Die Ursa Mini 4.6K von Blackmagic Design verfügt über Zebra-, False Color- sowie Histogramm-Anzeigen. Wie funktionieren diese Belichtungs-Tools, welche Strategien bieten sich für die optimale Belichtung (ETTR vs False Color) an und wie viele Blenden Reserve ergeben sich in der Praxis?
Kurz vorab: Die URSA Mini 4.6K ist für uns in erster Linie eine RAW-Kamera. Sie bietet als eine der wenigen S35 Cine-Kameras am Markt die interne Aufzeichnung von RAW ohne Zusatzrecorder an und genau das sehen wir als einer ihrer großen Vorteile. Wer sich bei RAW um zu hohe Datenraten sorgt, findet im von uns hier auch bei allen Aufnahmen genutzten 4:1 Raw eine Datenrate, die bei gleicher Auflösung fast genau der von ProRes HQ entspricht. Alle hier gemachten Aussagen beziehen sich in Erster Linie auf RAW (4:1) Aufnahmen.
False Color
False Color stellt unserer Meinung nach die mächtigste, kamerainterne Funktion für die Beurteilung von Belichtung zur Verfügung. Ihr Vorteil liegt in einer schnellen Erfassung der Verteilung von Licht über den gesamten Bildausschnitt im Gegensatz zur nur selektiven Erfassung von bsp. Zebra-Levels.

Die selektive Funktionsweise von Zebra ist hingen auch ihr Vorteil, weil sie auch während der Aufnahme genutzt werden kann, was bei False Color max. nur mal kurz zwischendurch möglich ist, wenn man nicht "blind" drehen möchte.
Auch für eine möglichst schnelle Einrichtung von Licht am Set eignet sich die False Color Anzeige hervorragend. False Color mag zwar nicht so genau sein, wie wenn man extern eine Spotmessung auf Graukarte oder diverse Lichtmessungen vor Ort vornimmt – aber um zu prüfen, ob das Kontrastverhältnis zwischen Highlights und Schatten in einer Szene passt oder ob großflächige Schatten- und Lichtbereiche bereits problematisch werden, gibt es derzeit kaum ein schnelleres, effektiveres Tool.
Die False Color Funktion der Ursa Mini 4.6K lässt sich auf vier unterschiedliche Weise aufrufen:
1. via Kameramenü „MONITOR / LCD / FALSE COLOR ON/OFF
2. via Kameramenü „MONITOR / Fron SDI / FALSE COLOR ON/OFF
3. via Kameramenü „MONITOR / Main SDI / FALSE COLOR ON/OFF
4. via zuvor im Kameramenü „SETUP / SET FUNCTION BUTTON / False Color“ zugewiesener Funktionstaste
Die False Color Funktion (und das Zebra-Signal) kann bei der Blackmagic Design Ursa Mini 4.6K nicht auf ein bestimmtes Signalprocessing gelegt werden. Das bedeutet, es funktioniert (anders als bsp. bei ARRI) unabhängig von einer eingestellten, internen LUT.
Wer bereits an anderen Kameras mit False Color gearbeitet hat, dürfte sich trotzdem auch bei der URSA Mini 4.6K schnell zurecht finden. Das grundsätzliche Farbschema bleibt gleich - auch wenn sie die Grenzen von Kamera zu Kamera leicht unterscheiden. Hier die False Color Tabelle von Blackmagic Design für die Ursa Mini:

Bei False Color liegen unserer groben Messung nach zwischen grün und blau ca. 6 Blenden und zwischen grün und gelb 6 Blenden. Eine Szene, in der sowohl blau als auch gelb vorkommt hat also mind. 12 Blenden Dynamikumfang.
Bei der False Color Belichtung ist für unseren Zusammenhang vor allem die eine Blende oberhalb der normierten Middle Grey Belichtung interessant: Also die rosa Farbkodierung für die postulierte optimale Belichtung kaukasischer Hauttypen. Ob das tatsächlich auch die „beste Belichtung“ im Zusammenhang mit Hauttönen bedeutet, versuchen wir im Kapitel weiter unten „ETTR vs False Color“ zu klären.

