Mit der Sony FDR-AX1 fühlt man sich spontan an die Einführung von Sonys erster HDV-Kamera HDR-FX 1 vor rund zehn Jahren erinnert. Diese kam auch damals bereits mit bemerkenswert kompletter Ausstattung, um sofort mit den ersten HD-Produktionen loslegen zu können. Die FDR-AX1 legt die Latte als eine der ersten 4K-Kameras sogar nochmal etwas höher. Denn jetzt besitzt auch schon die hier getestete Consumer-Variante für 4449 Euro Listenpreis zwei externe, manuell regelbare XLR-Anschlüsse.
Äußeres...
Auch die übrige Ausstattung ist durchaus im Profi-Bereich anzusiedeln: Über externe Schalter und Taster (von denen 7 frei belegbar sind), lässt sich beispielsweise der Gain in drei Stufen schalten, analog lassen sich drei Weißabgleich-Bereiche festlegen. Auch für Shutter, Blendeneinstellung oder sonstige, manuellen Bildeingriffe muss man niemals ins Menü. Das über dem Griff mittig platzierte, ausklappbare 3,5-Zoll Display bringt ebenfalls eigene Taster zur Wiedergabekontrolle mit. Dazu wurden gleich zwei Zoomwippen integriert, um den Zoom nicht nur über den linken Handgriff (wenn die Hand in der Trageschlaufe steckt) zu bedienen, sondern auch wenn man die Kamera am Henkel trägt und den Zoom von oben benutzen will.

Über die Ergonomie eines Henkel-Camcorders darf man geteilter Meinung sein. Ohne eine Schulterauflage bekommt man jedenfalls über einen längeren Zeitraum nur schwer stabile Aufnahmen hin. Aus der Hand gefilmt bemerkt man doch schnell die fast 3 kg Gewicht mit dem mitgelieferten Akku. Immerhin kann der verbaute, optische Bildstabilisator hier noch gutmütig entgegenwirken. Auch kommt uns das Gehäuse etwas breiter vor, als eigentlich bei einem Henkelmann üblich/nötig. Doch dies könnte u.a. auch dem löblicherweise integrierten, dreistufigen ND-Filter geschuldet sein. Kurz gesagt: Man findet in, aber vor allem an der Sony FDR-AX1 wirklich alles, was man an externen Bedienelementen erwartet. Auch in einem größeren Schulter-Gehäuse würden mehr Knöpfe kaum noch mehr Sinn machen.
Menü
Die Menüstruktur ist ebenfalls den Profi-Kameras entlehnt. Keine bunten Bildchen sondern sehr lineare Strukturen führen durch die unzähligen Menüpunkte, die man früher ausschließlich in Sonys Modellen aus der Pro-Division zu sehen bekam. Alleine die Optionen zur Bildeinstellung können selbst erfahrene Kameramänner zum Kopfschütteln bringen. Unzählige Gamma-Funktionen, Matrizen und sonstige Parameter laden zum tüfteln und lernen ein.
Gelegentlich tauchen im Bild große, virtuelle Tasten auf (z.b. beim USB-Andocken) Hier ist man schnell versucht auf das Display zu drücken, jedoch gibt es keine Touch Funktionen. Man muss hier immer das Selektionsrädchen unter der Menütaste bemühen. Auch ein Touch-Fokus hätte -nebenbei erwähnt- der Kamera gut zu Gesicht gestanden (und unsere Testaufnhamen deutlich vereinfacht, s.u.).
Optik
Die Sony G-Optik mit 4.1mm-82mm und einer Anfangsblende von F1.6 entspricht einem 20x Zoom von 31.5mm bis 630mm am Kleinbild, womit man für die meisten universellen Einsatzbereiche gut gewappnet ist. Die Sensorgröße gibt Sony dabei etwas kryptisch mit "1/2.3 Type" an. Dazu hat der CMOS-Sensor fast 19 Millionen Pixel, von denen angeblich nur 8,3 Millionen für 4K genutzt werden. Das macht natürlich etwas stutzig. Rechnet man die Brennweiten nach, so kommt man auf einen effektiven Crop-Faktor von erstaunlichen 7,68. Die tatsächlich genutzte Chipfläche der Sony FDR-AX1 beträgt somit nur ungefähr 1/3-Zoll. Und das ist -was die erforderliche MTF-Objektivleistung für 4K-Auflösung angeht- schon recht sportlich.

