Dass diese Kamera die potentiellen Käuferschichten spalten würde, war ja bereits im Vorfeld abzusehen. Doch wie schlägt sich der Zwitter zwischen Profi- und Amateurkamera in der Praxis wirklich?
Schon die Ankündigung der Sony HVR-HD1000E schlug hohe Wellen. Ein „echter“ Schultercamcorder unter 2000 Euro von Sony löste so mancherorts nur ungläubiges Kopfschütteln aus. Auch die schon früh bekannten Spezifikationen klangen irgendwie seltsam. Fast baugleich mit der beliebten Consumer-HDV-Kamera HDR-HC7E wurde die Elektronik nur in ein größeres Gehäuse gesteckt. Nun ist die Kamera tatsächlich für ca. 2000 Euro inkl. MwSt. über die professionelle Vertriebsschiene von Sony lieferbar und erhitzt weiterhin die Gemüter...

Ungewohnte Anmutung
Nicht zu unrecht, denn diese Kamera ist wirklich schwer einzuordnen. Schon nach dem Auspacken „fühlt“ sich die Kamera irgendwie komisch an. So viel Kunststoff war man bisher auf der Schulter einfach nicht gewohnt. Selbst die Schulterauflage besteht einfach nur aus 100 Prozent Hartplastik, was nicht gerade zu einer bequemen Arbeitsgefühl beiträgt. So dürften viele Kameramänner sich hier noch ein Polster oder ähnliches zwischen Kamera und Schulter schieben, was doch etwas unprofessionell aussieht.
Die Stativbefestigung ist ausschließlich als Amateurgewinde ausgelegt. Eine professionelle Schnellwechselplatte wird nicht direkt unterstützt. Dafür gibt es immerhin gleich zwei passive Zubehör-Schuhe, wodurch neben einer im EB-Einsatz meist obligtorischen Leuchte auch noch Platz für weitere Accessoires besteht.

Overhead-Touchscreen
Das ausklappbare Display ist nicht unbedingt auf dem neuesten Stand und lässt sich hinsichtlich der mageren Schärfe keinesfalls mit aktuellen Displays der übrigen, aktuellen Sony-Pro HDV-Modelle vergleichen. Es dient gleichzeitig wie schon bei der HDR-HC7E als Touchscreen, und ist somit für die Bedienung der Kamera hauptsächlich verantwortlich. Da es jedoch direkt über dem professionell gelagerten Sucher angebracht ist, der standesgemäß aus der Seite der Kamera ragt, muss man bei der Schulter-Aufnahme mit der Hand sozusagen über die Stirn greifen. Das ist auf jeden Fall gewöhnungsbedürftig und wirkt nicht sonderlich durchdacht. Der Sucher selbst ist übrigens mit seinen 123.000 Pixeln für eine verlässliche HD-Schärfebeurteilung definitiv unzureichend.
Anschlussreich
Die Audio-Abteilung dürfte Profis ebenfalls nicht gerade einladen, da XLR-Anschlüsse fehlen. Nur über eine Mini-Klinke findet das mitgelieferte Stereo-Mikrofon Anschluss an den Body. Zum Pegeln muss man anschließend ins Menü, weil externe Regler nicht vorhanden sind. Gegenüber einem Consumer-Modell wurde ansonsten immerhin die große Fläche der Außenhaut genutzt, um zahlreiche Anschlüsse ohne Konverter-Kabel zur Verfügung zu stellen. Im einzelnen sind das: USB und HDMI (große Buchsen), Firewire und LANC, sowie Komponenten, S-Video(Hoside), FBAS und Stereo-Audio als Chinch-Buchsen.
Bedienung
Da als Zielmarkt unter anderem der Ausbildungsbereich genannt wurde, interessiert natürlich vor allem, wie sich diese Kamera denn eigentlich bedienen lässt. Um es kurz zu machen, besser als erwartet, aber definitiv anders als übliche EB-Kameras, wodurch ein Lehrbetrieb an diesem Modell doch höchstens für zynische Ausbilder sinnvoll erscheint...
Denn zur aktiven Bildgestaltung befinden sich an der Kamera gerade einmal drei sinnvolle Tasten (Backlight, Nightshot, Manual) sowie ein Objektiv-Ring. Und nur über die Taste „Manual“ lässt sich von außen (also ohne Menü) auf bildrelevante Parameter Einfluss nehmen.

