Frage von commander:Hallo.
Ich suche für ein Referat zum Thema Filmbeleuchtung herausragende Filmbeispiele. Im Sinn habe ich Szenen wie in Kubricks "Barry Lyndon", die Low-Key Aufnahmen bei reinem Kerzenschein. Aber auch andere gute Filmbeispiele für verschiedene Beleuchtungsszenarien.
Wem Beispiele einfallen, bitte posten!
Danke!!
Antwort von Anonymous:
Da hast Du eigentlich den besten Film erwischt, wobei die Kerzenszenen zwar revolutionär waren, aber bei dem Objektiv auch nicht weiter verwunderten. Guck Dir mal die restlichen Szenen und deren Beleuchtung an. Eigentlich kannst Du jeden Film von Kubrick für das Referat nehmen, insbesondere 'Eyes Wide Shut'.
Unter diesem Link gibt es ein Interview mit John Alcott zu Barry Lyndon. Auch der Rest ist was für Kubrick-Fans.
http://www.visual-memory.co.uk/sk/2001a/bl/page1.htm
Welchen Schwerpunkt hat das Referat denn?
Antwort von commander:
Erstmal danke für die fixe Antwort, schön ein solch aktives Forum zu haben.
Das Referat halte ich im Fach AV-Gestaltung und soll Licht und Filmbeleuchtung im Allgemeinen behandeln. Die drei Schwerpunkte werde ich auf die physikalischen Grundlagen (Farbtemperatur, weiches & hartes Licht, Reflexionen etc), sowie gestalterischen Grundlagen (Lichtaufbau, Plastizität, 3-Punkt Licht etc) und eben die Beispiele aus der Filmgeschichte setzen.
Aber du hast recht, eigentlich sind Kubricks Filme schon fast ausreichend, habe aber gerade noch ein paar Screenshots von Welles "Citizen Kane" gemacht. Bin aber natürlich noch auf der Suche nach weiteren "Schmankerln".
Danke für den Link, werde mich gleich ans lesen machen.
Antwort von Axel:
Kubrick war ein Pionier und Genie in Sachen Filmlicht, nicht nur durch Barry Lyndon, er versuchte bei jedem Film, das Kino neu zu erfinden. Bis dahin gab es im Spielfilm Beleuchtungsregeln, die sehr wenig über die Wahrnehmung von Licht reflektierten und sich hinter professioneller Arroganz verschanzten. Es sind wohl auch selten die "Meisterleistungen" beim Film, die uns begeistern, sondern die absoluten Überflieger, die sagen: "Es hat in der Vergangenheit funktioniert - na und? Für die Zukunft brauchen wir etwas Besseres!"
Es wäre allerdings ebenso arrogant, gutes Handwerk als Arbeit von der Stange abzutun. Auch ein Autorenfilm braucht in der Regel das Teamwork. Der "director of photography" leistet durch seine Lichtsetzung einen Beitrag zum Gelingen des Films. Kreativität ist gefragt, aber im Dienste der Sache, nicht um ihrer selbst willen. In dieser Filmbuchreihe erzählen u.a. die Kameramänner von dieser Aufgabe:
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 26-4382655
Ich finde die Bücher sehr gelungen, anschließend erkannte ich großartige Einzelleistungen in eher schwachen Filmen.
Antwort von Axel:
Der Link funktionierte nicht, habe ihn erneuert.
Antwort von commander:
Ja, über Kubrick denke ich genauso, auch wenn man Bücher über ihn liest oder die Dokumentation "A Life in pictures" gesehen hat, spürt man seinen Perfektionismus und den Drang den Film neu zu erfinden.
Besonders die Lichtgestaltung in seinen Filmen und ich meine damit nicht nur die Ausleuchung des Sets im klassichen Sinne, sondern auch das Licht als grafisches Element einzusetzten (siehe 2001: A Space Odyssey, Sequenz Zeit und Raum) macht ihn diesbezüglich zu einem Pionier.
Danke für die Buchempfehlung, bisher habe ich nur das "Lehrbuch zur Filmgestaltung" von Pierre Kandorfer zur Hand, welches gut die technischen und theoretischen Hintergründe erklärt, aber wenig angewandetes oder gestalterisches durchleuchtet.
