Test Nikon D850 - 4K(önigin) für Vollformat-DSLR-Filmer

Nikon D850 - 4K(önigin) für Vollformat-DSLR-Filmer

Mit Funktionen wie Peaking, Vollformat 4K-Aufzeichnung und ISO64 will Nikon mit seiner neuen Spiegelreflex-Kamera auch bei Filmern punkten. Wir haben uns die D850 unter diesen Aspekten einmal näher angesehen.

// 08:55 Di, 31. Okt 2017von

Mit Funktionen wie Peaking, Vollformat 4K-Aufzeichnung und ISO64 will Nikon wieder mehr Filmer für seine neue D850 begeistern. Denn aktuell spielt Nikon in der filmenden Zunft keine sonderlich große Rolle. Die Gründe hierfür findet man schon teilweise in der jungen Geschichte des DSLR-Filmens...





Die Nikon-Geschichte des DSLR-Filmens


Im Herbst 2008 veränderten sich die technischen Möglichkeiten für szenische Filmer drastisch. Denn mit der Nikon D90 gab es die erste Spiegelreflexkamera, die Videos auf einer Sensorfläche aufzeichnen konnte, die analogen Filmkameras entsprach. Bis heute dürfte wohl Nikon darunter leiden, dass der Ursprung des DSLR-Filmes dennoch immer wieder Canon mit der 5D Mark 2 zugeschrieben wird, da diese u.a. gleich echtes FullHD aufzeichnen konnte (Nikon D90 nur 720p) und nur wenige Tage nach der Nikon zur Photokina 2008 vorgestellt wurde.



Für Filmschaffende war die Funktionalität mit einer DSLR zu filmen schon lange ein großer Wunsch denn bis dato gab es für Filmer mit cinematischen Ambitionen schlichtweg keine günstige Möglichkeit, mit einer großen Sensorfläche zu filmen. Wer mit Schärfebenen spielen wollte behalf sich mit rotierenden Milchglasscheiben, den sogenannten 35mm-Adaptern. Auf diese projizierte ein Objektiv das Motiv, welches von der anderen Seite der Milchglasscheibe mit einer Videokamera abgefilmt wurde. Solche 35mm Adapter waren laut, fehleranfällig und lieferten meistens auch nur Bilder von eher bescheidener Qualität. Dagegen war die ebenfalls keineswegs perfekte Bildqualität der Canon 5D Mk2 ein Quantensprung. Wer im Netz dagegen nach Nikon D90 Videos googelt, kann sich selber einen Reim davon machen, warum 99 Prozent der DSLR-Filmer Canon letztlich den Vorzug gaben. Die Nikon D90-Videos waren einfach noch einen Tick grottiger ;)



Aber Spaß beiseite, das Rennen ging vor allem klar an Canon, weil Nikon das Vorantreiben der Videofunktionen in den eigenen DSLRs noch weniger ernst zu nehmen schien. Canon dagegen konnte mit der nachfolgenden 5D Mark III den richtig großen Treffer landen.



Allerdings hatte Canon zu dieser Zeit bereits Blut geleckt und verlagerte die Produkte für filmerische Ambitionen in ein separates Cinema EOS Segment, das (semi-)professionelle Großsensor-Filmer bedienen soll. Seitdem dürfen die Canon DSLRs nicht mehr zu viele interessante Funktionen für Filmer bieten. Ganz offensichtlich soll die eigene Cinema EOS Sparte vor Konkurrenz aus dem eigenen Hause geschützt werden, weshalb man in der 5D Mark4 zum Marktstart beispielsweise kein C-Log Profil oder Fokus Peaking vorfinden konnte.





Gleichstand in FullHD

Interessanterweise konnte Nikon in der FullHD-Bildqualität zu Zeiten der 5D Mk3 sogar technisch mindestens aufschließen (u.a. mit der D810/D750/D7100, D5200 ), jedoch war das Kind schon in den Brunnen gefallen und das Gros der DSLR-Filmer hatte sich bereits auf Canon festgelegt. Doch mit 4K starten nun beide Hersteller nun deutlich zeitnäher ins Rennen. Das liegt daran, dass sich Canon lange Zeit gelassen hat 4K überhaupt in seinen Fotoapparaten zu integrieren. Das Rennen machen zudem gerade andere Hersteller wie Panasonic oder Sony, die das Thema 4K-Video schon früh in ihren Modellen weitaus stärker verankert hatten.