Drückt man die Taste, so lässt sich entweder Schärfe, Blende, Verschlusszeit, oder AE-und WB-Shift über den Objektivring regeln. Richtig gehört, man kann über den Ring immer nur einen der genannten Parameter regeln. Das dürfte im Profilbereich schon ein großer Ausschlusspunkt für diese Kamera sein. Bleibt man länger auf der Manual-Taste (2-3 Sekunden) so kann man zischen den zu regelnden Parametern (ebenfalls durch drehen des Rings) wechseln. Eigentlich eine nette Idee, nur leider bleiben die so eingestellten Parameter auch nur erhalten, wenn man danach zu einem anderen Parameter wechselt, indem man die Taste wieder 2-3 Sekunden hält. Bis wir diesen Trick raus hatten, sprang uns immer wieder beim Filmen die Automatik dazwischen, was doch -gelinde gesagt- etwas nervtötend war.
Viele Eingriffsmöglichkeiten
Schaut man dagegen ins Menü so zeigt sich die HD1000 gegenüber aktuellen Consumer-Modellen erstaunlich offen. Hier lassen sich neben Mikrofon-Pegel auch die Werkseinstellungen für Farbe und Schärfe justieren, und sogar die Verschlusszeit darf manuell geregelt werden. Letzteres will Sony bei seinen AVCHD-Consumer-Modellen den Käufern ja nicht mehr erlauben. So gesehen ist diese Kamera eigentlich auch ein kleines Lehrstück, welche Funktionen Sony bei seinen Consumer-Kameras in der Firmware freischalten könnte, wenn sie denn nur wollten.
Bildqualität
Die Bildqualität der Kamera liegt ziemlich genau auf dem Niveau der alten HDR-HC7E. Die Unterschiede lagen innerhalb der Messgenauigkeit unserer Tests. Im direkten Vergleich bietet hier die neue AVCHD-Consumer-Generation (z.B SR-11) mit ihren Bionz- und Exmor-Chips etwas mehr Bildqaulität für weniger Geld. Doch vielleicht wäre diese neue Technik im Wolfspelz eine zu günstige Konkurrenz für die Z7/S270 aus dem selben Stall gewesen.
Die Auflösungskurve ist für HDV gesundes Mittelmaß. Aktuelle HDV- und AVCHD-Kameras der Oberklasse schaffen inzwischen einen Tick mehr:

Ohne direkten Vergleich liefert die HD1000 bei bloßem Augenschein eine schöne Schärfe, die allenfalls etwas weich erscheint:

Wie für viele Sony-Modelle der Vorjahres-Serie typisch, liegt die Chroma-Auflösung deutlich unter dem technisch möglichen:

Bei der Farbwiedergabe zeigt sich die Kamera auch nicht ganz so neutral wie aktuelle Modelle, sondern etwas wärmer. Dies lässt sich in der Kamera jedoch nach eigenem Geschmack nachjustieren.

Bei wenig Licht liefert die Kamera ein ziemlich dunkles Bild, das dennoch viele Rausch- und Chroma-Fahnen produziert. Immerhin gibt es einen Tick mehr Farbe, als bei HDV-Einchippern üblich.

Fazit
Wer professionelle Bedienung sucht, benötigt nun mal viele Bedienelemente für schnellen Zugriff am Gehäuse der Kamera, und das kann die HD1000 nicht bieten. Daher ist sie auch nur in Ausnahmefällen für die Ausbildung geeignet. Dafür zeigt sie sich gegenüber den aktuellen Topmodellen aus der Consumer-Welt erstaunlich einstellungsfreudig. Hätte Sony die Chips und das Display einer SR11/12 in ein solches Gehäuse gepackt, gäbe es sicher noch deutlich mehr Interessenten für ein derartiges Modell, alleine schon wegen eines manuellen Shutters. So bekommt man nur eine mittelmäßige (aber nicht schlechte!) Bildqualität in einem Preissegment geliefert, in dem sich sowieso nur wenige Kameras tummeln. Im Online-Versand kostet die HD1000 ungefähr die Hälfte einer Canon XH-A1, die im Vergleich deutlich professioneller wirkt aber eben keine Schutercam ist. Wer eine günstige Kamera für die Schulter sucht, und sei es nur, um auf der Straße „ernstgenommen“ zu, muss für alternative HD-Modelle momentan noch mindestens das dreifache einkalkulieren. Aber wie es aussieht werden in diese Nische der HD1000 auch bald Konkurrenten wie Panasonic folgen.
zu den Testbildern und technischen Daten der Sony HVR-HD1000E in unserer Camcorder-Datenbank