Meinung Dual Gain Output DGO-Sensoren - Was hemmt die Technologie trotz hoher Dynamik?

Dual Gain Output DGO-Sensoren - Was hemmt die Technologie trotz hoher Dynamik?

Mit DGO-Sensoren erzielen viele Kamerahersteller regelmäßig Bestwerte bei der Dynamik. Doch warum findet sich die Dual Gain Output Sensortechnologie nicht in viel mehr Kameras?

// 10:19 Do, 25. Jul 2024von

Wenn wir unsere Kamera-Artikel der letzten Jahre betrachten, staunen wir immer wieder über die Ergebnisse unserer Dynamik-Vergleichstests. Und eben gerade nicht, weil die Kameras hier so große Sprünge machen, sondern vielmehr, weil die Unterschiede zwischen den meisten Modellen in den letzten Jahren eher klein ausfallen.



An der Spitze führt ARRI das Feld zwar klar mit seiner ALEXA35 an, aber zwei bis drei Blendenstufen darunter tummelt sich dann die gesamte Konkurrenz auf engstem Raum. Doch warum eigentlich? Hat wirklich nur ARRI das technische Know How für die Killer-Sensortechnologie in der Tasche und die Konkurrenz kann technisch einfach nicht mithalten? Oder gibt es vielleicht auch noch andere Gründe für den auffällig seltenen Einsatz von DGO-Sensoren?




Was bedeutet DGO?

DGO steht für Dual Gain Output und erlaubt es, bei einem Sensor in Echtzeit zwei separate Bilder mit unterschiedlichen Verstärkungsstufen zu einem Bild mit sehr hoher Dynamik zu kombinieren. Das Bild mit dem höheren Signalpegel erfasst Details in den dunklen Bildbereichen, während die niedrigere Verstärkung Details in den hellen Bildbereichen beibehält. Im Gegensatz zu anderen HDR-Verfahren wird hier jedes Sensel wirklich zum selben Zeitpunkt mit zwei Empfindlichkeiten ausgelesen und anschließend zusammengefasst, so dass keine Artefakte durch einen zeitlichen Sampleversatz entstehen können.



Dual Gain Output DGO-Sensoren - Was hemmt die Technologie trotz hoher Dynamik?  : DGO erklaert
Bild: Canon


Mit dieser DGO-Technologie erreichen Sensoren von ARRI, Blackmagic und Canon aktuell Bestwerte in der Dynamik ihrer Cine-Kameras. Doch warum verbauen die Hersteller nicht einfach in jeder Kamera DGO-Technik, wenn diese doch offensichtlich eine bessere Bildqualität liefert? Schließlich ermöglicht eine größere Dynamik auch letztlich immer eine Verbesserung der Bildqualität.




Eine Frage der Kosten?

Ein erster Hinweis auf diese Frage findet sich bereits bei den Kosten der Kameras: Aktuell findet man die ALEXA 35 für ca. 90.000 Euro in den Preislisten der renommiertesten Cine-Distributoren. Das ist zehn- bis dreißigmal mehr, als aktuell günstige S-35 Cine-Kameras mit 4,6K Auflösung kosten. Nun kann man zwar davon ausgehen, dass die Gewinnspanne gegenüber dem Materialeinsatz bei ARRI sicherlich grundsätzlich recht großzügig ausfällt - zumal es sich um ein Marktsegment mit vergleichsweise geringen Stückzahlen handelt. Trotzdem würde ARRI sicherlich seine Kamera zumindest etwas günstiger anbieten, wenn hier nicht auch relevante Kosten in der Fertigung entgegenstünden.



Wir nehmen daher - vielleicht auch etwas blauäugig - an, dass die übrigen Hersteller durchaus wissen, wie man eine ALEXA35 Kopie konstruieren könnte, dies jedoch für sie nicht rentabel ist. Denn warum sollte man sich denn sonst nicht in diesen besonders hochpreisigen Markt wagen? Die Gewinnspannen müssten ja grundsätzlich sehr verlockend sein. Wir denken, dass die Herstellungskosten der DGO-Sensor-Technik signifikant über "normalen" Sensoren liegen - wofür auch das Marktverhalten anderer Hersteller weitere Hinweise liefert:







Blackmagic Design

Blackmagic betreibt bereits seit längerem eine eigene Sensorentwicklung, die mit einem eigenen DGO-Sensordesign begann. Dieser DGO-Sensor wird unter anderem immer noch in der Blackmagic URSA Mini Pro 4.6K G2 verbaut und besitzt laut Spezifikationen auch die höchste Dynamik aller aktuell verfügbaren Blackmagic Cameras.


Dennoch findet sich dieser Sensor in keiner Kamera aus dem eigenen Hause unter 6.000 Euro. Zugleich gibt es mit der Blackmagic URSA Broadcast G2 eine fast baugleiche Kamera, jedoch rund 2.000 Euro günstiger, dann aber mit einem Sensor eines Drittherstellers. Diese kleinere URSA kostet im Handel dann nur noch ca. 4.000 statt ca. 6.000 Euro - was ebenfalls ein starkes Indiz dafür ist, dass der URSA Mini Pro 4,6K Sensor für Blackmagic selbst recht teuer in der Herstellung sein dürfte.