Die Nikon D850
Die Nikon D850


Und so stehen wir nun vor der D850. Sie ist nicht Nikons erste DSLR mit 4K-Aufzeichnung, jedoch die erste, die hierfür die volle Sensorfläche nutzen kann. Dazu hat Nikon bei ihr auch erstmals Features wie Peaking integriert, was die Kamera nicht nur gegenüber Canons direktesten Konkurrenten, der 5D Mk4 interessant erscheinen lässt. Allerdings wirkt auch die unverbindliche Preisempfehlung von 3.800 Euro Ende 2017 für Filmer nicht wie eine EInladung zum Systemwechsel...







Haptik und Ausstattung

Schon erste Kontakt mit der D850 vermittelt Professionalität: Ein massiver Brocken Technik, der aufgrund seiner typischen Nikon Ergonomie sofort vertraut in der Hand liegt. Im wahrsten Sinne hervorstechend ist das ausklappbare Display, das sich Filmer meistens noch öfter wünschen als Fotografen.



Nikon D850 - 4K(önigin) für Vollformat-DSLR-Filmer  : klappdisplay


Durch die Touch-Funktionen bekommt man einen weiteren Freiheitsgrad in der Bedienung, wobei sich die Kamera ebenso ohne Displayberührung aufgrund der vielen Knöpfe und Schalter vorzüglich bedienen lässt. Die freie Einstellung der Blende in der Live-View ist mittlerweile keine Thema mehr und möglich. Und auch, wenn die Konzeption der Kamerabedienung in erster Linie der fotografischen Anwendung geschuldet ist, empfinden wir die Bedienung mit Blendenrad und Belichtungszeit im schnellen Drehrad-Zugriff auch für Filmer als angenehm.



Nichts derart subjektives muss man über Einschaltzeit sagen. Schalter auf “ON”, und L(ive)V(iew)-Taste gedrückt, schon ist die Kamera in weniger als einer Sekunde für Videoaufzeichnung aufnahmebereit. Dies empfinden wir als wichtig, weil man so guten Gewissens die Kamera auch zwischendurch ausschalten kann um Akku zu sparen. Der mitgelieferte Akku hält übrigens bei kontinuierlichem Filmen fast 90 Minuten durch.





4K-Funktionalität

Es ist naheliegend, dass man die Nikon D850 in erster Linie an Canons 5D Mk4 misst. Gerade beim 4K-Signalfluss gibt es dabei signifikante Unterschiede. Die Canon kann 4K intern sogar mit 4:2:2 Farbsubsampling (in MJPEG) aufzeichnen, jedoch ist diese genaue Farbunterabtastung für einen 1:1 Sensor-Readout dies gar nicht einmal unbedingt notwendig. Für die interne MJPEG-Aufzeichnung in 4K muss man dabei große Speicherkarten einplanen, denn mit rund 70MB/s Datenrate fallen bei Canon pro Minute aufgezeichnetes Video über 4 GB Daten an.



Die Nikon zeichnet dagegen 4K intern “nur” in H.264/4:2:0 mit 150 Mbit/s auf. Weil die D850 jedoch eine Art Oversampling betreibt stünde gerade ihr eine 4:2:2 Aufzeichnung besonders gut. Diese Farbunterabtastung lässt sich immerhin extern über HDMI (allerdings nur in 8 Bit) erzielen. Hierfür bietet Nikon einen Mini-HDMI-Port, und nicht wie viele Konkurrenten die extrem filigrane Micro-HDMI-Buchse. Panasonic zeigt dagegen bei der GH5 mit einer einfachen, großen HDMI-Buchse wie man Filmerwünsche ernsthaft bedienen kann.



Einen externen Recorder kann man bei Canons 5D Mk4 übrigens nur für FullHD-Aufzeichnung nutzen, denn die 4K-Auflösungen werden hier nicht einmal über HDMI ausgegeben. Zur Bildqualität der D850 hatten wir ja bereits einen separaten Artikel auf slashCAM veröffentlicht.



Es gibt neben 25p, 30p, 50p und 60p auch eigene 24p-Formate, jedoch kann die Kamera keine 1/24s oder 1/48s Belichtungszeit einstellen. 1/25s sind beim filmen die längste Belichtungsdauer.







Bedienung

Die D850 bietet zur Belichtungskontrolle ein Histogramm, das aber nicht im Display verschiebbar ist und oft wichtige Bildbereiche überlagert. Dazu hat die D850 in der Wiedergabe eine Ansicht, die neben dem Vorschaubild auch eine nach Kanälen getrennte RGB Histogramm-Anzeige bietet (allerdings nur von dem ersten Frame der Aufzeichnung). Dies ist sehr praktisch, weil man hier zuverlässig sehen kann, ob einzelne Farbkanäle clippen. Zusätzlich kann man sich sogar die geclippten Bereiche in der Vorschauansicht blinkend anzeigen lassen.



