Wie bereits im ersten Teil versprochen wollen wir in diesem zweiten Artikel einmal das Verhalten einiger DSLMs betrachten, wenn sie als Webcam über USB zum Einsatz kommen. Herbei wollen wir unter anderem besonderes Augenmerk auf die Latenzen legen, deren Relevanz wir ebenfalls im ersten Artikel beschrieben haben.
Referenz-Latenzen
Bevor wir eine Einschätzung zu den einzelnen Kameras liefern, wollten wir zuerst einmal wissen, was man denn überhaupt an Latenzen in aktuellen Geräten vorfindet. Hierfür haben wir -aus Kompatibilitätsgründen- auf diversen Geräten die Latenzen in Skype gemessen. In erster Linie, weil das Programm auf jeder Plattform ähnliche Einstellungsmöglichkeiten bietet. Allerdings könnte es sein, dass beispielsweise auf dem Mac andere Videokonferenz-Programme deutlich besser optimiert sind. Denn bei Skype auf einem Macbook Pro von 2018 maßen wir die schlechtesten Latenzen einer integrierten Webcam (ca. 230 ms). Die schnellste Webcam begegnete uns mit ca. 65 ms in einem Lenovo Legion Y540 Gaming Laptop. Tatsächlich war hier auch das Live-Webcam Gefühl subjektiv deutlich besser als bei allen anderen Modellen. Die meisten Webcams lagen in Skype jedoch zwischen 100 und 150 Millisekunden. Mit diesen Zahlen im Hinterkopf haben wir uns einmal an ein paar "echte" Kameras mit USB-Webcam-Funktion gemacht...
Panasonic DC-S5
Die Panasonic Lumix Webcam Software war bis zum Erscheinen dieses Artikels immer noch Beta, mit einem Releasedatum vom September letzten Jahres (Ver.0.9.0.2). Panasonic will bei der Installation der Beta-Version unter Windows Administratorrechte. Nachdem der Download aus einer zuverlässigen Quelle stammt und nur mittels Eingabe der eigenen Kamera-Seriennummer gestartet werden kann, ist das Malware-Risiko hier zwar relativ gering. Dennoch sollte man sich bewusst sein, dass man hiermit Panasonic praktisch unbeschränkte Rechte auf seinem Rechner zugeteilt, die andere Hersteller nicht benötigen oder einfordern.
Die Anzahl der unterstützten Kameras ist dabei eher durschnittlich und viele ältere Klassiker, denen man hiermit noch einmal einen zweiten Lebenssinn gönnen könnte, werden aktuell nicht unterstützt. Momentan funktionieren "nur" folgende Modelle: DC-BGH1, DC-S1R, DC-S1, DC-S1H, DC-S5, DC-GH5S, DC-G9, DC-GH5 sowie die DC-G100/110.
Wir haben für unseren Test eine aktuelle DC-S5 genommen. Diese zeichnet sich gegenüber vielen Konkurrenten durch ein noch ziemlich einzigartiges Feature aus: Während sie über USB-C mit einem PC verbunden ist kann sie auch gleichzeitig über diese Verbindung mit Strom versorgt werden. Es ist dabei nicht ganz klar, wie viel Strom sie hierfür zieht und bei uns funktionierte das ganze auch nur, wenn ein Akku im Fach war. Dieser leerte sich bei uns jedoch wirklich nur unmerklich, sodass diese Lösung definitiv praxistauglich ist.
Negativ fanden wir dagegen, dass bei Panasonic keine Audioaufzeichnung über die Kamera erfolgen kann. Ein zusätzliches Mikrofon ist damit nicht nur Pflicht, sondern man muss sich zusätzlich mit Lösungen zu einem korrekten Audiosync herumschlagen. Dies kann je nach genutzter Videokonferenz-Software ein leichtes bis undankbares Unterfangen sein.
Dafür spielte sich die DC-S5 bei den Latenzen an die Spitze unserer Test-Modelle. Unter Skype erzielten wir ungefähr 130 Millisekunden.

Sigma fp
Die Sigma fp macht auf den ersten Blick sofort alles richtig: Stöpselt man die Kamera per USB an den Rechner, so muss man nur an der Kamera den aufpoppenden Menüpunkt "Videoklasse (UVP)" wählen. Anschließend steht die Kamera ohne weitere Installation zusätzlicher Software oder Treiber sofort unter Windows zum Einsatz als Webcam bereit.
Und nicht nur das. Gegenüber den meisten Konkurrenten bietet sie auch noch die Möglichkeit, das Audiosignal der Kamera als Mikrofon-Input zu nutzen. Das garantiert eine synchrone Übertragung von Bild und Ton.
Die einzige Schwachstelle der Sigma fp sehen wir in der USB-C Unterstützung. So kann die Kamera nicht mit einem einzigen USB-C Kabel mit Strom versorgt werden und gleichzeitig Daten übertragen. Damit in längeren Sessions nicht der Akku überraschend ausgeht, ist daher ein Dummy-Akku mit externen Stromversorgung eine sinnvolle Investition. Schade, dass SIGMA keine elegante USB-C Einkabellösung unterstützt. Denn mit der gerade vorgestellen Sigma fp L soll dies nun möglich sein.
Bei der Latenz unter Skype lieferte die Sigma fp mit ungefähr 150 ms ein nur durchschnittliches Ergebnis.

