Mit dem Erscheinen der AMD Radeon VII ist AMD im Februar eine echte Überraschung geglückt. Anscheinend hatte nicht einmal Nvidia auf dem Schirm, dass AMD eine Profikarte für KI-Anwendungen (MI50) in leicht abgespeckter Form auch für den Gaming- und Content-Creator Markt herausgeben könnte. Und das zum Kampfpreis von 700 Euro...
Zwar bringt AMD mit diesem "alten" CGN-Vega-Prozessor in einem neuen 7nm-Herstellungsprozess keine aktuelle Gaming-Architektur mit, jedoch kann AMD durch die kleinere Fertigungsstruktur und ein paar brachialen Design-Tricks (wie z.B. vier teure HBM2-Chips auf dem Interposer) dennoch gegenüber Nvidia deutlich Boden gut machen. Dazu hat AMD den HBM2-Speicher nicht nur rasend schnell angebunden, sondern ihn auch noch in dieser Preisklasse unüblich von 8GB auf 16 GB verdoppelt. Ein zudem erhöhter Basistakt führt schließlich dazu, dass die Karte tatsächlich mit ihren fetten Rechenwerken in vielen Spielen ungefähr auf Augenhöhe mit einer gleich teuren Nvidia RTX 2080 agieren kann.
Effizient ist das alles nicht und die Margen für AMD dürften deutlich kleiner ausfallen als bei Nvidias RTX-Modellen. Für den Endkunden hat dies jedoch den Vorteil, dass die Radeon VII in der reinen Rechenleistung sogar in der Klasse einer 2080 Ti mithalten kann. Selbst dieser teureren Nvidia-Karte für aktuell ca. 1.100 Euro hat sie dabei immer noch einen weitaus schnelleren (1TB/s vs. 616 GB/s) und größeren Speicher (16 GB vs. 11 GB) vorraus. Da die Speicheranbindung bei Videoeffekten oft ein Flaschenhals ist sind wir besonders gespannt, wie sich AMDs Radeon VII nun unter Resolve und Premiere schlagen wird.
Premiere Pro CC 2019
Unter der aktuellen Version von Premiere Pro CC 2019 sind wir erst einmal einer falschen Einstellung aufgesessen. Ohne unser zutun hatte sich die Mercury Software-Engine in unser Testprojekt geschummelt und hatte aus irgendeinem Grund die GPU-Engine deaktiviert. Nachdem wir unter "Projekteinstellungen/Allgemein" ...

...die GPU Beschleunigung wieder aktiviert hatten, klappte alles dann jedoch alles wie erwartet am Schnürchen. So ließen sich auch in 4K/50p viele GPU-Effekte stacken, ohne dass es zu Rucklern kam. Schön war dabei auch immer wieder anzusehen, dass ein externer zweiter Monitor an der Radeon VII als Vorschaumonitor unter Premiere Pro CC genutzt werden kann. Hierüber war eine ruckelfreie Wiedergabe mit der Radeon VII problemlos möglich. Dies ist unter Resolve nach wie vor keine Selbstverständlichkeit, da dort immer noch eine zusätzliche Karte für eine externe Vorschau verpflichtend ist.
Das AMD-Hardware-Decoding für H.264 und H.265 wird in Premiere Pro 2019 allerdings (noch?) nicht unterstützt, weshalb hier unser 14 Core Xeon 2697v3 die ganze Decodingarbeit übernehmen musste. Das funktioniert bei H.246 auch relativ gut, läuft aber mit 4K-H.265-Material noch nicht sonderlich rund.
Blackmagic DaVinci Resolve 16 (Beta 4)
Unter der aktuellen Beta (4) von Resolve 16 gab es dagegen noch mehr zu bestaunen. Eigentlich hätten wir nur einen kleinen Leistungssprung gegenüber einer Vega-Karte der ersten Generation erwartet. Schließlich besitzen schon die ersten Vega Karten ungefähr gleich viele Rechenwerke wie die Radeon VII (56/64 vs. 60). Und der Takt der neuen Generation liegt mit 1.800 MHz Boost maximal 20 Prozent höher als bei den 14 nm-Modellen, die mindestens 1.500 MHz Boost schaffen.
Doch die ersten Messungen zeigten anschließend einen weitaus größeren Geschwindigkeitsgewinn als die Unterschiede in den technischen Daten erwarten ließen. Dies führte dazu, dass wir zum Vergleich noch einmal eine Referenz Vega 56 mit der neuen Beta 4 ausgemessen haben. In einzelnen Tests konnte die Radeon VII dabei teilweise fast doppelt so schnell rechnen wie eine typische Vega56/64.
