Test JVC GY-HM100 – Der Apple Camcorder?

JVC GY-HM100 – Der Apple Camcorder?

Die GY-HM100 von JVC bringt in einem interessanten Preisbereich eine Menge innovative Konzepte für eine semiprofessionelle Kamera mit. Endlich hat sie sich auch in unserem Testlabor eingefunden.

// 12:58 Fr, 24. Jul 2009von

Die GY-HM100 von JVC bringt in einem interessanten Preisbereich eine Menge innovative Konzepte für eine semiprofessionelle Kamera mit. Endlich hat sie sich auch in unserem Testlabor eingefunden.





Schon beim Auspacken fällt die Zwitterposition der Kamera deutlich ins Auge. So ist sie (wohl auch aufgrund der 1/4-Zoll-Bildwandler) kleiner als jedes vergleichbare Sony-, Panasonic- oder Canon-Modell ausgefallen. Als Kamera lässt sich die GY-HM100 somit sehr bequem transportieren und ist schnell auch ohne Stativ einsatzbereit.



JVC GY-HM100 – Der Apple Camcorder? : cam1


Dennoch finden sich auf der Außenhaut viele wichtige Funktionen als Knöpfe für den Direktzugriff. Funktionen wie Weißabgleich, Gain, ND-Filter und drei User-Tasten werden dabei von einem doppelt belegten Fokus-Zoom-Objektivring unterstützt. In der Ausführung sind viele Bedienelemente dabei sehr klein geraten, was die Bedienung mit großen Händen manchmal fummelig macht.






Satte Audio-Ausstattung

Gerade die Audio-Anschluss-Möglichkeiten dürften für viele Semi-Profis verlockend sein. Neben dem internen Mikrofon lassen sich Kopfhörer und Mikrofone auch über Miniklinken direkt an den Camcorder anschließen. Wer den mitgelieferten Mini-Henkel auf die Kamera schraubt, bekommt zusätzlich echte XLR-Eingänge, die sich komplett über manuelle Regler steuern lassen. Hierbei kann man nicht nur zwischen Line/Mic-Empfindlichkeit umschalten: Auch eine Phantomspeisung ist pro Kanal zuweisbar und beide Kanäle sind über Potentiometer getrennt austeuerbar. Als Bonus ist zusätzlich noch ein einfaches Mono-Richtmikrofon im Lieferumfang. Und ebenfalls opulent: Es wird neben einem Netzteil zum internen Laden auch ein externes Akkuladegerät mitgeliefert.






Problemkind Weitwinkel

Der Weitwinkel von umgerechnet 39mm Kleinbildformat ist etwas mager und in diesem Preisbereich eigentlich etwas unterdimensioniert. Zumal man ja keine Wechselobjektive anbringen kann. Im äußersten Weitwinkel tritt dabei die Tonnenverzerrung auch merklich in der Aufnahme hervor, wie das folgende Beispiel zeigt:



Die diversen Fensterrahmen und Rohre sollten eigentlich gerade verlaufen.
Die diversen Fensterrahmen und Rohre sollten eigentlich gerade verlaufen.


Es ist zwar nicht sonderlich dramatisch, fällt aber gerade bei bewegter Kamera auch ungeübten Augen auf. Viele aktuelle Camcorder verzeichnen mittlerweile in diesem Weitwinkelbereich praktisch gar nicht mehr.





Auch der aufsteckbare Minikompendium-Sonnenschutz wird nirgendwo arretiert, und wirkt schon von Beginn an etwas wackelig. Es ist zu vermuten, dass dieser nach mehrmaligem ab und anstecken schnell ausleiert. Neben diesem kleinen Detail wirkt die übrige Verarbeitung der Kamera äußerst wertig und solide.






Bedienung

Über einen Umschalter am Objektiv lässt sich der Objektivring alternativ zum Zoomen oder zum Fokussieren benutzen. Die Übertragung auf den Servomotor geschieht dabei jedoch mit einer leichten Latenz, die man durchaus bemerkt, wenn man Objektive mit direkter Übertragung gewohnt ist. Aber besser als Menü-Bedienung ist dies allemal.



Die Blende lässt sich an der Rückseite der Kamera zusammen mit der Belichtungszeit justieren, jedoch wirkt die Einstellung über die Wippe etwas zeitraubend gegenüber einem Ring. Dafür verstellt man die entsprechenden Einstellungen auch nicht versehentlich.






Gegen den Trend -CCDs statt CMOS

Schön (und aus Marketing-Sicht sicherlich nicht ungewollt) ist der Einsatz von drei CCD´s (!!) hinter dem Objektiv. Nachdem sich viele Filmer nach wie vor nicht mit der CMOS-Technologie wegen der Rollig-Shutter-Problematik anfreunden wollen, gibt es hier endlich wieder eine aktuelle Alternative.



