Wir haben uns aus Spaß an der Freud nochmal die Reallive Lowlightaufnahmen von ein Paar Top VideoDSLRs vorgenommen, die wir in den letzten Wochen und Monaten in den Händen gehabt haben. Wir wollen der Frage nachgehen, ob sich anhand unserer Nachtaufnahmen Lowlighttendenzen im Vergleich ablesen lassen. Was derzeit mit HD-Camcordern in Sachen Nachtsicht möglich ist und wie deren Leistung im Vergleich zu Top VideoDSLRs zu sehen sind, zeigt der ebenfalls hier nochmal ins Spiel gebrachte Sony HD Camcorder PMW-350.

Kurz Vorweg
Wir haben diese Betrachtungen zu unterschiedlichen Top-Video-DSLRs bewußt nicht Lowlight-Vergleich, sondern Lowlight-Sammelsurium genannt, denn, Hand auf`s Herz: Ein exakter Vergleich ist mit Aufnahmen, die nicht zeitgleich bei kontrollierter Beleuchtung gemacht wurden, eigentlich nicht möglich. Erschwerend kommt bei den hier versammelten VideoDSLRs hinzu, dass von Haus aus unterschiedliche Standardeinstellungen bei Kontrast und Helligkeit vorzufinden sind, welche großen Einfluß auf die Beurteilung von Bildrauschen bei höheren ISO-Werten haben. Auch die unterschiedlichen Kompressionsverfahren (H264 4:2:0, versus Motion JPEG 4:2:2) tragen nicht gerade zur einfachen Vergleichbarkeit bei. In diesem Sinne geht es uns hier nicht um streng wissenschaftliche Feststellungen, sondern um subjektive Bildeindrücke und Einschätzungen. Wo lassen sich Unterschiede herausarbeiten und wie sind die einzelnen Lowlightleistungen in der Reallive-Footage einzuordnen ? Sind es überhaupt Unterschiede, die der Rede wert sind oder lassen sich diese nur im Testlabor bei genauestem Pixelpeeping nachvollziehen ? Schauen wir mal …

Dem geneigten slashCAM Leser dürften unsere Lowlightaufnahmen vom Potsdamer Platz bei Nacht bereits bekannt sein. Alle DSLR-Aufnahmen wurden in unterschiedlichen Nächten mit entsprechend leicht divergierenden Lichtverhältnissen gemacht und für diesen Artikel aus unserem Bildarchiv gefischt. Im Gegensatz zum heterogenen Motiv-Setup stellen zumindest die von uns hier benutzen Optiken ein Höchstmaß an Vergleichbarkeit. Sowohl Canon als auch Nikon sind mit ihren lichtstärksten Normal-Zooms vertreten: An der Canon EOS 5D MK II und an der EOS 1D MK IV kam das lichtstarke Canon EF 24-70mm 1:2.8L USM zum Einsatz, an der Nikon D3s das nicht minder hochwertige Nikkor AF-S 24-70mm 1:2,8G ED.

Uns interessierte vor allem die Frage, was sich für augenfällige Unterschiede bei den Lowlightaufnahmen in einer Standard-Schnittsituation (FCP) ergeben. Da die Kameras in den Standardeinstellungen, wie bereits erwähnt, mit unterschiedlichen Kontrastwerten arbeiten (Nikon eher mit dezentem Kontrast zu Gunsten von größerem Tonwertumfang, Canon eher mit kräftigerem Kontrast zu Gunsten von weniger sichtbarem Rauschen bei hohen ISOs – alles Parameter die sich in den Bildprofilen nach Lust und Laune bei beiden Herstellern ausgiebig verstellen lassen), haben wir für einen faireren Vergleich die Videoclips der Nikon D3s vor der weiteren Analyse minimal im Kontrast erhöht.
Ebenfalls im Hinterkopf behalten sollte man die unterschiedlichen Sensorgrößen sowie die unterschiedlichen HD-Formate der hier versammelten VideoDSLRs. Die Canon EOS 1D Mark IV (16,1 MP) verfügt über einen sog. APS-H Sensor (Cropfaktor 1,3) und produziert u.a. 1080 25p Video in H.264. Die Canon EOS 5D Mark II (21,1 MP) verfügt über einen Vollformat Sensor (keine Brennweitenverlängerung) und produziert ebenfalls u.a. 1080 25p in H.264. Die Nikon D3s (12,1 MP) bietet ebenfalls einen Vollformat Sensor, stellt jedoch keine 1080er HD Auflösung, sondern maximale 720 24p in Motion JPEG zur Verfügung. Die Sony PMW 350 wiederum bietet einen 2/3“ Sensor – groß im vergleichbaren Camcorder-Segment – klein im Vergleich zu den hier aufgeführten DSLRs (s. hierzu auch unseren Sensorgrößenvergleich).