Offensichtlich spielt die Speicheranbindung bei einigen Effekten eine signifikante Rolle. Zum Vergleich: Die Vega Karten liegen maximal an der 500 MB/s-Grenze, unsere Radeon VII schafft dagegen bis zu 1.200 MB/s. Eine Speicher Übertaktung ist bei der Radeon VII zudem kinderleicht mit einem Knopf im Treiber zu aktivieren, ohne dass man sich irgendwie damit näher befassen muss (im Gegensatz zur Vega56, die immer etwas Handarbeit erfordert.):

Allerdings hatten wir nach ein paar Tagen mit einem kleinen Bug zu kämpfen: Das Speicheroverclocking war hier plötzlich deaktiviert und ließ sich auch mysteriöserweise nicht mehr reaktivieren. Erst nachdem wir das Resolve Profil komplett in Wattman gelöscht hatten, ließ sich die Karte wieder mit 1200 MHz Speichertakt betreiben. Das entspricht übrigens satten 1,2 TB/s und ist damit sogar nahezu doppelt so schnell, wie der Speicher von Nvidias Flagschiff RTX 2080 Ti. Dass sich unter Resolve bei der Radeon VII ein einfaches Overclocking lohnen kann, belegen unsere Messungen:
Desktop 8K, Resolve 16 Beta 4 (032) | ||||||
Modell | 50 Curved CC Nodes | Motion Blur![]() | Spatial NR,small,50,50 | Spatial NR,small,100,100 | Temp NR 1 Faster Small 50 50 50 | Temp NR 2 better large 50 50 50 |
---|---|---|---|---|---|---|
Radeon VII (800 MHz Speicher) | 10,5 | 15 | 13,5 | 3,5 | 24 | 12 |
Radeon VII (1000 MHz Speicher) | 11,5 | 17 | 14,5 | 4 | 24 | 13,5 |
Radeon VII (1200 MHz Speicher) | 11,5 | 18,5 | 14,5 | 4 | 24 | 14,5 |
Vega 56 (945 MHz Speicher) | 7,5 | 9,5 | 11 | 3 | 15 | 6,5 |
Vega 56 (1055 MHz Speicher) | 8,5 | 11 | 11,5 | 3 | 15,5 | 7,5 |
RTX 2080 (Aus Resolve 15.3) | 11,5 | 9,5 | 11,5 | 4,5 | 12,5 | 7 |
Alle AMD Benchmarks mit der Beta Version 16 von DaVinci Resolve Studio. Alle Werte stellen die Wiedergabe in fps dar und wurden ohne aktive Scopes sowie ohne eine aktive Vorschaukarte ermittelt.
Die Nvidia Werte für die RTX 2080 stammen noch von der Version 15.3
Nachdem unser Resolve 4K Test mittlerweile selbst für Mittelklasse GPUs keine große Herausforderung mehr darstellte, haben wir uns entschlossen, das Testverfahren ab sofort auf 8K-Auflösung anzuheben. Die Messergebnisse sind daher nicht mehr mit früheren Tests zu vergleichen. Dennoch wird schon gegenüber der alten Vega deutlich, wie stark die Radeon VII unter Resolve abschneidet. Zum Vergleich haben wir auch noch eine GTX 2080 angeführt, die wir schon in 8K, allerdings noch unter Resolve 15.3 ausgemessen haben. In Kürze werden wir jedoch auch noch eine Nvidia RTX 2080 Ti unter Resolve testen. Damit sollte sich wieder einmal ein Gesamtüberblick über die aktuelle Performance unter der neuen Resolve Beta 16 bieten.
Warten auf den Resolve Cache?
Doch die Performance ist nicht alles. Gegenüber Nvidia fiel uns besonders ein ungewöhnliches Caching Verhalten negativ auf. Nach dem Start eines Projektes oder auch nach dem erstmaligen Wechsel in einen neuen "Raum" dauert es gegenüber Nvidia deutlich länger, bis alle Thumbnails erzeugt wurden. So dauert es teilweise zwischen 5 und 20 Sekunden bis sich die Arbeit auf der Oberfläche wieder richtig rund anfühlt und alle Vorschaubilder gecached sind. Dieses Verhalten hatten wir mit älteren Versionen von Resolve im Zusammenspiel mit AMD-Karten bereits früher schon einmal beobachtet, jedoch war dieses Phänomen irgendwann im Laufe der stabilen Version 15 verschwunden gewesen. Nun tritt es in allen bisher erschienen Beta 16 -Versionen wieder zu Tage. Dazu ist jedoch auch zu sagen, dass die ersten Betas unter AMDs Vega Karten bei uns noch grundsätzlich deutlich unrunder liefen als unter Nvidia-Modellen. Bis auf dieses Verhalten war die Unterstützung und die Stabilität der Radeon VII in der nun aktuellen Beta 4(032) jedoch tadellos.
Das sollte eigentlich auch selbstverständlich sein. Schließlich optimiert Blackmagic die Apple Version von Resolve sowieso in erster Linie auf die Chips von AMD. Außerdem sprechen sich AMD Karten in letzter Zeit auf der PC-Plattform immer mehr als Preis-Leistungs-Tipp für Resolve Nutzer herum, weshalb Blackmagic hier in Zukunft sicherlich nicht über solche Verzögerungen im Workflow "mangels Nutzer-Interesse" hinwegsehen kann. Bis auf die kleine Wartezeit zum Start oder beim Raumwechsel laufen die AMD-Karten aktuell bei uns genau so stabil, wie die Nvidia-Modelle.