Antwort von Axel:
bisher habe ich nur das "Lehrbuch zur Filmgestaltung" von Pierre Kandorfer zur Hand, welches gut die technischen und theoretischen Hintergründe erklärt, aber wenig angewandetes oder gestalterisches durchleuchtet.
Dieses Buch ist dogmatisch und konservativ zum Ersticken! Und der Autor weiß es selbst nicht einmal, er erklärt ja nur den Status quo der professionellen Filmproduktion. Fairerweise muß man sagen, daß natürlich die Technik in den letzten drei Jahrzehnten einige Sprünge gemacht hat. Trotzdem ist das Ergebnis Hausmannkost, als würde man Kochbücher aus den 50ern (Das Kochbuch der guten Hausfrau) mit einem Buch "von" Jamie Oliver vergleichen, dem wahrscheinlich eine Gewürzwaage fremd ist.
In diesem Buch
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 53-6830964
, in dem es ebenfalls um technische/gestalterische Grundlagen bei der Filmbeleuchtung geht, wird ebenfalls zunächst jede Abweichung von der klassischen Anordnung nahezu als Ketzerei hingestellt. Zum Glück werden am Ende drei lebende Kameramänner interviewt, die praktisch unisono sagen, sie hätten diese Lehrmeinungen durch Erfahrung
überwunden.
Sehr erhellend ist z.B., was Axel Block zu
Der Name der Rose sagt:
AB: Ein klassisches Beispiel für eine grandiose Fehlbesetzung (des Kameramanns Tonino Delli Colli, d.A.) ist meiner Meinung nach "der Name der Rose".
Author: Warum?
AB: Einem Regisseur (J.J.Annaud, d.A.), der versucht, so authentisch wie möglich zu sein, so als hätte man damals gedreht, dem kann man nicht einen Kameramann geben, der aus der Studiotradition kommt und auch so dreht. (....)
Author: Der Film spielt doch im doppelten Sinne in einer lichtlosen Zeit. Es wird alles nur von Ölfunzeln beleuchtet.
AB: Damit hat er aber nicht gearbeitet, sondern mit einem Inky von dort, einem Dachl hier, einer Kante von da. Ein klassisches Licht, ohne Frage ein sehr gekonntes Licht. (...)
Author: Hätten Sie hier jemanden geeigneter gefunden (...) ?
AB: Ja, jemanden, der in dieser Richtung mehr gearbeitet hätte, nicht mit diesen Studioeffekten. (...)
Author: Was meinen Sie mit Studioeffekten?
AB: Die klassische Ausleuchtung, Führung, Kante, Aufhellung, (...)
Bedingt durch gering empfindliches Filmmaterial, langsame Optiken und eine sehr frühe Aufgabenteilung, wurden die Lichtsetzer im klassischen Kino zu Spezialisten, die die Regeln ihrer Zunft festschrieben. Heutige Kameramänner sind freier in der Wahl ihrer Mittel, aber sie sind eher Puristen als die Gründer, weil sie nicht darauf angewiesen sind und es ablehnen, ihre Bilder schablonenhaft auszuleuchten. Stattdessen nehmen sie die menschliche Wahrnehmung, die ja sehr trügerisch ist, zum Vorbild und spielen damit.
Kandorfer und seine Spießgesellen hätten z.B. Orson Welles sicher gerne aufgefordert, jenen
newsreel-Teil im intro von Citizen Kane neu zu drehen, in dem einige Aufnahmen (u.a. von Kanes Privatzoo) sehr weit hinter dem Niveau der
matte paintings dieser Zeit zurückbleiben. Es macht Spaß, sich ein Remake vorzustellen, das unserem Stand der Film- und Tricktechnik entspricht ... (Auch heute gilt: Alles, was technisch möglich ist, wird auch gemacht. Löbliche Ausnahme ist Peter Jackson. Der wandelnde Baum sieht aus wie mit StopMotion aufgenommen, der gebrochene Staudamm hat nichts von Petersons Maya-Riesenwellen und sogar der Zoo im Intro von King Kong sieht aus wie ein
matte painting.)
Wie auch immer, um Citizen Kane auszuleuchten, brauchte es einen Handwerker (wie auch für Barry Lyndon). Man muß die klassische Beleuchtung verstehen und beherrschen, um sie um neue Möglichkeiten zu erweitern.