Der Bildstabilisator greift nur mäßig in das Geschehen ein. Wer einmal gesehen hat, wie aktuelle Top-Consumer Camcorder hier mittlerweile zupacken können, wünscht sich sicherlich mehr. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ihn JVC sehr Tief im Menü vergraben hat. Auch auf einen Custom-Key lässt er sich nicht legen.






Format-Universalist

Bei den Formaten ist die Kamera ein wahres Universalgenie. So beherrscht sie neben der Aufzeichung in Sonys Profi-Format XDCAM EX mit 35 Mbit/s als auch noch HDV-kompatible Videostöme. Dazu kann der Anwender wählen, ob er diese Dateien in Quicktime-Containern für Final Cut Pro oder als MP4-File für den PC speichern will. Dabei sollte man diese Unterscheidung durchaus erst nehmen. Denn während wir mit den Quicktime-Files wirklich direkt in der Final Cut Pro Timeline öffnen konnten, waren diese auf dem PC nicht zu lesen. Die alternativen MP4 Container konnten dagegen problemlos in Premiere CS4, Edius 5 und Vegas 9 importiert werden.



Da alle Formate auf MPEG2 basieren, gerät der Schnitt deutlicher flüssiger als AVCHD. Man kann sogar direkt von der Speicherkarte über einen SDHC-Lesegerät am PC oder Mac losschneiden. Bequemer geht es wohl kaum. Dazu unterstützt die HM100 neben 50Hz-Frameraten auch 60 Hz-Modi - in dieser Preislage eine Seltenheit. Allerdings ist bei der Umschaltung immer ein Neustart der Kamera vonnöten, was aufgrund der gebotenen Möglichkeiten jedoch sicherlich zu verschmerzen ist.






Traumkombination - XDCAM EX auf SDHC-Karte

Die Krönung der Flexibilität sind jedoch die zwei SD-Karten Slots. Ohne auf teuere Speicherlösungen setzen zu müssen, können herkömmliche Class6 SDHC-Speicherkarten als Aufzeichungsmedium zum Einsatz, was die Kamera wirklich einzigartig macht. Der Stabilität tut dies scheinbar keinen Abbruch, zumindest hatten wir im zweiwöchigen Testzeitraum keinerlei Probleme mit verlorenen Frames oder ähnlichem. Dazu sind die Slots Hot Swap-fähig ausgelegt.


Hierbei kann die jeweils nicht aktive Speicherkarte im laufenden Betrieb ausgetauscht werden, ohne die Kamera auszuschalten.






Display et al.

Beim Display und Sucher wurde nur Durchschnittware verbaut. Beide sind mit ca. 200.000 Pixeln nicht sonderlich scharf und das Display ist mit 2,8 Zoll etwas kleiner ausgefallen, als der ausklappbare Rahmen beherbergen könnte. Die drei Custom-Keys sind dagegen eine echte Arbeitserleichterung. Zebra und Peaking dürften dabei wohl bei den meisten Anwendern einen Stammplatz einnehmen, der dritte Button bleibt dann immer noch individualisierbar.



Auch bemerkenswert: Ein voll geladener Akku in der Kamera, blieb auch noch nach über einer Woche voll geladen. Das ist mehr als eine Selbstverständlichkeit. Die neuen Sony EX-Kameras saugen dagegen auch im ausgeschalteten Zustand die Akkus leer.








Einstellungssache(n)

Obwohl es eine Knee-Funktion gibt, fehlt das Schwarz-Pendant Black Strech. Dafür lassen sich neben Cingamma auch normale Gammawerte einstellen, sowie diverse Farbmatrizen zuweisen, wodurch man das Bild grundsätzlich schon sehr gut in den Griff bekommen kann. Sogar die künstliche Nachschärfung lässt sich separat vertikal und horizontal einstellen.



Ebenfalls praktisch für manchen Spezialfall. Die Kamera kann mehrere Clips in eine einzige zusammenhänge Datei schreiben. Dass die Audio-Aussteuerueng im Menü nur in fünf Stufen kennt ist weniger tragisch, da zusätzlich der Audio Referenzpegel zwischen -12 und -20dB umschaltbar ist und ja auch externe Potentiometer beim Einstellen helfen. Zusammen mit den integrierten Timecode-Funktionen, dürften Profis an den theoretischen Einstellmöglichkeiten der Kamera wenig auszusetzen haben. Der Timecode unterstützt sogar Userbits, mit dem sich kurze Informationen in den Stream schreiben lassen (z.B. Kamera-Nummer oder Aufzeichnungsort). Dies erleichtert später im Schnitt die Sortierung enorm.






