Wir sitzen schon seit längerem an (mindestens) einem Artikel zu Magic Lantern und der EOS M. Jedoch verändert sich der Fokus dieses Artikels ständig, weil sich die neuen Ereignisse bei der ML-EOS M Entwicklung fast im Monatsrhythmus überschlagen haben. Aus aktuellen Gründen wollen wir dennoch einmal eine Version des Textes veröffentlichen, auch wenn sich vieles noch immer in der Schwebe befindet. Und dafür wollen wir auch etwas weiter ausholen…
Warum Magic Lantern?
Auch wenn seit längerem von Blackmagic kompakte RAW-Kameras unter 1.000 Euro angeboten werden gibt es für den echten CineRebel-Filmer immer noch eine oft verkannte Lösung, die weitaus günstiger zu erstehen ist.
Die Rede ist von Magic Lantern. Mit dieser Firmware-Erweiterung ist es möglich diversen Canon EOS Kameras das Filmen im RAW-Format beizubringen. Am besten funktioniert dies aktuell mit einer EOS 5D Mk3, welche die meisten Magic Lantern Funktionen ohne große Frickelei mit beeindruckenden Auflösungen über 3K RAW unterstützt. Allerdings kostet eine gebrauchte Canon EOS 5D Mk3 immer noch ca. 1.000 Euro, was neben aktuellen 4K-Kameras nicht unbedingt attraktiv wirkt. Das aktuell interessanteste Modell für Magic Lantern RAW-Experimente ist jedoch die erste EOS M.
Warum die EOS M?
Da wäre zuallererst einmal der Preis der Kamera: Auf dem Gebrauchtmarkt bekommt man das früheste, erste M-Modell (in Deutschland namentlich EOS M ohne weitere Nummer) meist deutlich unter 150 Euro. Für die EF-M Mount lassen sich günstige, aktive Adapter erstehen, die normale Canon EF-Optiken aktiv unterstützen. Also sogar mit Autofokus und Bildstabilisator. Doch solche Objektive sind meistens weitaus teurer als die Kamera selbst.

Sehr viel mehr Rebel-Style erlaubt jedoch das geringe Auflagemaß der EF-M-Mount. So lässt sich an der Kamera jede Menge besonders günstiges Altglas verwenden. Ein passiver Adapter und ein lichtstarkes Festbrennweiten-Prime lassen sich mit etwas Gebrauchtmakt-Recherche schon unter 50 Euro dazukaufen.
Die erste EOS M besitzt einen APS-C-Sensor mit 18 Megapixeln und einer RAW-Auflösung von 5184 x 3456 Senseln. Da die Kamera nur einen relativ langsamen SD-Kartenslot besitzt, kann diese Menge an "rohen" 5K-Sensordaten natürlich nicht mit 24 fps weggeschrieben werden. Wer den vollen Sensor (übrigens 22.30mm x 14.90mm) auslesen will muss Magic Lantern daher bei der EOS M einige Sensel per Pixelbinning zusammenfassen lassen.
RAW mit und ohne Binning
Bei vollem Sensorreadout mit 3x3 Binning besitzt das RAW-File beispielsweise eine Breite von 5184 /3 = 1728 Pixeln, also nicht ganz FullHD. Bei einer Skalierung nach HD fällt dabei weniger die geringere Auflösung ins Auge, als deutlich sichtbare Aliasing Strukturen sowie eine grundsätzlich sehr weiche Anmutung durch das Binning.
Besser, sauberer und knackiger sieht dagegen ein "echter" 1:1 RAW-Readout aus, der tatsächlich jeden Sensel einzeln auslesen kann. Mit einigen Tricks kann die EOS M hierbei eine RAW-Bildbreite bis zu ca. 2,5K wegschreiben, was für eine qualitativ gute HD-Produktion schon mehr als ausreichend sein sollte. Dabei kann die EOS M logischerweise jedoch nur einen Teil des Sensors nutzen, der bei 2,5K ungefähr einer Sensorbreite von ca. 10,75mm entspricht. Dies bedeutet wiederum einen mageren horizontalen Crop-Faktor von ungefähr 3,34.
Wer dies nun als besonders wenig empfindet, dem sei gesagt, dass die Blackmagic Pocket und Micro Cinema Kameras (jedoch nicht die 4K Cinema) ungefähr eine Sensorbreite von 12,mm und einen Crop-Faktor von 3 besitzen. Wer allerdings mit einem rebel-günstigen 50mm F2.0-Altglas filmt muss bei solchen Crop-Faktoren tatsächlich schon sehr weit vom Motiv weg sein. Und ohne Stativ lässt sich die EOS M bei solchen Brennweiten dann nur noch sehr schwer ruhig führen.
Hier könnten wiederum die seit kurzem erhältlichen Speed-Booster-Clones für EOS M Abhilfe schaffen. Diese können den Cropfaktor bei 2,5K 1:1 Sensorreadout wieder auf deutlich praktikablere 2,37 heben. Allerdings kostet ein EOS M Focal Reducer auch mindestens 130 Euro, was in Relation zur Kamera schon eine Menge ist. Besonders wenn man bei seiner ML-RAW-Lösung auf jeden Euro schauen will/muss.
Halbes Binning…
Und dies war der ungefähr der Stand bis Ende letzten Jahres zusammengefasst. Doch seitdem haben ein paar Magic Lantern Entwickler einen neuen Read-Out-Modus (unter anderem) an der kleinen EOS M "freischalten" können: Das sogenannte 1x3 Binning.
Beim 1x3 Binning liest die Kamera jede Zeile des Sensors aus, fasst jedoch immer drei Horizontal-Pixel zu einem Sampling-Wert zusammen. So ist aktuell das Auslesen von bis zu 1736 x 2144 Senseln im 1x3 Binning Modus möglich. Hier ein Beispielbild:

Streckt man dann die gebinnten Sensel dreifach horizontal erhält man ein 5K-Bild mit einer Auflösung von 5208 x 2144.

Das dahinter stehende Prinzip ähnelt einer anamorphen Aufzeichnung. Allerdings auf Sensor-Ebene und nicht durch eine optische Stauchung. Dies alleine wäre schon ein bemerkenswertes Feature.
... und DUAL ISO!
Doch es kommt noch besser. Denn Magic Lantern beherrscht auch noch einen DUAL-ISO Mode. Hierbei kann man jede zweite Zeile beim Sensor-Readout mit einer alternativen ISO auslesen. In der Postproduktion (z.B in der kostenlosen MLV App) können diese Zeilen dann zusammengerechnet und damit die Dynamik erhöht werden. Gleichzeitig halbiert dies jedoch auch die nutzbaren Zeilen der Aufnahme. Bislang war dies aufgrund der geringen Datenraten für kaum ein Videoformat interessant, weil der Dynamikgewinn bestenfalls den deutlich sichtbaren Auflösungsverlust kompensieren konnte. In der Praxis empfanden wir DUAL ISO immer als schlechtes visuelles Tauschgeschäft.
Doch wenn man mit dem 1x3-Binning nun Sensel in der Horizontalen stauchen kann, kann man die gesparte Datenrate dafür nutzen doppelt so viele Zeilen auszulesen wie das Zielformat fordert. Gerade in cinemaskopischen Formaten kann dies noch innerhalb der knappen Schreibraten klappen.

Ein Beispiel: Angenommen unser Film soll in Cinemascope mit 1920 x 800 Pixeln ausgegeben werden. Dann könnten wir nun in DUAL ISO mit 1600 Zeilen filmen und brauchten dafür vor dem Herunterskalieren 3840 quadratische Horizontalpixel. Im 1:3 Binning Modus müsste Kamera allerdings "nur" 1280 nichtquadratische (!) Sensel pro Zeile aufzeichnen. Es wäre also jetzt möglich mit einer RAW-Auflösung von 1280 x 1400 die Dynamik spürbar zu erhöhen. Dies entspricht jedoch immer noch einer 24p-Datenrate von 71,39 MB/s bei 14 Bit. Zu viel für die EOS M.
Bei 10 Bit lossless Kompression sind es dagegen nur noch geschätzt 40 MB/s, die man aktuell knapp mit einer übertaktbaren SD-Karte an einer EOS M hinbekommen kann. Und aufgrund der zwei ISO Layer sind auch 10 Bit lineares Sampling nicht sonderlich wenig für RAW, da die MLV-App ja die zwei Werte zusammenfasst und intern mit 20 Bit (!!) weiterverarbeiten kann.
Die Zukunft von Magic Lantern auf der EOS M
Auch wenn es unglaublich klingt, tatsächlich funktioniert das alles auch schon in Einzelteilen. Als Ganzes gelingt eine Aufzeichnung jedoch wenn überhaupt immer nur für wenige Frames. Welche dieser RAW-Möglichkeiten letztlich stabil mit der EOS M funktionieren werden, steht damit bis auf weiteres noch in Sternen. Momentan stellt einer der eifrigsten EOS M-Mitentwickler (Danne) fast täglich neue Versionen mit ensprechenden Presets zum Download, die sich immer hier finden lassen.
Ein slashCAM-Tutorial zu Magic Lantern ist ebenfalls schon seit Monaten in der Mache, jedoch ändern sich mit jedem neuen Build wieder einige Einstellungen und Funktionsweisen. Dies gilt leider auch immer wieder für Eigenschaften, die in früheren Versionen schon funktioniert haben und aktuell nur pixelige Bilder produzieren. Wir werden ein Magic Lantern Tutorial deswegen erst bringen, wenn in die aktuellen Builds wieder etwas mehr Ruhe und Stabilität eingekehrt ist...