Die EOS R5 konnte ja bereits mit ihren Rolling Shutter Zeiten positiv zu überraschen. Doch viele Anwender - die statt 8K eher größere Sensel wie bei der Sony A7S-Serie bevorzugen - dürften die kleinere EOS R6 weitaus interessanter finden. Diese bietet jedoch in vielerlei Hinsicht ein anderes Bild...
Nicht nur wir finden eine gut konstruierte 4K-Kamera in der Regel nützlicher als ein 8K-Modell. Denn bei 8K Sensoren fällt grundsätzlich die Dynamik der einzelnen Bildpunkte geringer aus und die notwendigen Ressourcen in der Nachbearbeitung vervierfachen sich. Für 4K-Projekte erscheint uns ein 5K-Sensor wie bei der EOS R6 dagegen nahezu ideal, unter anderem weil hiermit ein heruntergesampletes 4K-Debayering ohne starke Aliasing-Artefakte möglich ist.
Gegenüber der R5 besitzt die R6 jedoch weder RAW noch 4K Slow-Motion Frameraten mit über 60 Bildern pro Sekunde. Grundsätzlich erinnert die Hardwarebasis stark an die EOS 1D-X MkIII, die zusätzlich RAW beherrscht, jedoch im Gegenzug den Dual Pixel AF nicht mit 50/60fps nutzen kann.

Gegenüber der EOS 1D-X MkIII kann die R6 auch nur 4K UHD (mit 3840 Horizontalpixeln) aufzeichnen und unterstützt das breitere 17:9 C4K-Format nicht. Das hat zur Folge, dass in 4K auch nicht die ganze Sensorfläche bei der Aufzeichnung genutzt wird, sondern nur ca. 5,1K von der 5,5K Horizontalauflösung. Der horizontale Crop-Faktor der R6 bei der 4K-Aufnahme liegt somit bei 1,06. Immerhin kann auch intern mit 10 Bit 4:2:2 aufgezeichnet werden.
Rolling Shutter
Von dem Profimodell mit Spiegel erbt die Canon EOS R6 zudem auch ein leicht sonderbares Rolling Shutter Verhalten:
Wie schon bei der R5 erstaunt uns das grundsätzlich gute Ergebnis von 16ms für den kompletten 5,1K Sensorreadout. Das ist ein sehr guter Wert für einen Kleinbild-Vollformat-Fotoapparat. Allerdings ist dieser Wert auch notwendig, um den Sensor 60 mal in der Sekunde voll auslesen zu können. (16ms x 60 = 960ms). Und leider ist dieser Wert nicht durchgängig, sondern fällt auf mäßige 31ms sobald man mit 24, 25 oder 30 fps aufzeichnet. Und das bedeutet Jello- und Wobble-Effekte, sobald man mit szenischen Frameraten arbeitet.
Es ist jedoch etwas voreilig von diesen Auslesezeiten auf das thermischen Verhalten der Kamera zu schließen. Auch wenn die Kamera offensichtlich mit 24-30 fps weniger thermische Probleme zeigt als mit 50-60 fps. Denn vor allem werden in 50/60p doppelt so viele Daten ausgelesen und müssen auch entsprechend im DSP verarbeitet werden, was viel Hitze erzeugt. Ob die Kamera wirklich signifikant heißer werden würde, wenn der Sensor in 24p auch mit 16 ms ausgelesen werden würde, lässt sich nicht plausibel behaupten. Denn nach jedem 16ms Auslesevorgang hätte der Sensor in 24-30p ja auch wieder 16ms "Pause", die er bei 32ms Dauerreadout nicht gegönnt bekommt. Und die Menge der ausgelesenen Daten bleibt ja unterm Strich die gleiche.
In HD liegen die Rolling Shutter Zeiten ebenfalls sehr nahe bei den Werten der 1D X MkIII: Und zwar haben wir ca. 11,5 ms von 24-60fps gemessen, mit 100-120fps runde 7 ms.
Das Debayering in 4K
Wie schon zu erwarten war, gelingt der Canon EOS R6 bei einem leichten Crop-Faktor von 1,06 ein sehr gutes Debayering:

Zarte Detailfilterung und nahezu keine Artefakte sprechen für einen szenischen Einsatz der Kamera. Das Debayering bleibt dabei in allen 4K-Frameraten von 24-60fps gleich. Interessant ist, dass sich im Videomodus auch noch ein digitaler Video Stabilisator nutzen lässt, der ca. 10 Prozent der Randpixel zum Verwackelungsausgleich nutzen kann. Dem Debayering schaden diese 10 Prozent fast nicht:

Damit ist bei Canon eine Kombination von bewegtem Sensor, stabilisierter Optik und Randpixelausgleich nahezu ohne 4K-Qualitätsverlust möglich. Nur von der erweiterten Funktion des Digital IS sollte man die Finger lassen, denn diese "raubt" dem Sensor ungefähr ein Drittel seiner aktiven Sensorfläche und liefert mangels genügend Senseln dann kein sehr ansehnliches Debayering mehr:

Das Debayering in HD
In HD nutzt die EOS R6 gegenüber 4K wirklich die gesamte Breite des Sensors und zwar durchgehend von 24-120p:

Das Sensorverhalten bleibt auch hier über alle Frameraten gleich. Allerdings liefert die Kamera in HD kein perfektes Debayering ab, sondern es treten einige Skalierungs-Artefakte (z.B. in den Kreisen) zu Tage. In den meisten Fällen dürfte es daher immer sinnvoller sein, in 4K zu filmen und das Material anschließend in der Nachbearbeitung auf FullHD herunterzuskalieren. Es sei denn man benötigt zwingend die geringeren Rolling Shutter Zeiten oder eine extreme Slow Motion Einstellung mit 120fps.
Fazit Signalverarbeitung Video
Alleine vom messtechnischen Standpunkt aus kann man der Canon EOS R6 grundsätzlich ein sehr gutes Sensor-Verhalten attestieren. Das 4K-Debayering ist sehr gut und in 50/60p ist der Rolling Shutter ebenfalls auf cinematischem Niveau. Wer die R6 allerdings für szenische Aufnahmen nutzen möchte, muss anschließend in der Nachbearbeitung wieder jeden zweiten Frame löschen, denn die 24-30p-Modi sind durch die hohen Rolling Shutter Zeiten weniger brauchbar. Kein Beinbruch, aber auch ein unnötiger Workaround bei einer Kamera über 2500 Euro.
Doch eine Kamera ist natürlich mehr als nur der Sensor: In Kürze folgen weitere Einschätzungen von uns (u.a. zum thermischen Verhalten, zur Stabilisierung und dem Autofokus).