Für einen schnellen Zugriff auf die False Color Funktion der Ursa Mini 4.6 K empfehlen wir sie entweder auf einen der drei Funktionsbuttons des hervorragenden URSA OLED-Viewfinders zu legen oder - wenn dieser nicht zur Verfügung steht - auf einen der beiden Funktionsbuttons am Display. (Und da man eigentlich nie genug Funktionsbuttons haben kann, plädieren wir hier auch nochmal für Soft-Funktionsbuttons auf dem Touchdisplay - bei den RED-Displays funktioniert das ziemlich gut – aber das ist ein anderes Thema ...)
Zebra
Das Einstellen von Zebra-Levels dürfte nach wie vor die am weitesten verbreitetste Methode für die Kontrolle der Belichtung sein und dies zu Recht, weil sie durch freie Belegung der Schwellenwerte äußerste flexibel einsetzbar ist, während der Aufnahme schnell mal zum Highlight-Check herangezogen werden kann und sich auch für ETTR oder ETTR-nahe (85, 95 % Zebra) Belichtungsstrategien sehr gut eignet.

Die Ursa Mini 4.6 K verfügt über derzeit 1 globales Zebra-Setting, das drei unterschiedlichen Monitoring-Ausgängen (LCD, Front- und Main-SDI auch parallel) zugewiesen werden kann. Die Festlegung des ZEBRA-Levels erfolgt entweder im Menü „MONITOR / All / ZEBRA-LEVELS“ oder per Touchscreenmenü via Touch im linken oberen Fenstersymbol.
Die Zebra-Levels der Ursa Mini 4.6K lassen sich auf fünf unterschiedliche Weise aufrufen:
1. auf dem Touchscreen-LCD mit eine Klick auf das Symbol links oben in der Ecke
2. via Kameramenü „MONITOR / LCD / ZEBRA ON/OFF“
3. via Kameramenü „MONITOR / Front SDI / ZEBRA ON/OFF“
4. via Kameramenü „MONITOR / Main SDI / ZEBRA ON/OFF“
5. via zuvor im Kameramenü „SETUP / SET FUNCTION BUTTON / Zebra“ zugewiesener Funktionstaste
Die Zebra-Levels lassen sich bei der URSA Mini 4.6K in 5%-Schritten zwischen 75-100% einstellen. Wer etwas Puffer für einen entsprechenden Highlight Roloff haben möchte (was wir empfehlen) dürfte mit einem Wert zwischen 85 und 95 % gut beraten sein – mehr hierzu in nachfolgenden Abschnitten.
Externer Belichtungsmesser
Bei unseren Beispielen für unterschiedliche Belichtungsstrategien haben wir ebenfalls einen externen Belichtungsmesser mit dazugenommen. In diesem Fall den Sekonic L758 Cine Digitalmaster (ohne spezielles Profil). Dieser gibt uns über die direkte Lichtmessung (nicht Objektmessung) einen weiteren Anhaltspunkt im Vergleich zu den kamerainternen Tools.

Wir haben ihn außerdem dafür genutzt, um kurz mal zu schauen, ob die Belichtung von 18% Grau via internem False Color der Ursa Mini 4.6K beim gleichen Blendenwert ankommt, wie die entsprechende Objekt-Messung auf 18 % Grau mit dem Sekonic - was tatsächlich der Fall ist. Für uns ein Hinweis darauf, dass die Falsecolor-Funktion der Ursa Mini 4.6K akkurat arbeitet und sich damit auch gut im Team mit externer Belichtungsmessung verträgt.
Für unsere Tests nutzen wir gerne Belichtungsmesser wie den hier beschriebenen Sekonic, weil er eine zusätzliche, externe Referenz darstellt und wir ihn häufig auch einfach zur Bestimmung von Lichtmengen (LUX-Messung bsp. bei Lowlightaufnahmen) sowie für Kontrastverhältnisse (Light-Ratios) einsetzen können. Unserer Wahrnehmung nach befinden sich zwar Belichtungsmesser als Tool bei der Filmproduktion eher auf dem Rückzug (und werden zunehmend sowohl durch interne Belichtungstools (False Color s.o.) sowie hochwertige On-Set-Monitore ersetzt) – externe Belichtungsmesser können jedoch nach wie vor mit ihrer kompakten und flexiblen Anwendung punkten.
Histogramm
Schließlich sei noch kurz auf das interne Histogramm der Ursa Mini 4.6K hingewiesen. Unter den bisher vorgestellten Belichtungshilfen bei den meisten Kameras ein eher gröberes Werkzeug, das aber genauso wie die Zebrafunktion einfach mal nebenher mitlaufen kann und den Blick durch den Sucher bei weitem nicht so stark beeinflusst wie False Color.