Nikon D850 - 4K(önigin) für Vollformat-DSLR-Filmer  : D850 back


Fokuspeaking war der heiß ersehnte Wunsch vieler Nikon Filmer, den die D850 nun auf den ersten Blick erfüllt. Die Funktion war erst einmal für uns gar nicht so leicht zu finden, da sie a) etwas unkonventionell mit “Konturfilter-Pegel” übersetzt wurde und b) nicht zu aktivieren ist, solange man ein 4K-Format eingestellt hat. Erst in FullHD-Auflösungen lassen sich Peaking Farbe und Stärke definieren und bei Bedarf zuschalten. Das ist für uns absolut unverständlich, da das Peaking im Fotomodus sogar bis zu 8K Sensorauslesung funktioniert. Immerhin funktioniert (auch) in 4K die Displayvergrößerung als Fokushilfe tadellos. Sie zeigt selbst bei großen Faktoren alle 4K-Details, ohne dass die Bildwiederholrate einbricht.



Die große Enttäuschung ist jedoch der Autofokus beim Filmen. Trotz spannender Features wie Touch Focus und Gesichtserkennung gelang uns keinerlei sanfte Schärfeverlagerung. Jede neue Schärfe-Ebene wird von der Kamera beidseitig mit sichtbaren “Schüben” angefahren und hektisch justiert. Beim Fotografieren ist die ja kein Problem, aber eine kontinuierliche, saubere Schärfeverlagerung bekommt man mit der Nikon D850 deswegen nur manuell hin. Hier hat Canon mit dem Dual Pixel Autofokus wirklich einen dicken Pluspunkt zu bieten.





XQD und ISO64

Die Kamera hat zwei Speicherslots, einen SD- und einen XQD-Slot. Speicherkarten für den XQD-Slot kosten dabei rund das doppelte von vergleichbaren CFast Karten und sind weitaus weniger verbreitet. Hier hat Nikon unserer Meinung nach auf das falsche Pferd gesetzt, was eine Backup-Strategie in der Kamera unerfreulich teuer macht. Immerhin ist der SD/​SDHC/​SDXC-Slot UHS-II-fähig, weshalb man auch für schnelle Datenberge nicht zwingend auf XQD angewiesen ist.



Nikon D850 - 4K(önigin) für Vollformat-DSLR-Filmer  : dolppelslot


Beim Filmen kann man auch die ungewöhnlich niedrigen ISO64 benutzen, was im Grenzfall sogar den Einsatz eines ND-Filters ersparen kann. Leider sind die zusätzlichen ISO 32 aus dem Fotomodus nicht nutzbar. Da diese jedoch wahrscheinlich nur einer digitalen Korrektur entsprechen und die geclippten Highlights eine Blende tiefer ansetzen, ist dies leicht zu verschmerzen.





Fazit

Im direkten Vergleich zu einer Canon 5D Mark 4 schlägt sich die neue Nikon D850 erst einmal ziemlich beachtlich. Sie bietet ansehnliches 4K bei voller Sensorfläche und fast perfektes Debayering im S35-Modus, dazu ein tolles Display, brauchbare FullHD Zeitlupe, ISO 64 sowie ein sehr gutes, ausklappbares Display mit perfekter Vergrößerungsfunktion. Auch beim Rolling Shutter übertrifft sie die Canon 5D Mark 4 deutlich. Und das bei einem ähnlichem Preis um die 4.000 Euro. Nur beim Autofokus für Filmer muss sich Nikon klar geschlagen geben.



Allerdings hat sich der Video DSLR-Markt in den letzten Jahren deutlich von Canon wegbewegt. Und im Vergleich zu Sonys spiegellosen A7SII oder RII Vollformat-Modellen (die beide rund 1.000 Euro günstiger zu haben sind) steht die Nikon D850 für Filmer bei weitem nicht so interessant da. Hier vermisst man unter anderem Peaking in 4K, mindestens ein genormtes Log-Profil oder auch bewegliche Sensoren. Von Möglichkeiten wie einem 10 Bit Output aus dem Bereich der spiegellosen Systemkameras mit etwas kleineren Sensoren wagt man hier noch nicht einmal zu träumen. Als Vorteil für Nikon kann man jedoch ein weiteres mal die subjektiv schönere Color Science anführen.



Auf jeden Fall werden Fotografen mit viel Nikon Glas die D850 zu einem Erfolg machen und für eine professionelle Fotokamera mit zusätzlichen 4K Funktionen ist die D850 auch sicherlich nicht überteuert. Wer jedoch primär filmen will, findet in diesem Preisbereich deutlich attraktivere Geräte. Hier könnte Nikon schon mit wenigen zusätzlichen Features noch viel mehr Filmer ansprechen. Dafür muss Nikon aber zuerst erkennen, dass für dieses Marktsegment nicht mehr Canon sondern Sony der neue Konkurrent ist.



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