Nachdem unser letzter MacPro Test ja große Wellen geschlagen hatte, haben wir einmal bei HP angefragt, ob man uns für einen ähnlichen Preis wie die mittlere Mac Pro-Austattung (ca. 6500 Euro) eine vergleichbare Workstation zusammenstellen könnte. Bei der Komponentenauswahl hatte HP freie Hand, wobei wir darauf hingewiesen haben, dass wir eher den GPU-Ausbau, denn den CPU-Ausbau fokussieren würden. Nachdem jedoch bei den Grafikkarten zur Konfiguration keine Consumer-Lösungen wie NVidias Titan/GTX 780 oder AMDs R9-Serie zur Verfügung standen, hat sich HP entschlossen eher auf die CPU zu setzen. Wie sich später zeigte, vielleicht auch nicht die schlechteste Wahl...
Schon beim Aufstellen zeigt die HP Z620 Muskeln. Das Gewicht der Workstation liegt mit rund 17 kg deutlich über normalen PCs. Kein Vergleich zum neuen MacPro, den man über Nacht auch mal gerne schnell in einen Tresor hieven kann. Positiv gesehen: Ein solcher Rechner kann auch nicht ohne weiteres im Vorbeigehen aus einem Büro geklaut werden. Mit den Tragegriffen ohne scharfe Kanten hat man den Rechner zwar gut in der Hand, jedoch rennt man damit untrainiert wohl keine 100 Meter weit. Einer der Griffe ist in das Gehäuse eingearbeitet, der andere lässt sich aus- und einklappen.

Die dadurch vorhandene, eckige Gehäuseform steht diametral zu Apples Tonnen-Form. Und das nicht ohne Grund, denn die Z620 lässt sich auch quer in ein genormtes Rack einbauen und verbraucht dort exakt 4HE Platz.

Die Verarbeitung der HP Z620 ist tadellos. Über einen Klappmuschelgriff an der Seite lässt sich die Seitenwand ohne Werkzeug öffnen und legt das sehr durchdacht gestaltete Innenleben frei. Alle Kabel sind an den Wänden verlegt, wodurch sämtliche Komponenten gut zugänglich bleiben. Die meisten Komponenten wie Festplatten/SSDs/GPUs und andere PCI-Karten lassen sich ebenfalls werkzeuglos tauschen und sitzen durch entsprechende Gehäuse-Klammern dennoch bombenfest.

