Grundsätzlich nimmt man ja gerne noch ein paar Zusatzprogramme mit, wenn man Sie kostenlos dazu bekommt. Was sich allerdings heutzutage alles in einem Paket für Brennsoftware findet, kann einen nur wundern: So findet der Anwender nach der Vollinstallation von Nero Reloaded 7 auf seinem Rechner nicht weniger als 21 einzelne Programme vor. Mit der neuen "Sipps"-Applikation unterstützt Nero nun zum Beispiel Voice-Over-IP-Telefonie, Chat und Instant Messaging. Auf Wunsch funktioniert sogar die Bildtelefonie, wenn man eine Webcam besitzt. Das Programm ersetzt schon fast eine Telefonzentrale, denn es gibt auch noch einen Anrufbeantworter und die Möglichkeit zum Import von Kontakten. Was so ein Programm mit CD oder DVD-Brennen zu tun wissen wir auch nicht. Aber die Marschrichtung ist klar: Das digitale Heim soll erobert werden. Und bevor man dieses Feld Microsoft mit der MediaCenter-Edition oder anderen Programmen wie Magix VideoDeluxe überlässt, legt man lieber gleich noch Software obendrauf, die vielleicht im entferntesten mit dem Digital Home zu tun hat. Eben klotzen statt kleckern.
Doch um schnell solche Mega-Pakete zu schnüren reicht die Zeit offenbar nicht, alles sorgsam unter einer Oberfläche zu verstauen. Vielmehr gleichen die Programme mittlerweile einem Patchwork. Selbst die Programmierer scheinen die Komplettpakete aus den Augen verloren zu haben, denn viele Funktionen finden sich gleich in mehreren Programmen wieder. Auf der einen Seite schön, wenn mehrere Wege zum Ziel führen, andererseits jedoch auch nervig, weil man es immer mit verschiedenen Oberflächen und Workflows zu tun hat und man nie weiß, ob das gerade benutzte Modul auch alles können wird, was man braucht.
Wegweiser
Um den Anwender etwas bei der Hand zu nehmen bringt WinOnCD einen Programm-Starter mit einzelnen Aufgaben mit. Wer beispielsweise Videodateien aufnehmen will, klickt einfach diese Aufgabe und muss nicht das zugehörige Programm kennen. Dies dürfte nicht nur Anfängern bei der Erkundung der Programm-Pakete helfen. Nero bietet mit SmartStart eine ähnliche Funktion. Wer Windows Media Center auf seinem PC einsetzt, findet bei Nero sogar Plugins um direkt aus dem Media Center heraus zu brennen oder um Medien im Heimnetzwerk zur Verfügung zu stellen. Wie gesagt, es führen viele Wege nach Rom...
verSucht
Nachdem Google zu einer unaufhaltbaren Marktmacht herangewachsen ist, scheint jeder Hersteller nun ein Suchspezialist sein zu wollen. Das ist bei den beiden „Brennprogrammen“ ergo auch nicht anders. So durchsuchen sie automatisch die Festplatte des Anwenders nach sämtlichen abspielbaren Media-Dateien und stellen diese dann in Ihren Anwendungen zur Verfügung. Der Benutzer soll so leichter seine Video- und Musik-Dateien wiederfinden.
Allerdings sorgen diese Desktopschnüffler immer wieder für Ärger (besonders wenn man WinOnCD und Nero gleichzeitig auf einem Rechner installiert hat, oder am besten noch Google Desktop Search und X1 dazu :) ).
Denn um immer auf dem neuesten Stand zu sein, suchen beide Programme ständig im Hintergrund nach Veränderungen auf der Festplatte. Und das kostet wichtige Rechenpower. Wenn es beim Videoschnitt also ruckelt, ist wahrscheinlich einer dieser Suchagenten dafür verantwortlich. Außerdem kam es bei WinONCD 9 vor, dass sich das Suchprogramm einfach aufhängt. Der Index-Dienst von Nero (NMIndexStoreSvr.exe) nahm dagegen ungefragt des öfteren einen von vier Prozessoren komplett in Beschlag. Auf Single-Prozessor-Systemen kann so ein Verhalten den ganzen PC lahmlegen.
Zur Ehrenrettung der beiden Programme sei gesagt, dass man das Suchverhalten auch von Hand einstellen kann. So kann man beispielsweise definieren, dass nur Nachts gesucht werden soll. Noch schlauer erscheint es uns allerdings, wenn man als Anwender einfach selber für etwas Ordnung auf seinen Festplatten sorgt, wodurch man dann solche Desktop-Suchmaschinen (zumindest für Medien) überhaupt nicht braucht.
Videotools
Sowohl Nero als auch WinOnCD 9 bringen eine eigene Videoschnittapplikation mit. Allerdings befinden sich beide Programme auf derart niedrigem Niveau, dass sie wirklich nur für Einsteiger zu empfehlen sind, die schnell (und planlos) ein paar Clips aneinander hängen wollen. Roxios VideoWave ist zwar noch etwas besser ausgestattet als Neros Vision, dafür gab es hier Codec-Probleme beim Import diverser Clips.