Apropos Cropfaktor (Brennweitenverlängerung): Schön zu sehen bei unseren Testaufnahmen sind die unterschiedlichen Bildausschnitte zwischen Canon EOS 1D Mark IV und Nikon D3s (bzw. Canon EOS 5D Mark II). Auf Grund des APS-H Cropfaktors bei der Canon EOS 1D Mark IV werden im maximalen Weitwinkel nicht die vollen 28mm abgebildet sondern so um die 35mm, was zu einem deutlich engeren Bildausschnitt führt. Doch nun zu den Reallive Lowlightvideos.
Zum Auftakt des Vergleichs als erster Bildeindruck die 3 VideoDSLRs mit konstant steigenden ISO-Werten. Alle Aufnahmen wurden bei größtmöglich geöffneter Blende 2.8 sowie 1/50 Sekunde Belichtungszeit gemacht. Alle Aufnahmen wurden für den Schnitt nach ProRes HQ 4:2:2 konvertiert und anschließend für das Web mit den gleichen Einstellungen nach H.264 (Flash) enkodiert. Damit sind wir zwar, wie stets im WWW, ein ganzes Stück von der Originalqualität entfernt, da jedoch alle Videos den gleichen Enkodierungsprozess durchlaufen haben, ist zumindest eine relative „Vergleichbarkeit“ gegeben. Anschließend wollen wir Bildausschnitte des Originalmaterials bei gleichen Belichtungswerten und Vergrößerungen betrachten. Hierbei vergrössern wir das Originalmaterial ausschnittsweise auf 200% und gleichen den Größenunterschied zwischen 1080 und 720 HD nicht aus, weil man hiermit immer einem Format unrecht tut. Abschließend werden die Bilddaten mit der Sony PMW-350 verglichen.
Die Nachtaufnahmen
Hier nun zunächst die 3 Videoclips der DSLRs mit gleichwertigen Optiken und Einstellungen bei ansteigenden ISO-Werten:
Nikon D3s
°VF=NikonD3s_divIsos_neu#600#337
Canon EOS 1D Mark IV
°VF=Canon1DMKIV_div_ISOS#600#337
Canon Eos 5D Mark II
°VF=Canon5DMKII_divIsos#600#337
Bei der 200% Ausschnittsvergrößerung haben wir uns für einen Bildausschnitt entschieden, der sowohl sehr helle als auch sehr dunkle Partien enthält:

Im Folgenden die 200% Bildausschnitte bei der Canon EOS 5D Mark II, EOS 1D Mark IV und Nikon D3s mit den ISOs 400, 1600, 3200, 6400, 12800 und ggf. H1.



