Linux kanns schon lange, Apple so lala und Windows bringt seit dem Erscheinen von Vista eine separate 64 Bit Version mit. Gerade bei der Videobearbeitung können die theoretischen Vorteile der erweiterten Prozessor-Architektur enorm sein. Doch warum eigentlich?
64-Bit fähige Prozessoren gibt es schon seit einigen Jahren und wer heute einen neuen Rechner kauft, bekommt praktisch kein System mehr, das diesen Modus nicht unterstützt. Wer einen der folgenden Prozessoren sein eigen nennt, kann auf jeden Fall mitspielen:
Intel NetBurst-Prozessoren:
- Intel Xeon (Einige Modelle seit dem "Nocona"-Kern)
- Intel Celeron D ( Einige Modelle seit dem "Prescott"-Kern)
- Intel Pentium 4 (Einige Modelle seit dem"Prescott"-Kern)
- Intel Pentium D (Alle Modelle)
- Intel Pentium Extreme Edition (Alle Modelle)
Intel Core-Prozessoren
- Intel Xeon (Alle Modelle seit dem "Woodcrest"-Kern)
- Intel Core 2
- Intel Pentium Dual Core (E2140, E2160, E2180, E2200, E2220, T2310, T2330, T2370, and T2390)
- Intel Celeron (Celeron 4x0; Celeron M 5xx)
- Alle Intel Atom-Modelle
AMD-Prozessoren
- AMD Athlon 64
- AMD Athlon 64 X2
- AMD Athlon 64 FX
- AMD Opteron
- AMD Turion 64
- AMD Turion 64 X2
- AMD Sempron ("Palermo" E6 und alle "Manila" Modelle)
- AMD Phenom
Eine Frage des Betriebsystems
Jedoch lassen sich die neuen 64-Bit-Vorteile nur nutzen, wenn auch das Betriebssystem mitspielt, was bisher noch kaum der Fall war. Seit dem Erscheinen von Vista erhält man als Käufer des Betriebssystems optional eine 64 Bit-Version, die man alternativ installieren kann. Unter Linux sind 64-Bit übrigens schon die Regel und auch Apple unterstützt seit Leopard schon größtenteils 64-Bit-Anwendungen. Allerdings nicht so mit allen Bibliotheken, weshalb man diese Umsetzung noch eher als „Work in Progress“ verstehen darf.
Wie auch immer: Mit speziell angepassten Programmen ließen sich somit schon heute alle Vorteile der 64-Bit Architektur nutzen, was besonders im Videobereich für satte Leistungssteigerung sorgen könnte.
64 Bit Vor- und Nachteile
Die drei dicksten Vor- und auch Nachteile dieser neuen Architektur für den Videoschnitt möchten wir daher hier einmal in Kurzform anreißen (damit man als slashCAM-Leser auch mal mitreden kann:).
1. Mehr addressierbarer Speicher
32-Bit Betriebssysteme können maximal 4 GB Ram als Hauptspeicher ansprechen. Vor kurzem war dies noch eine unvorstellbare Menge Speicher, doch heute bekommt man 4 GB RAM teilweise schon unter 40 Euro. 32-Bit Windows kann übrigens meistens sogar nur 3 GB verwalten und lässt mehr RAM einfach links liegen. Mehr RAM bedeutet, dass der Rechner mehr HD-Einzelbilder im Hauptspeicher halten kann und diese nicht von der deutlich langsameren Festplatte laden muss. Außerdem können so mehrere Anwendungen (oder auch nur eine Anwendung mit vielen Threads wie After Effects) gleichzeitig geöffnet sein, ohne dass Teile des Speichers auf die Festplatte ausgelagert werden müssen. Der Rechner wird durch mehr Speicher schneller und fühlt sich flüssiger an.
2. Registerzuwachs
Der eigentliche und größte Vorteil liegt aber in den neuen und größeren Registern des Prozessors im 64-Bit Modus. So erhöht sich einerseits schon durch die Verdoppelung der Registerbreite von 32 auf 64 Bit die Möglichkeit sehr viel größere Zahlen und Farbräume in einem Prozessortakt abzuarbeiten. Anwendungen, die auf die so genannte Integerarithmetik angewiesen sind (also nur mit Ganzzahlen hantieren), profitieren sehr davon, dass Multiplikationen mit ganzen Zahlen größer als 32 Bit werden können. Dies trifft zum Beispiel auf Kryptographie, aber auch extrem auf Audio- und Videobearbeitung zu.
Es stehen außerdem im 64-Bit-Modus doppelt so viele SSE-Register zur Verfügung. Damit kann der Prozessor doppelt so viele Variablen im Kern behalten, anstatt diese aus dem deutlich langsameren RAM-Speicher oder Caches zu holen. Komplexe Berechnungen werden hierdurch deutlich beschleunigt, wenn das Programm diese zusätzlichen Register geschickt nutzt. Hierfür muss man als Programmierer allerdings meistens intensiv von Hand optimieren.
