Nachdem wir einen Blick auf die letzte Intel Grafikkarte geworfen haben, wollten wir auch einmal sehen, wie es eigentlich um die Beschaffenheit von AMDs aktuellen Grafikkarten für Videoanwendungen steht. In Gaming-Kreisen hat sich AMD ja in den letzten Jahren einen durchaus ansehnlichen Ruf erarbeitet, eine günstigere Alternative zu technisch vergleichbaren Nvidia Modellen zu bieten. Doch gilt dies auch für die Videobearbeitung?
Technische Ausstattung
AMDs Radeon RX 7900 GRE ist erst seit kurzem erhältlich und stellt eine äußerst interessante Hardwarebasis dar: Denn die Karte basiert nicht wie die RX 7800-Modelle auf AMDs Mittelklasse Chips Navi 32, sondern ist eine auf ähnliches Niveau abgespeckte Variante der Top-Chip-Serie Navi 31. Letztere wurde bis vor kurzem nur in den Flaggschiff-Modellen RX 7900 XT(X) verbaut.
Als gehobene Mittelklasse-Karte bietet die RX 7900 GRE einen 256 Bit Speicherbus mit 16 GB RAM, welcher knapp unter 600 GB/s Bandbreite liefert. Ähnliches bietet auch das günstigere RX 7800-Modell, wobei die RX7900 GRE im direkten Vergleich mehr Rechenkerne bietet und hiermit ungefähr noch 10 Prozent schneller rechnen kann.

Diverse RX 7900 GRE Karten waren zum Testzeitpunkt ab 550 Euro erhältlich, jedoch hat sich ihr Einstiegspreis zum Release des Artikels auf ca. 580 Euro erhöht. RX 7800 Modelle sind dagegen bereits ab 520 Euro zu haben. Die günstigsten Nvidia Modelle mit 16GB an 256 Bit RAM gab es bei Artikelveröffentlichung (Stand Ende April 2024) für ca. 840 Euro (RTX 4070 Ti SUPER).
Einbau und Installation
Tatsächlich hat AMD in den letzten Jahren seine Hausaufgaben gemacht. So gab es während der Installation keine Probleme oder Ungereimtheiten. Die Karte wirkt in ihren Ausmaßen zwar extrem bullig und benötigt zur Sicherheit sogar noch eine Stützschiene bei vertikaler Nutzung im Gehäuse. Doch nach dem Einbau (und dem zusätzlichen Anschluss von zwei 8-Pin-Stromsteckern) sitzt alles bombenfest im PCIe-Sattel.

Der entsprechende Treiber installiert sich mit zahlreichen Zusatzprogrammen mit wenigen Klicks und nach einem Neustart ist die Karte ohne weiteres Zutun startklar. Wie für eine Gaming Karte typisch strahlen alle Programmoberflächen zur weiteren Optimierung der GPU-Einstellungen ein recht undezentes Gaming-Flair aus. Und leider gibt es nach unserem Wissen auch keine Möglichkeit, die Gaming Karten mit den professionelleren Radeon Pro Treibern laufen zu lassen. Dies funktionierte früher noch mit ausgewählten Modellen wie mit der AMD Radeon VII. In den letzten Jahren wirkte sich die Performance zwischen den Pro- und Gaming-Treibern unter Resolve allerdings sowieso kaum noch aus. Nvidia pflegt dagegen weiterhin spezielle Studio Treiber für seine Gaming Karten, was wir demnächst noch einmal genauer betrachten wollen.
Selbst bei Nvidias Kernthema KI lässt AMD seine Anwender nicht mehr komplett im Regen stehen: So werden seit kurzem neben den Workstation Karten auch Modelle aus der hier getesteten RX 7900 Serie durch ROCm unterstützt, welches zahlreiche KI-Bibliotheken (ähnlich zu Nvidias CUDA-Libs) bereitstellt. Dies gilt übrigens offiziell nur für Consumer-Modelle mit AMDs Navi 31 - Chips - inoffiziell laufen mittlerweile jedoch auch andere Serien.
Blackmagic RAW Performance AMD RX 7900 GRE
Bevor wir Resolve starten, werfen wir in der Regel einen Blick auf den mitgelieferten Blackmagic RAW Benchmark, welcher misst, wie schnell CPU und GPU mit optimierten Routinen Blackmagics RAW Dateien in verschiedenen Formaten dekomprimieren können. Und hier erwartet uns bereits die größte Überraschung unseres Tests:

Die neue Grafikkarte von AMD liegt in der GPU-Performance weit abgeschlagen hinter fast allem, was wir in den letzten Jahren getestet haben. Sie liegt in diesem Test sogar nur auf Augenhöhe der zugleich verwendeten, nicht mehr sonderlich aktuellen Test CPU (AMDs 5600X). Selbst Intels deutlich günstigere ARC770 ist hier deutlich mehr als doppelt so schnell.
Da AMD-Karten in Hackintosh-Modellen bei diesem Benchmark in der Regel sehr gut abschneiden, dürfte der Hund in den Treiberwelten von Windows begraben sein. Wir sind dem Rätsel nicht auf die Spur gekommen, haben jedoch die starke Vermutung, dass es an dem OpenCL-Treiber selbst liegt, da man über diesen im Netz ähnliche Klagen zu anderen Applikationen finden kann.
Benchmarks in Resolve 8K - AMD RX 7900 GRE
Dass so ein Benchmark jedoch nur eine Momentaufnahme für eine spezielle Anwendung ist, belegten dann unsere weiteren Messungen unter Resolve. In 4K gibt sich die AMD-Karte keine Blöße und auch in den 8K-Tests schneidet die AMD RX 7900 GRE deutlich besser ab als Intels Top-Modell:
Workstation 8K Benchmark, Resolve 17 /18 | ||||||
MODELL | 50 Curved CC Nodes 24p | Motion Blur Better,Large,30.0 | Spatial NR, small, 50,50 | Spatial NR, large,100,100 | Temp NR 1 faster small 50 50 50 | Temp NR 2 better large 50 50 50 |
iPad Pro M2 | 8,5 | 3,5 | 2,5 | 0,5 | 5,5 | 2,5 |
iMac M3 24GB | 6,5 | 3,5 | 5,75 | 1,5 | 4,5 | 2,5 |
MacBook M1 Pro | 11,5 | 6 | 3,5 | 1 | 9 | 4,5 |
Lenovo Legion Y540 17IRH RTX 2060 | 4 | 8 | 7,5 | 2,5 | 10,5 | 4,5 |
Lenovo Yoga 9i mobile RTX 4070 | 7,25 | 8,5 | 13,25 | 4 | 12,5 | 6,5 |
MSI Z17 RTX 3070 Ti | 6,5 | 11 | 15,5 | 4,5 | 15,5 | 8,5 |
Desktop Intel Arc 770 | 10,25 | 8,5 | 20,5 | 6,5 | 13,5 | 6,5 |
Desktop RTX 2080 Ti | 10,5 | 13 | 21 | 6,5 | 17 | 10 |
MacBook Pro M1 Max 32GB (Messung 2023) | 23 | 12 | 21,5 | 6,25 | 18 | 9,75 |
MacBook Pro 2023 M2 Max | 24 | 14,5 | 8,5 | 2,25 | 20,5 | 11,5 |
MacBook Pro 2023 M3 Max 128GB | 24 | 13,25 | 24 | 6,5 | 19,5 | 10,5 |
AMD RX 7900 GRE | 12,75 | 17,5 | 18,5 | 5,5 | 24 | 14,5 |
Alle Benchmarks unter Version 17.4-/18.x von DaVinci Resolve Studio. Alle Spalten beschreiben die Wiedergabe in fps. Die Messungen wurden ohne aktive Scopes sowie ohne eine aktive Vorschaukarte ermittelt. |
Die AMD RX 7900 GRE rechnet gemittelt auf dem Niveau einer Apple M3 Max Lösung und liegt hier auch weit vor der besten Grafikkarte von Intel. Die große Frage muss allerdings noch etwas warten: Wie sieht es im Vergleich zu einer aktuellen Nvidia Desktop-GPU aus? Mittlerweile ist schon eine RTX 4080 Super in der Redaktion gelandet, weshalb wir auch hier sehr bald mehr Informationen liefern können. Bis dahin bitten wir noch um etwas Geduld.
Sonstiges
AMDs GPUs besitzen (wie auch Nvidia GPUs) nach wie vor keine Hardwarebeschleunigung für 10 Bit 4:2:2-Decoding. Da dieses Format gerade bei vielen DSLMs und fast allen (semi-)professionellen Kameras besonders gerne im Zusammenspiel mit Log genutzt wird, können solche Hardware-Decoder die flüssige Wiedergabe auf der Timeline unterstützen. Bis heute bleibt diese Aufgabe bei PCs mit AMD- oder Nvidia-Grafikkarten der CPU überlassen, was unnötige Last auf dem Prozessor erzeugt. Apple unterstützt dagegen die Hardware-Dekodierung vorbildlich und bietet so selbst auf leichtungsschwachen Systemen einen butterweichen Schnitt in der Resolve Timeline.
Kein Beinbruch, aber etwas nervig: Wie bei Intels ARC gönnt sich auch die AMD-Karte unter Resolve zudem gelegentliche "Denkpausen" bevor Icons oder Miniaturvorschau-Ansichten in der Oberfläche bereitgestellt werden. Sind diese einmal berechnet, geht's wieder so flüssig weiter wie bei der Konkurrenz. Da dieses Verhalten sowohl AMD als auch Intel betrifft, tippen wir hier ebenfalls auf ein Problem in der OpenCL Implementierung bei Resolve. Auffällige Abstürze haben wir dagegen keine erlebt.
Fazit
Tatsächlich läuft die AMD RX 7900 GRE unter Resolve zwar stabil, aber die ziemlich schlechten Blackmagic RAW Benchmarkwerte sowie die kleinen Bedenkpausen hinterlassen einen etwas fahlen Beigeschmack. Ganz offensichtlich wird OpenCL unter Resolve etwas weniger Liebe zuteil als CUDA oder Metal. Wie sich die OpenCL-Unterstützung in Zukunft entwickeln wird, scheint in diesem Licht etwas undurchsichtig.
Die reine Resolve Leistung der AMD RX 7900 GRE ist dagegen für den geforderten Preis als fair einzustufen und als Basis für einen günstigen Resolve-Rechner kann man durchaus zu so einem AMD-Modell greifen. 10 Bit 4:2:2 Decoding in Hardware gibt es dann allerdings nur in Kombination mit einer passenden Intel-CPU. Das ist bei Nvidia GPUs allerdings auch nicht anders.