H.264/H.265-Decoding
Neu in der Beta-Version 16 von Resolve war ja auch die Unterstützung des GPU-Decodings mit AMD-Grafikkarten. Bis vor ein paar Wochen sah es damit allerdings recht trüb aus. Erst mit der dritten Beta konnten wir die Beschleunigung erstmals nachvollziehen, allerdings teilweise mit derart grausigen Artefakten, dass wir unsere Erwartungshaltung für die Radeon VII gleich mal auf Null gesetzt hatten. Doch komplett zu unrecht. Mit der vierten Beta flutschte das Decoding von unseren 4K-H.264/H.265-Testfiles auf der Timeline fast ebensogut wie mit Nvidia. Dabei ist das Scrubbing nach wie vor nicht so flauschig wie mit Intraframe-Codecs oder RAW-Files, funktioniert jedoch mit beiden GPU-Herstellern auf deutlich höherem Niveau als beim Einsatz unseres 14 Core Xeons. Nebenbei erwähnt: Sogar die Vega-Karten der ersten Generation können nun sauber decodieren und haben ihre Artefakte mit der vierten Beta glücklicherweise verloren…
Stromverbrauch und Lautstärke
Die AMD Vega-GPUs sind weniger auf das Gaming sondern viel mehr auf den Einsatz als Rechenbeschleuniger ausgelegt, was mit mehr Schaltkreisen auf der Chipfläche einhergeht. Diese brauchen in der Folge auch deutlich mehr Strom, als eine "vereinfachte" Gaming-GPU. Deshalb fällt trotz halbierter Fertigungsstrukturen auch der Stromverbrauch mit 295W kaum niedriger aus als bei den alten Vega-Modellen. Die Radeon VII benötigt deswegen zwei zusätzliche 8 Pin Stromstecker und ein leistungsstarkes Netzteil.
Dazu gibt es nur ein Karten-Referenzdesign auf dem Markt, das aktuell von sieben Partnern vertrieben wird. Wenn man sich eine Radeon VII kauft, bekommt man also immer die gleiche Karte, nur mit unterschiedlichen Hersteller-Aufklebern.

Die Karte selbst kommt mit drei Lüftern, die unter Last schnell entsprechend laut zu Werke gehen. Die rund 300W maximale Leistung lassen sich auf Wunsch jedoch mit viel Handarbeit im Treiber zähmen. Dafür muss man jedoch die Karte underclocken und dann die Timings und Lüfterdrehzahlen von Hand anpassen. Wer dann noch etwa 10-15 Prozent Performance Verlust in Kauf nimmt kann die Karte mit den richtigen Einstellungen sogar bemerkenswert leise betreiben. Aber solche Tüfteleien sind sicherlich nicht jedermanns Sache. Richtig leise Hochleistungs-GPUs sind sowieso eine Seltenheit und ein anderes Thema. Ähnliches gilt auch für das unter einigen Effekte deutlich vernehmbare Spulenrasseln, dass ebenfalls jede Karte, die in den letzten Jahren in unserem Testrechner steckte von sich gab. Egal ob AMD oder Nvidia.
Fazit
Um im wichtigen Gaming-Markt überhaupt relevante Stückzahlen verkaufen zu können, musste AMD auf hohe Gewinnspannen verzichten und den Preis der Radeon VII an die RTX2080 anpassen, der sie in der Gaming Leistung wohl auch ebenbürtig ist. Dass sie dabei aber in der für Videoverarbeitung wichtigen Compute-Rechenleistung mindestens auf dem Niveau einer RTX 2080 Ti gelandet ist, war ein vielleicht sogar ungewollter Nebeneffekt.
Den Video-Anwender darf es umso mehr freuen. Besonders unter Resolve liefert die Karte aktuelle Spitzenleistung zu einem Preis, für den man bei Nvidia nichts vergleichbares bekommt. Gegenüber einer ähnlichen teuren GTX 2080 besitzt die Radon VII den doppelten Speicherausbau mit verdoppelter Transfer-Geschwindigkeit, was sich auf einige GPU-Effekte deutlich auswirkt. Und auch das GPU-Decoding ist mittlerweile nahezu auf Nvidia Niveau angekommen. Einzig die kleinen Bendenk-/Cache-Pausen beim Start von Resolve oder beim Wechsel in einen neuen Raum sind etwas nervig. Es ist jedoch zu erwarten, dass Blackmagic diese auch mit späteren Versionen in den Griff bekommen wird. Doch selbst mit diesem Bug ist die Radeon VII definitiv eine Preis-Leistungs-Referenz-Karte für DaVinci Resolve. Wer viel GPU-Leistung für Videoeffekte unter Resolve braucht, findet in dieser Preisklasse ansonsten nichts vergleichbares.