Canon EOS R6
Zwar lassen sich die Canon-Kameras nicht wie die Sigma fp ohne Treiber als Webcams nutzen. Dafür ist das Canon EOS Webcam Utility schon als finale Version erhältlich und unterstützt auch eine erstaunlich große Menge älterer Modelle. Dies sind exakt: EOS-1D X Mark III, EOS-1D X Mark II, EOS-1D X, EOS-1D C, EOS 5DS R, EOS 5DS, EOS 5D Mark IV, EOS 5D Mark III, EOS 6D Mark II, EOS 6D,EOS 7D Mark II,EOS 7D, EOS 90D,EOS 80D,EOS 77D,EOS 70D,EOS 60D, EOS 850D, EOS 800D, EOS 760D, EOS 750D, EOS 700D, EOS 600D, EOS 250D,EOS 200D,EOS 100D, EOS 2000D, EOS 1300D, EOS 1200D,EOS 1100D, EOS 4000D, EOS R5, EOS R6, EOS Ra, EOS R, EOS RP, EOS M6 Mark II,EOS M50 Mark II, EOS M50, EOS M200, PowerShot G5 X Mark II, PowerShot G7 X Mark III sowie die PowerShot SX70 HS (uff).
Nach der unspektakulären Installation lassen sich die Canon Cams wie eine Webcam direkt in Apps wie Skype auswählen und ansprechen. Leider bietet auch Canon kein Audio-Embedding des Kameratons und überlässt damit dem Anwender das schwierige Thema einer korrekten Audio-Synchronisation. Mit 150 Millisekunden war die Latenz einer aktuellen Canon EOS R6 unter Skype durchschnittlich. Auch die Stromversorgung ohne Akku via USB-C zum PC wollte uns nicht gelingen.

Auch noch wichtig: Eine Frage der Verbindung
Auch wenn wir eigentlich davon ausgehen würden, dass bei den erforderlichen Datenraten die Latenz-Unterschiede zwischen verschiedenen Verbindungsarten nicht groß abweichen sollten, wurden wir empirisch während unserer Tests eines besseren belehrt. Tatsächlich bekamen wir in unseren Tests die besten Latenzen mit einer "nativen" USB-C auf USB-C Verbindung. Kabel mit PC-seitigem USB 3.x Anschluss funktionierten dabei auf den ersten Blick zwar genauso unauffällig, zeigten jedoch immer wieder Ausreißer bei den Latenzen (nach oben). So haben wir bei Canon über einen USB-3.1 Anschluss beispielsweise 220ms Latenz gemessen, die bei Übertragung via USB-C auf 150 ms sank.
Wer daher den Einsatz einer Großsensor-Kamera als Webcam plant, sollte daher unbedingt auch auf eine schnelle USB-C <-> USB-C Verbindung achten.
Fazit
Auch wenn DSLMs mit großen Sensoren definitiv in Videokonferenzen ein besseres Bild als kleine Webcams liefern können, ist deren Einsatz keinesfalls ohne Tücken. So sorgen nicht nur die deutlichen Latenzen zwischen 130 und 150 Millisekunden für einen Abfall der Kommunikationsqualität. Auch bei Funktionen wie Audio-Synchronität oder USB-C-Konnektivität/Stromversorgung ist noch viel Luft nach oben. Vom interaktiven Gefühl einer Webcam mit 65ms Latenz sind alle Kandidaten deutlich entfernt. Dafür gelingen tatsächlich deutlich ansehnlichere Bilder, für die man häufig Bewunderung vom Gegenüber erntet.
Eine wirklich "schnelle" Großsensor-Kamera mit niedrigen Latenzen und "embedded Audio" würde in unseren Augen auf eine echte Marktlücke treffen. Nämlich für alle, die online einen besonders guten Eindruck hinterlassen wollen. Bei Neukunden- oder Bewerbungsgesprächen dürfte eine auffallend gute Interaktionsqualität sicherlich einen nicht unerheblichen Mehrwert darstellen.
Wir werden uns bezüglich interessanter Kameras und Lösungen noch weiter umsehen und freuen uns auch über sachdienliche Hinweise im hier angehängten Thread...