3. Nachteil – Speicherverbrauch
Ein Nachteil der neuen 64-Bit Architektur soll allerdings auch nicht verschwiegen werden: Da alle Speicheradressen 64-Bit statt 32-Bit breit sind, benötigt deren Speicherung auch doppelt soviel Platz. Außerdem müssen bei Speicher-Bewegungen zwischen Speicher und Prozessor doppelt so viele Bytes bewegt werden. Sichtbar wird dies unter anderem bei den ausführbaren Programmdateien, die in der Regel ca. 30 Prozent größer sind. Dieser Effekt kann die Ausführungsgeschwindigkeit der Programme etwas bremsen.
In der Praxis
Windows Vista 64 führt sowohl 32-Bit- als auch 64-Bit-Anwendungen gleichzeitig aus. Für einen Anwender sollte es daher eigentlich gar keine Frage sein, einfach die 64-Bit-Version auf den eigenen Rechner zu installieren. In der Praxis gibt es jedoch immer wieder Probleme mit Treibern, die im 64-Bit-Modus nicht hundertprozentig funktionieren wollen. Gerade bei Videoschnittkarten, die am ehesten von 64-Bit profitieren könnten, sieht die Versorgung mit 64-Bit Treibern leider noch sehr mager aus. Und auch für ältere, lieb gewonnene Hardware, die man nicht neu anschaffen will, gibt es oft keine geeigneten Treiber.
Ein Henne-Ei-Problem
Aufgrund dieser Treiber-Problematik wagen nicht viele Anwender die Installation eines 64-Bit Windows-Betriebssystems. Besonders nicht, solange sie sich davon keinen (Geschwindigkeits-)Vorteil gegenüber einem stabilen 32-Bit System versprechen dürfen. Doch solange nur wenige Anwender 64-Bit Systeme installiert haben, ist es natürlich auch für einen Hersteller nicht interessant eine spezielle 64-Bit Version seiner Software zu erstellen und parallel zu pflegen.
Adobe selbst hat mit der CS4 gerade einmal Photoshop unter Windows 64 Bit fit gemacht. Bei Apple setzt Adobe leider auf viele alte Apple-Bibliotheken, die vorerst nicht 64 Bit tauglich sind. Dadurch ist hier bis zur CS5 auch keine 64 Bit Anpassung zu erwarten. Wie stark sich die übrigen Vorteile eines 64 Bit Betriebssystems auf solch unangepasste 32 Bit Versionen auswirkt ist sehr unterschiedlich. Meistens gewinnen die Programme im besten Fall 10-20 Prozent, wenn Ihnen mehr als 4 GB Speicherplatz zur Verfügung steht. After Effects ist hier ein schönes Beispiel.
Im Open-Source Bereich (besonders unter Linux, das schon länger auch mit 64-Bit läuft) sieht es dagegen ganz anders aus. Hier laufen viele Programme allein dadurch mindestens 30 Prozent schneller, dass diese ohne große Modifikationen neu für 64-Bit übersetzt wurden. In Spezialfällen wurden Programme allein durch die größere Registeranzahl nach Handoptimierung bis zu 400 Prozent schneller!
Da ich selber gerade auch wieder etwas unter die Programmierer gegangen bin, kann ich solche Zahlen übrigens wirklich aus eigener Erfahrung bestätigen. Wer mit SSE-Prozessoroptimierung ans Werk geht, kann durch Nutzung der zusätzlichen 64 Bit Register wirklich nochmal richtig Dampf machen. Nur lohnt sich eine solche (ziemlich aufwändige) Optimierung heute aufgrund der kleinen User-Base aus kommerzieller Sicht noch praktisch nie.
Fazit
Ohne großen Aufwand könnten wohl fast alle Softwarehersteller leicht Performancesprünge von bis zu 30 Prozent erzielen, ohne dass der Anwender neue Hardware anschaffen müsste, wenn sie ihre Programme nur als „echte“ 64 Bit Version ausliefern würden. Gerade in der Videobearbeitung sollten durch geschickte Programm-Optimierung auf 64-Bit auch Geschwindigkeitssteigerungen von bis zu 200 Prozent möglich sein, wenn die Hersteller hierfür nur einen Markt sehen würden. Schade, dass dem momentan (noch) nicht so ist, denn die Hardware vieler aktueller Rechner liegt dadurch momentan zur Hälfte einfach nur brach und könnte viel mehr Performance liefern, als aktuelle 32-Bit-Software gerade ausnutzen kann.