In allen günstigeren Cinema Kamera-Modellen kommen zudem nur Sensoren von anderen Herstellern zum Einsatz - offensichtlich, weil mit dem eigenen Sensor ein günstiger Kamerapreis von 3.000 Euro oder darunter nicht nicht zu realisieren ist. Der selbst entwickelte Sensor scheint Blackmagic signifikant teurer kommen, als ein vergleichbarer, beispielsweise von Sony zugekaufter Sensor.



Und das will wiederum schon etwas heißen. Denn bei der Halbleiterfertigung ist eigentlich das Design der teuerste Fixkostenblock, der sich dann durch die Fertigung größerer Stückzahlen über die Zeit amortisiert. Bei Blackmagic scheinen jedoch die Stückkosten eines DGO-Sensors so hoch auszufallen, dass sich der Zukauf eines Sensors von einem Dritthersteller mehr rechnet, als selbst mehr Sensoren zu fertigen. Sogar, wenn man die eigenen Entwicklungskosten noch auf die gesamten Kosten umlegen könnte. Diese sind ja schon bezahlt und je mehr Sensoren man fertigt, desto mehr Sensoren lassen sich diese fixen Entwicklungskosten verteilen, aber selbst die variablen Stückkosten der Produktion scheinen hier noch über einem Sony-Sensor zu liegen. Und zwar deutlich.





Canon

Auch Canon verfügt über eine Sensorfertigung und hat ebenso einen DGO-Sensor im Programm, der sich in der EOS C300 Mark III sowie der EOS C70 befindet. Auch diese beiden Kameras sind laut Canons eigenen Spezifikationen die Dynamik-Spitzenreiter im eigenen Kamera-Portfolio. Und auch hier muss man sich natürlich wundern, warum der Sensor nicht in günstigeren Modellen zu finden ist, bzw. warum Canon nicht einfach mehr DGO-Sensoren für andere Kameras produziert, wenn diese ja offensichtlich besser sind, als die Sensoren in den günstigeren Kameras.



Da Canon die meisten seiner Sensoren selbst herstellt, deutet dies ebenfalls darauf hin, dass es irgendwie signifikant teurer sein muss, DGO-Technologie zu fertigen. Beispielsweise könnte der Ausschuss bei der Produktion deutlich höher sein. Oder man braucht vielleicht für DGO-Sensoren grundsätzlich ein teureres Fertigungsverfahren. Für einen hohen Ausschuss spricht dabei eventuell auch, dass bislang noch kein Hersteller einen DGO-Sensor gezeigt hat, der eine größere Fläche als S35 hat. Auch hier könnte also ein Grund liegen, denn der Ausschuss steigt immer exponentiell mit der Sensorfläche. Zugleich bleibt festzuhalten, dass sich auch bei Canon bislang kein DGO-Sensor in eine APS-C/S35 Kamera unter 4.500 Euro Listenpreis verirrt hat.





Energieverbrauch und Hitze

Auffällig ist zuletzt, dass DGO-Sensoren immer nur in Kameras verbaut werden, deren Sensor-Einheit besonders aufwändig aktiv gekühlt wird.



DGO-Sensoren werden oft aufwändig gekühlt
DGO-Sensoren werden oft aufwändig gekühlt


Dies ist bei allen professionellen Cine-Kameras der Fall und wäre zugleich eine weitere Erklärung dafür, warum man diese Sensoren nicht in Fotoapparaten oder hybriden Kameras findet. Mehr Hitze würde auch auf einen höheren Stromverbrauch der DGO-Sensoren hindeuten - der wiederum im Fotomarkt für schlechte Ausdauer-Eigenschaften sorgen dürfte. Schließlich ziehen zahlreiche Anwender in der Praxis eine längere Akkulaufzeit einer höheren Dynamik vor.




Normale Dynamik gut genug?

Was ist nun also der Grund dafür, dass die Hersteller trotz viel besserer Dynamik in den meisten Kameras keine DGO-Sensoren einsetzen? Wahrscheinlich alles zusammen. Dem gehörigen DGO-Aufwand steht zudem entgegen, dass den meisten (semi)professionellen Anwendern die Dynamik heute auch gar nicht mehr das wichtigste Kaufargument bei einer Kamera zu sein scheint. Auch ohne DGO ist die gebotene Dynamik den meisten Anwender in den meisten Fällen schon "gut genug".



Außerdem lässt sich neuerdings die Dynamik auch schon mit einer technisch einfacheren Doppelbelichtung erhöhen - auch bei der Videoaufnahme. Hierfür müssen "nur" Sensor-Auslesegeschwindigkeit und Signalelektronik schnell genug sein. Und gerade in diesen Parametern werden Kameras auch noch über aktuelle Generationen ständig verbessert.



Dennoch definiert weiterhin eine absolut fehlerfreie, hohe Dynamik die Königsklasse der Cinematografie. Und macht daher im Cine-Segment Dual Gain Output zu einer relevanten, exklusiven und zugleich relativ teuren Technologie.



Ähnliche Artikel //
Umfrage
    Welche Streaming-Dienste nutzt Du?













    Ergebnis ansehen

slashCAM nutzt Cookies zur Optimierung des Angebots, auch Cookies Dritter. Die Speicherung von Cookies kann in den Browsereinstellungen unterbunden werden. Mehr Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mehr Infos Verstanden!
RSS Suche YouTube Facebook Twitter slashCAM-Slash