auch volle 1920 Horizontal-Pixel gegenüber den 1280/960 der Panasonic, was die Anzahl der „konkurrenzfähigen“ Chroma-Pixel schon wieder etwas erhöht. Außerdem würde man sich vielleicht noch ein Software-Paket wie Canons „Console“ wünschen, das eine Steuerung über einen externen Laptop als Produktionzentrum ermöglicht.
Und schließlich muss man sich natürlich wieder einmal fragen, warum hier schon wieder ein neues Format aus dem Hut gezaubert wird. Wäre ein genormter m2ts-Strom (gerne mit umgebenden XML-Metadaten) hier nicht bessere Wahl? Dann könnte praktisch jedes Schnittprogramm bei erscheinen der Kamera loslegen und man könnte sich das bis auf weiteres notwendige Umkopieren in MXF-Files sparen.
Fazit
Ein klarer Fall: Mit der PMW-EX1 setzt Sony die HVX-200 von Panasonic gehörig unter Druck. Wer nicht gerade mit Canons Console arbeitet, wird sich nach der Markteinführung der EX1 auch kaum noch für Canons XH-G1 begeistern können. Falls Sony jetzt auch noch ein leicht abgespecktes Consumer-Modell (gerne ohne SDI) als Konkurrenz zur Canon XH-A1 auf den Markt werfen würde, wäre der Knaller perfekt. Dann hätte Sony wieder alle „Semiprofis“ von 3000 bis 10.000 Euro mit einem Schlag in die Tasche gesteckt. Allerdings ist letzteres sehr unwahrscheinlich, denn alleine das Fujinon-Objektiv dürfte einen Großteil des EX1-Preises ausmachen. Deutliche Konkurrenz macht Sony damit allerdings auch den eigenen HDV-Profi-Modellen, die neben der PMW-EX1 ebenfalls ziemlich blass aussehen. Wenn Sony in dem Serien-Modell die gleichen Linsen und CMOS-Sensoren in selber Qualität verbaut wie in unserem Muster, hat die Firma hier auf jeden Fall einen echte DreamCam am Markt. Wer in so vielen Bereichen (Low-Light, Objektiv incl. Weitwinkel, einstellbare Parameter) neue Maßstäbe setzt hat unsere uneingeschränkte Bewunderung verdient. Hut, ab. Wir können das erste Serienmodell kaum abwarten.
Im zweiten Teil zu diesem Test gehen wir noch näher auf spezielle Eigenschaften (u.a. Handling, Bildeigenheiten etc.) der PMW-EX1 ein.
Zur Übersicht der technischen Daten und Test der Sony EX1