Auch für das Histogramm gilt, dass vor allem ETTR Belichtungsstrategien - und dies mit einem kurzen Blick – schnell zu realisieren sind.
Belichtungsumfang der URSA Mini 4.6K
Wie viele Blenden kann man das RAW 4:1 Material der Ursa Mini 4.6K über- oder unterbelichten und trotzdem noch akzeptable Ergebnisse erzielen? Wir fragen hier also nach dem Belichtungsspielraum der Ursa Mini 4.6 (und nicht nach dem Dynamikumfang – was häufig verwechselt oder gleichgesetzt wird). Der Belichtungsspielraum liegt in der Regel unterhalb des Umfangs, den eine Kamera in einer Szene darstellen kann (=Dynamikumfang).
Eine Formel für die Beziehung zwischen Belichtungs- und Dynamikumfang lautet: Belichtungsumfang = Dynamikumfang der Kamera - Dynamikumfang des Motivs. Je höher der Dynamikumfang der Kamera, desto mehr Spielraum ergibt sich für den Belichtungsumfang und die hier besprochenen Belichtungsstrategien. Uns ist derzeit keine S35 Kamera in der Preisklasse der Ursa Mini 4.6K bekannt, die über einen höheren Dynamikumfang als die Ursa Mini 4.6 K verfügen würde – und dies bedeutet, dass wir bei der Ursa Mini 4.6K auch besonders viel Spielraum für unterschiedliche Belichtungsstrategien haben.

Wir haben bei unserem Ursa Mini 4.6K Test auch ein Paar Blendenreihen auf unseren Testkasten mit anschließender technischer Farbkorrektur geschossen – hier die Ergebnisse: Ausgehend von einer entsprechenden Belichtung auf 18% grau empfinden wir 4-5 Blenden Überbelichtung als noch gut und ohne Farbkorrektur-Tricks bei der Ursa Mini 4.6K in RAW 4:1 beherrschbar. Bei der Unterbelichtung würden wir die Grenze bei vollen 2 Blenden ziehen.

Werden 3 Blenden unterbelichtet würden wir erstmalig in der Postproduktion zur Noisreduktion in DaVinci Resolve greifen. 2 Blenden Unterbelichtung beurteilen wir als noch gut handlebar ohne Denoise-Eingriffe.
Diese Angaben entsprechen unserer Einschätzung und sind damit subjektiv: Das, was als Noise oder bei der Farbverschiebung oder bei der Belastbarkeit des Codecs/Formats noch als tolerierbar empfunden wird, variiert entsprechend und kann sich zudem auch noch von Szene zu Szene unterscheiden.
Unsere Daumenregeln für den Belichtungsspielraum der Ursa Mini 4.6 lauten bis Dato wie folgt:
- Wer die Ursa 4.6K Mini max 4-5 Blenden überbelichtet oder 2-3 Blenden unterbelichtet kommt damit noch davon (sofern man hierbei noch nicht im Clipping oder zu tiefen Schwarz ist)
- Bei False Color stehen bei der Einrichtung von Pink auf Hauttönen noch 4 Blenden nach oben zur Verfügung und 3-4 Blenden nach unten. Begrenzt wird diese Angabe wieder durch Highlight-Clipping bzw. zu tiefes Schwarz im Schattenbereich.
- Beim externen Belichtungsmesser via Lichtmessung am Gesicht für unkomplizierte BMD-LUTS in der Postproduktion gilt: Basis-Lichtmessung + 1 Blende weiter öffnen
ETTR vs False Color
Im Gespräch mit DOPs und Color-Artists kristallisieren sich immer wieder zwei ganz unterschiedliche Ansichten Pro&Contra ETTR heraus: Die einen wollen das rauschärmste Material und dies bedeutet die maximal mögliche Sättigung des Sensors: also ETTR, bzw, ETTR-nahe Belichtung. Dies dürfte die weitaus größere Gruppe sein.

Die Empfehlungen bei der Ursa Mini 4.6K liegen hier meistens in einer Spanne zwischen 85 und 95% IRE (Zebra-Levels) auf den Highlights (Ausreisser wie glänzende Metalloberflächen ausgenommen). Neben dem dadurch insgesamt minimiertem Rauschen fällt als angenehmes Nebenprodukt bei der Ursa 4.6K die Minimierung von Fixed-Pattern Noise in Lowlight oder dunklen Bildanteilen in Extremsituation an (wobei man hier sagen muss, dass die Ursa Mini 4.6K Fixed Pattern Noise vergleichsweise gut unter Kontrolle hat).




Es gibt aber auch die Fraktion, die sich explizit gegen ETTR ausspricht und lieber eine an den Hauttönen / Hauptmotiv orientierte Belichtung (an Stelle von Highlight-orientiert) bevorzugt.
Werkzeuge der Wahl wären bei der Ursa Mini 4.6 K hier die Anwendung der Falsecolor-Empfehlung (pink = kaukasische Hauttöne), bzw. externer Belichtungsmesser (und optional Graukarte). Das Hauptargument hier liegt in Bezug auf den finalen Film als Ganzes auf einer von Szene zu Szene konstanteren Belichtung der wesentlichen Bildmotive und damit eines durchgehend homogeneren Looks.




