Frage von mann:hey folks,
für eine doku möchte ich mehrere Personen interviewen, eine von diesen (zeitgeschichtliche Person/Politikerwitwe) ausführlich; die doku möchte ich vermarkten. Gehe ich recht in der Annahme, daß in solchen Fällen eine Art (schriftliche) Einverständniserklärung von den Betreffenden gegeben wird? Und zwar vorab?!
Ich meine, sonst besteht ja die Möglichkeit, daß der Betreffende sich beispielsweise nach dem Schnitt die Sache anders überlegt und dann die Arbeit für die Katz ist....
Gibt es Standard-Vereinbarungen/Verträge, die man irgendwo günstig erhalten kann?
muchas graçias für jeden Tip!
Antwort von Andreas_Kiel:
Hi, ja das ist üblich. Ich würde Deinem Gegenüber raten, den Vertrag so abzufassen, daß auch nach dem Schnitt noch ein Einspruchsrecht bestünde: es kommt ja bekanntlich darauf an, in welchem Kontext die Aussagen des Interviewten stehen.
In der Vereinbarung müßte demnach schon festgehalten sein, zu welchem Zweck das Interview dient. Dann würde ich vereinbaren, daß der Schnitt das Rohmaterial nur kürzt, aber nicht sinnentstellend. Und eine Vorführung des Rohschnittes, den auch absegnen lassen. Dann sind beide Partner zufrieden und auf der sicheren Seite. Das Einspruchsrecht des Interviewten darf nicht "schikanös" ausgeübt werden, d.h. nicht ohne triftigen Grund (dazu zählt nicht: "keinen Bock mehr", wohl aber: "aus dem Zusammenhang gerissene Sätze"). Komplett kannst Du das Risiko eines Rückziehers aber nicht verhindern. Auch nicht per Vertrag; es gibt immer Gegebenheiten, die sich ändern können (sog. "Wegfall der Geschäftsgrundlage").
Wenn Du eine andere Einverständniserklärung bekommst, die vorbehaltlos abgegeben wurde, bekommst Du möglicherweise mehr Ärger, klingt paradox: ist aber so.
BG, Andreas
Antwort von Anonymous:
Und eine Vorführung des Rohschnittes, den auch absegnen lassen. Dann sind beide Partner zufrieden und auf der sicheren Seite.
Absegnen schriftlich, nicht wahr?
Allerbesten Dank im übrigen für Dein hilfreiches statement.
Antwort von Pianist:
Ich persönlich halte solche (schriftlichen) Verträge für ziemlich nutzlos und überflüssig. Der Interviewpartner gibt das Interview, und damit eine konkludente Einwilligung, das Interview zu verwerten und zu verbreiten. Er geht dabei vertrauensvoll davon aus, dass man das Interview nicht sinnentstellend verwendet und ihn nicht schlechter rüberbringt als er ist. Das ist ein mündlicher Vertrag. Und der reicht vollkommen aus. In meinen bisherigen 14 unternehmerischen Jahren in dieser Branche hatte ich mit dieser Verfahrensweise noch nie Probleme. Selbst wenn man schriftliche Verträge macht, kann jemand später zum Gericht rennen und aus irgendwelchen Gründen versuchen, die Verbreitung untersagen zu lassen. Entweder verhalten sich beide Seiten korrekt oder sie tun es nicht. Im ersten Fall braucht man keinen schriftlichen Vertrag und im zweiten Fall nützen alle schriftlichen Verträge sowieso nichts. Je mehr da drinsteht, womöglich noch von Nichtjuristen formuliert, um so mehr Hintertüren gibt es. Man könnte daraus fast ein elftes Gebot formulieren: "Du sollst keine überflüssigen schriftlichen Verträge schließen".
Matthias
Antwort von smooth-appeal:
Da hat der Pianist Recht. Wenn du das ganze mit einem Team durchziehst habt ihr soviel Stimmgewalt, dass euch ein guter Anwalt vor Gericht besser da stehen lässt als eine vier köpfige Familie die gegen euch klagt.
Wenn du das alleine machst und jemand mit Zeugen gegen dich klagt wäre ein mündlicher Vertrag wiederum weniger gut vor Gericht zu verteidigen.
Wenn man "ethisch" korrekt arbeitet wird man im Normalfall aber wohl auch nicht verklagt. Es sei denn du filmst ungefragt Leute aus dem Hinterhalt heraus und verwertest dieses Material... Da gibt es einige Gerichtsurteile zu ;-)
Antwort von mann:
Ich persönlich halte solche (schriftlichen) Verträge für ziemlich nutzlos und überflüssig. (…) Je mehr da drinsteht, womöglich noch von Nichtjuristen formuliert, um so mehr Hintertüren gibt es". Matthias
Klingt auch schlüssig, diese Sichtweise. Man könnte es ja ganz kurz formulieren, beispielsweise: "Ich gebe mein Einverständnis, daß das Interview von einem beliebigen TV-Sender gesendet wird." Dann verbleibt die interviewte Person mit dem Gefühl einer verbindlichen Verpflichtung, und wird sich reiflicher überlegen müssen, ob sie morgen statt hü wieder hott sagt.
Ich könnte -im jetzigen Stadium der Planung- vielleicht nicht völlig aussschließen, daß Druck auf den Interviewten ausgeübt wird, um weitere Öffentlichkeit in dem Fall zu vermeiden. Das wäre unter Umständen möglich. Deshalb möchte ich gut dastehen, wenn es zu entsprechender Meinungsänderung bei der interviewten Person kommen sollte.
Es handelt sich hier im übrigen um einen (zurückliegenden) politischen Skandal im europ. Ausland, der zwar schon in Printmedien aber noch nicht im TV dargestellt wurde. Während der anfänglichen staatsanwaltlichen Ermittlungen bzw. unterlassenen Ermittlungen wurde ein Zeuge eliminiert, kurz bevor er aussagen wollte; deshalb nun noch mit möglichen Pressionen jedweder Art zu rechnen ist nicht völlig abwegig. Deswegen auch mein Absicht, mich wenigstens hinsichtlich des Interviews etwas abzusichern.
Antwort von PowerMac:
Das ist richtig. Solche Verträge sind unüblich. Die konkludente Einwilligung reicht aus und ich selbst kenne keinen Fall, wo es damit Ärger gab. Ganz allgemein empfehle ich die Standard-Literatur zu Presserecht.