Das Herz unserer Konfiguration bestand aus einem Intel Xeon Processor E5-2670 v2. Hierbei handelt es sich um einen 10 Core-Prozessor mit 25MB Cache und 2,5 GHz Basistakt. Eine zweite CPU + RAM können über ein optionales CPU & Memory Module nachgerüstet werden, jedoch war diese Platine bei uns nicht vorhandenn. Gegenüber der großen, bekannteren (und teureren) Schwester Z820 verfügt die Z620 jedoch nur über ein 800W-Netzteil und nur zwei 2 PCIe x16 Gen3 Slots. Für diese stehen auch nur jeweils ein zusätzlicher PCI-6pin Stromstecker zur Verfügung, weshalb man richtige GPU-Monster mit 6+8pin Stromanschlüssen in dieser Workstation gar nicht normgemäß betreiben kann. So gesehen wieder passend war unsere Z620 mit zwei NVidia Quadro K4000 GPUs mit je 3GB RAM bestückt. Diese stellen bei rund 2x80W Stromverbrauch zusammen ca. 2500 GFlops Rechenleistung zur Verfügung. Was das in der Praxis bedeutet klären wir in kürze.
Für weitere Ausbau-Eskapaden stehen noch 1 PCIe x8 Gen3, 1 PCIe x8(x4) Gen2, 1 PCIe x4(x1) Gen2 sowie 1 PCI Slot(s) zur Verfügung. Für RAM stehen außerdem 12 DDR3 ECC Speicherslots bereit. Erweitert man die Workstation durch die die Zusatzplatine um eine zweite CPU so stehen sogar 16 DIMM Slots zur Verfügung, jedoch fällt dafür der PCI Express Gen2 x4(1)-Slot weg.
Unser Test-System war mit 32GB DDR3-RAM und einer 256 GB SSD bestückt. So ausgestattet kostet sie auch ca. 6500 Euro. Ein vergleichbarer MacPro für 6.500 Euro hätte nur einen 8 Core Xeon-Prozessor, allerdings mit 3 GHz Basistakt und ebenfalls 25 MB Cache. Ebenso gäbe es 32 GB RAM, 256 GB PCI-SSD und 2 AMD D700 GPUS mit 6GB und zusammen etwa 7 TFlops. Bei fast identischer CPU-Prozessorleistung bekommt man bei Apple für dieses Geld also fast die dreifache GPU-Leistung und doppelt so viel GPU-RAM.
Die HP Z620 in der Praxis
DaVinci Resolve war schnell installiert, allerdings meckerte es trotz zwei verbauter Nvidia Quadro K4000 GPUs keine CUDA-Hardware zu finden. Windows meldete dagegen nach einem Test in der Systemsteuerung, die GPU-Treiber seien auf dem neuesten Stand. Nvidias Webseite selbst trieb uns dabei ein weiteres mal in den Wahnsinn, da sie keinen direkten CUDA-Treiber Download kennt, sondern nur das CUDA-Dev-Kit mit über 1GB-Größe, in dem die neuesten CUDA 6-Treiber stecken (die DaVinci 11 neuerdings benötigt). Hiermit gelang dann auch das reibungslose Zusammenspiel mit DaVinci. Und eben in Resolve zeigt sich auch die GPU-Ausstattung der Z620 etwas nachteilig. Bei GPU-intensiven Nodes wie MotionBlur oder Noise-Reduction lagen die DUAL Quadro K4000 Ausstattung ungefähr auf dem Niveau einer einzigen (!!) GTX 770/4GB.
Allerdings sorgen die 10 XEON CPU-Kerne beim Decodieren von 4K ProRes-Material einer Blackmagic Production Camera für reibungslose 24P-Bearbeitung. So ließen sich immerhin fünf einfache Farbkorrektur-Nodes hintereinander schachteln, bevor die 24fps einbrachen. Und auch das Scrubben gelingt butterweich auf der Resolve-Timeline. Unser schon etwas betagtes, hauseigenes Testsystem mit Core i7-2600K schafft es dagegen nur äußerst knapp mit 24 fps überhaupt der GPU einen in Echtzeit decodierten 4K-Videostrom zur Verfügung zu stellen. Hierfür mussten wir die CPU auf 4,2 GHz übertakten. Für einen runden 4K-ProRes Workflow in DaVinci sollte es daher mindestens ein 6 Core-Prozessor ab 3 GHz sein.
Für AVC-4K Dateien von Sony oder Panasonics GH4 helfen unter DaVinci auch die 10 Xeon-Cores nicht. Hier gelingt auch der HP-Workstation keine Decodierung über 20 fps. Meistens ruckeln die Clips so zwischen 17 und 19 fps vor sich hin. Und verhalten sich damit kaum besser, als auf unserem Quad-Core i7-Testsystem. Der Grund könnte in der schlechten Multithreading-Implementation von FFMpeg liegen, auf das DaVinci Resolve zurückgreift.
Denn unter Premiere CC ist die Leistung der Z620 schon deutlich ausgewogener. Gegenüber DaVinci können hier dank hochoptimierter Codecs nicht nur stark komprimierte Sony und Panasonic 4K-AVC Dateien mit bis zu 50p ruckelfrei wiedergegeben werden, auch reicht die Leistung der DUAL K4000 für die meisten Echtzeit-Effekte der Mercury Engine. Zur Ehrenrettung von DaVinci muss man aber auch sagen, dass Premiere erst gar keine enorm rechenintensiven GPU-Motion Blur oder Noise-Reduction Realtime-Effekte anbietet.
Unter unserem After Effects-Benchmark schlägt sich unsere Z620-Konfiguration dann mit 42 Sekunden sogar deutlich besser, als die gleich teure Apple MacPro-Ausstattungsvariante (ca. 48 Sekunden) und kommt damit sogar dicht an Apples aktuelle 12 Core-Austattung heran (39 Sekunden).
Die Lautstärke des Systems blieb dabei auch bei hoher Systemlast sehr niedrig, jedoch ist das System auch in einem ruhigen Raum bei keiner Systemauslastung immer leicht hörbar, da hier mehrere konstante Lüfter zwar leise, aber noch vernehmbar ihr Werk verrichten. Der MacPro war dagegen ungestresst praktisch immer unhörbar.
Fazit
Wie schon aufgrund der Ausstattungsliste zu erwarten, bekommt man bei der Konfiguration einer Marken-Workstation von HP im Preisbereich um die 6.500 Euro auch nicht mehr geboten, als bei beim aktuellen MacPro. In unserem Fall etwa waren dies etwas mehr CPU-Prozessorleistung und dafür deutlich weniger GPU-Rechenkraft. Dem Vorteil der leichten Erweiterbarkeit im Bereich CPU, RAM und SSDs steht das deutlich klobigere Design-Konzept gegenüber Apples Kompakt-Tonne entgegen. Bei der GPU-Leistung kann das Gehäuse mit seinem 800W-Netzteil dabei kaum 2 GPUs über je 2.000 TFlops versorgen, da diese in der Regel mehr als einen 6pin-PCI-Stromstecker benötigen. Für GPU-Spezialfälle bleibt damit wohl die HP Z820 der Spezialist im HP-Portfolio, deren Barebone jedoch noch eine Preisklasse höher angesiedelt ist. Auf der Haben-Seite steht ganz klar die professionelle Verarbeitung des Gerätes, die Zertifizierung sowie die möglichen Service-Verträge im professionellen Produktionsumfeld. Wer jedoch selber etwas vom PC-Schrauben versteht kann nach wie vor eine ähnliche Systemleistung deutlich günstiger bekommen. Nur eben nicht von HP oder Apple.
Hier unser Test der HP Z620 mit zwei anderen Workstation-Grafikkarten, nämlich der AMD FirePro W8100 und der FirePro W9100