Bis ca. 1600 ISO sind alle drei VideoDSLRs ziemlich gleich auf, bei keinem der Videoclips lassen sich signifikantes Bildrauschen oder Codecartefakte feststellen. Ab 3200 ISO beginnen sich die Bildeindrücke leicht von einander zu separieren. Der dunkle Nachthimmel der Canon EOS 5D MKII und jener der Nikon D3s lassen erste, minimale Störungen erkennen, während die Canon EOS 1D Mark IV alles schwarz hält, was schwarz bleiben soll. Ab 6400 ISO treten deutliche Artefakte zu Tage, wobei die Nikon D3s mit beginnendem hellem Korn besonders hervorsticht, gefolgt von der Canon EOS 5D Mark II mit eher chromatischem Rauschen und die Canon EOS 1 D Mark IV ebenfalls mit minimal angedeutetem Chroma-Noise. Bei 12800 ISO ist das Bild der Canon EOS 5D MK II mit starken chromatischen Artefakten durchzogen und teilweise beschädigt, während die Nikon D3s mit hellem kornähnlichen Rauschen noch beachtlich viel Bilddetails und Schärfe zu bewahren weiss. Die Canon EOS 1D Mark IV glänzt mit dezenten chromatischen Artefakten. Bei H1, wo sich in unserem Beispiel nur noch die beiden Profi-Boliden messen, pflastert Canons EOS 1D Mark IV das Bild mit recht groben chromatischen Artefakten zu, während Nikons weisses Kornrauschen an Dichte deutlich gewinnt.
Wir wollen an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass wir hier Video-Frames betrachten und NICHT Fotos. Bei der Lowlightfähigkeit dieser (eigentlich) Foto-Spezialisten kann sich durchaus ein völlig anderes Bild ergeben, weil hier nochmal andere Bild Algorithmen und Signalprozesse greifen.
Wir haben ebenfalls den kürzlich hier getesteten neuen Lowlight-Star im HD Camcorder Bereich aus dem Archiv gefischt: Die Sony PMW-350. Diesen 2/3“ Camcorder hatten wir ebenfalls bei Nacht am Potsdamer Platz stehen und ebenfalls bei maximal geöffneter Blende am Start, was in diesem Fall eine 1.9 ergibt. Hier das entsprechende Sony PMW-350 Video:
°VF=Sony_PMW350_0_42dbGain#600#337
Folgt man dem subjektiven Bildeindruck bei der Betrachtung der Helligkeitsverteilung im Bild und versucht ein ISO-Pendant bei den Video-DSLRs zu finden, landet man bei unserer ISO-Aufnahme-Serie bei 0 db Gain um 2500 ISO herum, 6 db Gain landen ca. zwischen 4000 und 6400 ISO und 12 db Gain bei ca. 8000 ISO (wohlgemerkt bei nicht ganz gleichen Blendenöffnungen).
Anbei der 200 % Ausschnitt der Sony PMW-350 bei 12 db Gain, sowie die Canon EOS 1D Mark IV bei 8000 ISO und die Nikon D3s ebenfalls bei 8000 ISO:



Die Canon EOS 1D Mark IV bügelt das Bild am meisten glatt, was ein wenig zu Lasten der Detailauflösung geht, produziert aber dabei auch das geringste Rauschen. Die Nikon D3s und die Sony PMW-350 bieten mehr Details bei dafür akzentuierteren Artefakten/Rauschen.
Fazit
Die Top VideoDSLRs sind allesamt auf sehr hohem Niveau bei den Lowlightfähigkeiten. Die beiden Topmodelle unterscheiden sich mehr charakterlich als substanziell. Nikon bringt einen Hauch mehr Detail bei deutlicherem, filmkornähnlichem Rauschen, welches für unsere Augen recht geschmeidig rüberkommt. Canon bietet das weichere Bild bei weniger sichtbarem Rauschen. Dafür treten bei extremen ISOs bei den Canons chromatische Artefakte auf, die weniger schick anzuschauen sind. Wer nun das filmischere Bild besitzt, ist gar nicht mal so einfach zu sagen. Wer unter filmisch „Korn“ versteht, wird eher zur Nikon tendieren, wer unter filmisch weniger geschärft, weich versteht, wird eher zur Canon tendieren. Keine leichte Wahl. (Wir hätten gerne das kornähnliche Rauschen der Nikon auf gleichem geringen Niveau wie die Artefakte bei der Canon.) Also landen wir wieder bei einer geträumten Kamera. Trotzdem: Wer hätte vor ein Paar Jahren gedacht, dass solche Lichtstärken und Bildqualitäten überhaupt möglich sind ? So gesehen sind diese Bildfänger bereits die Verwirklichung von Träumen die erst gestern noch jenseits der Realität schienen.
Die Sony PMW-350 kann erstaunlich gut mithalten und stellt einmal mehr ihre Spitzenstellung im Lowlightbereich unter Beweis. Zwar haben die VideoDSLRs noch Lichtreserven in Form von lichtstärkeren Festbrennweiten, doch bei Zoomoptiken herrscht derzeit nahezu Gleichstand was die Nachtsichttauglichkeit anbelangt. Aber da die hier versammelte Technik (HD Cam und Video DSLR) in völlig anderen Preis- und Anwendungskategorien beheimatet ist, nehmen wir das Alles nur halb so ernst wie sonst ...