Auch die DVD-Authoring-Möglichkeiten sind auf einfachstem Niveau. Wer schnell eine DVD zusammenschustern will, ist mit ein paar Klicks am Ziel. Wer jedoch komplexe Menüs mit eigenen Grafiken und mehrere Ton- oder Untertitel-Spuren erstellen will, benötigt weiterhin Spezialsoftware. Obwohl beide Programme auf dem Papier bereits das Brennen von BluRay oder HD-DVD beherrschen, liefert keines ein Authoring-Tool für die hochaufgelösten Scheiben mit. Aber selbst Profiprogramme mit HD-Authoring-Funktionen sind momentan noch Mangelware.
DVD-Shrinking
Was natürlich nicht fehlen darf, sind Funktionen zum Requantisieren von DVDs. Beide Programme können DVDs ohne Kopierschutz schnell und ohne zutun des Anwenders entweder auf DVD5-Rohlinge oder nach MPEG4AVC/DivX herunterkomprimieren. Nero bietet in diesem Bereich etwas mehr Optionen und dank ziemlich gutem MPEG4-AVC-Codec auch ein Quäntchen mehr an Qualität bei geringen Datenraten. Im Gegenzug liefert Roxio gleich eine echte DivX-Lizenz mit. Gegenüber Freeware-Lösungen aus dem Netz kann man an dieser Stelle beiden Programmen immerhin einen Vorteil zusprechen: Sie sind wirklich einfach bedienbar. So bietet Nero beispielsweise an, die Größe der Ziel-Speicherkarte anzugeben und passt den Datenstrom exakt darauf an. Dank vieler Vorlagen/Profile muss man sich als Anwender nicht unbedingt mit Encoding-Parametern befassen.
Brenn-Meister
Bei so viel Featureritis ist immerhin eines sehr löblich: Brennen von Silberscheiben gelingt mit beiden Programmen ohne Probleme. Jeder auch noch so exotischen Standard kann in den Brennparametern bis in kleinste Detail eingestellt werden. Für Anfänger und/oder Standard-Aufgaben gibt es in beiden Programmen hilfreiche Assistenten für praktisch jeden Anwendungsfall. Ob das automatiserte Backup von bestimmen Ordern oder die Musikzusammenstellung von MP3s: Auch hier zeigt sich die Stärke der Programme in der unkomplizierten Handhabung. BluRay und HD-DVD können dabei bisher nur zum Brennen von Datenbergen benutzt werden, nicht fürs HD-Video-Authoring (s.o.).
Sonstiges
Da unser Bericht Schwerpunkt klar auf der Videobearbeitung liegt, wollen wir die übrigen Funktionalitäten nur am Rande streifen: So konnten uns die Funktionen als Media Center bei beiden Programmen nicht sonderlich überzeugen. Mit einer ziemlich verbreiteten Terratec Cinergy T2 liefen beide Programme nur sehr träge, das Umschalten dauerte länger als es sein müsste. Immerhin erlaubt Nero gegenüber WinOnCD die Übernahme von DVB-T-Strömen ohne Neucodierung.
Mit "Nero Mobile" steht auf Windows-Smartphones und PDAs eine Art Mini-Mediacenter zur Verfügung. Dieser schlägt bei jeder ActiveSync-Verbindung vor, sich auf dem PDA einzunisten. Auf unserem Dell Axim x50v zeigte sich das Programm aber ziemlich träge und unstabil. Gleich nach der Installation wurden wir drüber aufgeklärt, dass die Demo-Version abgelaufen sei, obwohl wir von einer Vollversion installierten. Außerdem provozierte das Programm immer wieder Systemabstürze. Freeware-Programme wie TCPMP sind hier definitiv die stabilere und reaktivere Wahl.
Auffälligstes Alleinstellungsmerkmal von WinOnCD 9 ist die Erstellung echter AudioDVDs.
Fazit
Jedes der beiden Programme hat auf unserer Festplatte als Vollinstallation mehr als 500 MB verbraucht. Ziemlich viel, für Anwender, die eigentlich nur ein Brennprogramm suchen. Als reine Brennprogramme sind beide Pakete absolut empfehlenswert und ziemlich ausgereift. Die mitgelieferten Zusatzprogramme sind jedoch für Videobearbeiter nur von begrenztem Nutzen. Statt einer Vollinstallation sollte man daher lieber mit Bedacht benutzerdefiniert auswählen, was auf der Platte landen soll und welche Applikationen man wirklich benötigt. Aus diesem Grund gibt es in diesem Artikel übrigens auch keine Screenshots, weil bis auf das Brennprogramm schon alles wieder von der Festplatte geputzt wurde...