Zur Bildqualität

Bei wenig Licht liefert die Kamera nur sehr dunkle Bilder ab. Die zuschaltbare LoLux-Funktion ist wohl mit einer Art Hypergain bei reduzierter Framerate vergleichbar, erhöht aber auch das Rauschen drastisch und ist somit keine echte Kompensation für die Low-Light Schwäche.


Auffällig ist neben der etwas geringen Schärfe vor allem die Verzeichnung im sowieso schon schwachen Weitwinkelbereich. Die Kamera liefert äußerst satt eingestellte Farben. Und nicht nur das, im Messlabor zeigt die Kamera dazu eine enorme Farbdifferenzierung, wie wir sie bei einem 4:2:0-System bis dato noch nicht gesehen haben. Doch diese fabelhaften Messergebnisse dienen nicht unbedingt der Bildqualität. Folgender Grafik zeigt die Unterschiede eines aufgenommenen Chroma-Sweeps. Einmal mit der HM100 und einmal mit der JVC X900, die sich hier ebenfalls sehr gut schlägt.



Chroma-Sweep JVC HM100 vs. X900, Abbildung 1 zu 1.
Chroma-Sweep JVC HM100 vs. X900, Abbildung 1 zu 1.


Während die X900 die Farbunterschiede relativ natürlich abbildet, scheint die HM100 eine extreme Chroma-Nachschärfung zu betreiben, welche die Kanten unnatürlich und teilweise auch mit falschen Mustern falsch wiedergibt. Doch nun die kommentierten Messergebnisse im einzelnen...





Aus dem Messlabor

Bei der Auflösung liegt die JVC HM100 ungefähr auf dem Niveau einer optimalen 720p-Kamera. Gegenüber guten 1080i-Modellen fehlt also das letzte Quäntchen Schärfe.



Luminanzauflösung
Luminanzauflösung



Im direkten Sichttest fallen vor allem auf dem ISO-Chart die leichte Nachschärfung sowie geringe Skalierungs-Moires in dem Testkreis ins Auge.



ISO-Testbild
ISO-Testbild



Bei der Farbauflösung überrascht der enorm hohe Pegel der HM100. Dies sorgt für farbige Abstufungen bis in die feinsten Details, scheint jedoch durch eine Art digitaler Scharfzeichung im Chroma-Kanal erzeugt zu werden.



Chrominanz-Auflösung
Chrominanz-Auflösung





Trotz geringem Weitwinkel zeigt das Fujinon-Objektiv eine sichtbare Tonnen-Verzeichung, die für unseren Geschmack in dieser Preisklasse einen Tick zu stark ausfällt.



Objektiv-Verzeichnung
Objektiv-Verzeichnung



Sehr poppige Farben in der Werkseinstellung sind schon seit jeher ein Markenzeichen von vielen JVC-Modellen. Bei Bedarf lassen sich diese in den Einstellungen durchaus etwas zurückfahren.



1200 Lux
1200 Lux



Bei wenig Licht sieht die HM100 praktisch nichts mehr. Hellt man das Bild künstlich auf, sieht man dazu einen starken Rückgang der Schärfe. Auch die zusätzliche Super-LoLux-Funktion bewirkt keine Wunder.



12 Lux
12 Lux



Das interne Mikrofon rauscht bemerkenswert schwach und beschneidet die Höhen nur moderat. Für noch mehr Qualität bürgen die externen Anschlussmöglichkeiten.



Störgeräusche
Störgeräusche







Fazit

Die Aufzeichnung professioneller Dateiformate, wahlweise als Quicktime oder MP4 auf günstige SDHC-Karten überzeugt vollkommen. Einen besseren Workflow haben wir bis heute an noch keiner anderen Kamera gesehen. Auch die üppige Ausstattung versteht in dieser Preisklasse zu gefallen, was auch für das mitgelieferte Zubehör gilt. Doch leider trüben ein paar nicht unerhebliche Details das schöne Gesamtbild: Mit der etwas geringeren Schärfe könnten wir noch gut leben und auch die knalligen Farben lassen sich in den Griff bekommen, aber die Low-Light Fähigkeiten sind in dieser Preisklasse doch etwas zu schwach geraten und auch das Objektiv passt nicht zur verbauten Technologie. So wenig Weitwinkel bei dazu noch sichtbaren Verzeichnungen sorgen für Minuspunkte. Dennoch muss man vor JVCs Innovation insgesamt den Hut ziehen. Hoffentlich findet dieses neuartige SDHC-Multi-Formatkonzept mehr Nachahmer.



Alle technischen Daten sowie Testbilder zur GY-HM100 findet Ihr wie immer in unserer Datenbank.


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