Das Objektiv selbst besitzt drei getrennte, elektronisch übertragende Ringe für Zoom, Blende und Schärfe. Den Signalweg ergänzt ein dreifach zuschaltbarer, optischer ND-Filter. Sucher und Display sind zwar nach Camcorder-Verhältnissen höchauflösend, jedoch entsprechen sie im Gegensatz zu aktuellen Smartphones nicht ganz dem Stand der aktuellen Auflösungstechnik. Mit rund 409.000 RGB Pixeln liegen sie ungefähr auf einem viertel der vollen FullHD-Auflösung. Aktuelle Smartphones schaffen dagegen schon FullHD (1920 x 1080 RGB-Pixel) oder sogar mehr bei ca. 5 Zoll Diagonale.
4K im Fokus?
Und aus dieser Tatsache entwickelte sich dann auch tatsächlich unser größter Kritikpunkt an der Sony FDR-AX1. Das treffsichere Fokussieren in 4K ist nur schwer möglich. Trotz Peaking kann man die 4K Schärfe auf dem Display niemals hundertprozentig richtig einschätzen, auch nicht in der vergrößerten Bildansicht. Es wirkt alles immer schon richtig scharf, wobei man in der Praxis dennoch erstaunlich oft leicht neben der optimalen Schärfe liegt.
Außerdem machte der Fokusring unseres Testmodells bei minimalen Bewegungen in eine Richtung kleinere "Fortschritte", als in der Gegenrichtung. Fokussiert man ganz subtil in eine Richtung und bewegt die selbe Strecke wieder vorsichtig zurück, so sprang unser Testmodell hierbei leicht aus dem Fokus, wenn man an der Grenze zwischen 2m und unendlich hantierte.
Das machte unsere Testaufnahmen schon zum Geduldspiel und beinahe hätten hierdurch schlechtere Testergebnisse in den Artikel mit den Messergebnissen Einzug erhalten. Aber mit viel Geduld kamen dann doch recht bemerkenswerte Ergebnisse zustande. Es bleibt jedoch festzuhalten: 4K an dieser Kamera wirklich exakt manuell zu fokussieren, ist KEIN Kinderspiel. Schon gar nicht mit der indirekten Sensor-Übertragung am Objektivring.
Zur Ehrenrettung sei jedoch gesagt, dass der kleine Chip plus die guten Autofokus-Funktionen oft ein manuelles Scharfstellen überflüssig machen. Dies trägt auch grundsätzlich zur sehr cleanen, digitalen Ästhetik der 4K-Kamera bei.
Sieht man sich die Aufnahmen aus 40 cm Entfernung an einem 50 Zoll 4K-Display an, so fallen selbst bei den höchsten Datenraten noch die typischen MPEG4-Artefakte ins Auge. Dies betrifft sowohl die aquarell-ähnlichen Farbverläufe wie auch ein leichtes Schwimmen von Objekten, die von der Bewegungsschätzung minimal deplatziert wurden. Da das Bild jedoch so groß ist und die Artefakte im Verhältnis zu FullHD viermal kleiner sind, fallen sie praktisch gar nicht ins Auge, sobald man einen natürlichen Betrachtungsabstand einnimmt.
Stattdessen kommt einem alles einfach nur extrem scharf vor. Sogar der FullHD-Playout sowie die direkte FullHD-Aufzeichnung gelingen extrem scharf, und das mit nur relativ moderater digitaler Nachschärfung. Kurz: Als FullHD-Camcorder macht die Sony FDR-AX1 ebenfalls eine gute Figur und spielt in der Spitzengruppe aller bisher von uns getesteten HD-Camcorder bei der Schärfe ganz vorne mit. (Mehr dazu folgt in unserem separaten Artikel mit den Messergebnissen.)
XQD-Speicher und Datenraten
Wie schon erwähnt, ist die Ausstattung der Kamera bemerkenswert komplett. Aktuell wird sogar noch eine 32GB XQD Speicherkarte und Vegas Pro 12 als Schnittsoftware beigepackt.
Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Die maximalen Datenraten dieser Kamera (150 Mbits ergo nicht mal 19 MB/s) würden auch locker mit modernen SD(HC)/UHS-I-Karten zu stemmen sein und die Kamera hätte hierfür sogar einen eigenen SD-Slot. Nach dem letzten Stand der Dinge soll dieser Slot jedoch nur für Updates oder Profile und irgendwann per Firmware-Update zur AVCHD-Aufnahme genutzt werden können. 4K Videos sowie die interessanteren FullHD-Aufnahmeoptionen mit 50 Mbits werden dagegen nicht auf den spürbar günstigeren SD(XC)-Karten landen können.
Somit setzt Sony mit XQD einzig und alleine auf einen neuen Standard, der noch nicht breit im Markt vertreten ist. XQD-Karten fertigt außer Lexar momentan nur Sony und die aktuellen Preise sind tatsächlich für eine Kaufentscheidung relevant. Die mitgelieferte 32GB Karte aus der N-Serie schreibt mit 60 MB/s und liest mit 125 MB/s und kostet aktuell (Stand 11/2013) noch 155 Euro im Internet. Günstiger bekommt man die Karten kaum und weder der Flash-Riese Sandisk noch andere Alternativ-Hersteller haben bis heute XQD-Karten angekündigt. Es ist wahrscheinlich, dass die Speicherpreise für XQD deswegen nicht so schnell purzeln werden, wie man es von den anderen Speicherkarten in den letzten Jahren durch die große Konkurrenz gewohnt war.
Ein externer XQD-Reader ist übrigens auch nicht gerade im Supermarkt um die Ecke erhältlich, jedoch bekommt man zwei USB 3.0 Geräte für unter 50 Euro im Internet. Wir hatten für unseren Test noch keines vor Ort, weshalb wir die Daten immer noch umständlich per trägem USB 2.0 aus der Kamera schaufeln mussten.
Codecs
Beim Codec setzt Sony auf Altbekanntes. Trotz 4K bleibt es bei der bewährten AVC-Codierung statt der moderneren h.265/HEVC-Variante. Letztere würde zwar nochmal Bandbreite sparen, ist aber noch zu rechenintensiv. Schon bei der Sony FDR-AX1 wirkt die ganze Kamera sehr träge, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Signalprozessoren sehr viel mit der 4K-Verarbeitung zu leisten haben. Auch die Menüführung reagiert deutlich träger, als man es typischerweise von Sony kennt. Hier ist mit kommenden Prozessoren wohl noch ein guter Raum für zukünftige Verbesserungen.
Sony nennt seinen neuen Consumer 4K-Codec übrigens XAVC. Die hier in der Sony FDR-AX1 benutzte Conusmervariante XAVS-S limitiert alle Profile auf 8 Bit 4:2:0. Bei praktisch allen Software-Herstellern wurde diese Unterstützung bereits integriert, so dass das leidliche Henne-Ei Problem bei den Schnittprogrammen dieses mal nicht auftritt. Auch hier erweist sich AVC als Vorteil, da sich ein 4K-h264-Codec schneller integrieren lässt, als eine komplett neue h.265/HEVC-Variante.
Der Schnitt mit 4K ist jedoch trotzdem alles andere als anspruchslos und die Systemlast ist nicht unerheblich. Schließlich muss das System bei einem 4K-Clip mindestens so viel ackern, wie ansonsten für vier parallele AVCHD-Ströme. Mit bis zu 150 Mbit liegt XAVC-S im Pixeldurchsatz sogar teilweise höher als AVCHD. Bei 50/60p liegt es mit 150 Mbits deutlich über den 4 x28 Mbits, die AVCHD einnehmen würde. Bei 24/25p mit maximal 100 Mbits, liegt es dagegen ungefähr auf dem selben Niveau von 4 x 24 Mbits bei AVCHD.
Erste Einschätzung
Tatsächlich ist die Sony FDR-AX1 ein Paukenschlag für den beginnenden 4K-Markt. Obwohl sie das erste Modell einer aufkommenden Modellflut am Horizont darstellt, ist an dieser Kamera schon so viel richtig, dass man sie getrost als Investionsobjekt für die nächsten Jahre in die engere Wahl ziehen darf. Die Ausstattung ist mit ND-Filter und XLR bemerkenswert komplett. Hinzu kommt die vollständige manuelle Kontrolle der Kamera durch die externen Bedienelemente. Und nicht zuletzt bekommt man auch noch einen sehr guten FullHD-Camcorder mitgeliefert.
OK, die Displays und der Sucher könnten noch größer und zugleich schärfer ausfallen, um die manuelle 4K-Schärfe wirklich exakt kontrollieren zu können. Und auch die Konkurrenz aus dem eigenen Hause ist nicht von schlechten Eltern: Die Sony PXW-Z100 stellt vor allem mit ihren besseren Codecs (u.a. 10 Bit / bis zu 600 Mbits) für viele Filmer evtl. noch die spannendere Wahl dar, zumal der Aufpreis relativ moderat ausfällt.