Die Argumente von beiden Seiten lassen sich unserer Meinung nach gut nachvollziehen. Eine wichtige Klärung bringt hier in der Regel eine Vorab-Besprechung mit Beteiligung von Regie, DOPs und Postproduktion über den angestrebten finalen Look und die dazu am besten passende Belichtungsstrategie.
Dies ist umso wichtiger, als Kameras wie die Ursa Mini 4.6K einen so hohen Dynamikumfang mitbringen, dass sich ETTR und False Color Belichtungen in der Praxis auch mal um bis zu 3 vollen Blenden unterscheiden können und dies merkliche Auswirkungen auf die Farbwiedergabe hat. Umgekehrt kann ETTR bei hohen Motivkontrasten auch zu Unterbelichtungen bei den Mitten führen.
ETTR-Belichtungen farb-, rauschkonsistent etc. anzugleichen kann in der Postproduktion deutlich zeitaufwendiger sein – das Ergebnis dafür qualitativ hochwertiger (wenn der Signal-Rauschabstand das primäre Qualitätskriterium darstellt). Entsprechend sollte man sein Budget (und seine Ansprüche) ausrichten.
Wer hingegen nicht die Zeit oder die Mittel für eine aufwendigere Farbkorrektur hat oder einfach an möglichst schnellen Turnarounds interessiert ist und trotzdem nicht auf RAW / LOG verzichten möchte, der dürfte mit der Anwendung der Blackmagic eigenen LUTs z.B. der BMD 4.6K Film to REC709 am schnellsten zu brauchbaren Looks kommen, wenn auf die entsprechende LUT hin belichtet wurde. Und dies ermöglicht bei entsprechenden Motiven am unkompliziertesten eine Belichtung via False Color auf Skintones.
Und hierzu abschließend sollte auch jedem klar sein, dass es sich bei der Belichtung um einen kreativen Prozess handelt. Es gibt hier kein richtig oder falsch, sondern nur eine für die Bilderzählung adequate oder weniger passendere Belichtung. Die hier genannten Methoden sind nicht in Stein gemeisselt – am besten hat man mehrere Parat und versteht ihre Funktionsweise für das Gesamtbild. So lassen sich dann aus unterschiedlichen Informationen Rückschlüsse für die Gestaltung der Szene ziehen und umsetzen: Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf „Gestaltung“ - Belichtung ist ein kreativer Akt – auch wenn technisches Wissen an dessen Anfang steht.
Daumenregeln Belichtung Ursa Mini 4.6K inkl. ETTR vs False Color
- Wer in der Lage ist beim Dreh vor Ort seine Lichtkontraste zu kontrollieren (mehr Licht, Abschattung durch Flags etc,) dürfte auch mit ETTR (85-95%) gut auskommen.
- Wer nur minimal sein Licht vor Ort kontrollieren kann, erhält eine konsistenterer Belichtung auf Hauttöne via False Color (Pink)– nimmt dafür - je nach Motiv - etwas höhere Noiselevels in Kauf – (Noise kann auch schick sein …)
- Wie häufig gilt: Wer das „cleanste Bild“ aus akzeptablen Skintones und geschützten Highlights benötigt, öffnet die Blende bei der False Color Anzeige beginnend bei „Pink“ für Hauttöne und stoppt bei „Gelb kurz vor Rot“ für Highlights.
- Beim externen Belichtungsmesser via Lichtmessung am Gesicht für unkomplizierte BMD-LUTS in der Postproduktion gilt: Lichtmessung + 1 Blende weiter öffnen
- Wer ETTR belichtet und in der Postproduktion die Gammawerte seiner Bilder nicht absenken sondern anheben muss, hat was falsch gemacht (– bzw. verloren. ;)
- Wer Szenen mit sehr hohem Kontrast aufnehmen muss und diesen nicht verändern kann, läuft bei ETTR Gefahr, seine Mitten (Hauttöne) zu stark unterzubelichten (s. vorherigen Punkt) – wer dann mehr als 2 Blenden nach oben korrigieren muss, bekommt Probleme
- Wer die Ursa Mini 4.6K max 4-5 Blenden überbelichtet oder 2-3 Blenden unterbelichtet kommt damit noch davon (sofern man hierbei noch nicht im Clipping oder zu tiefen Schwarz ist)
- Bei False Color stehen bei der Einrichtung von Pink auf Hauttönen noch 4 Blenden nach oben zur Verfügung und 3-4 Blenden nach unten. Begrenzt wird diese Angabe wieder durch Highlight-Clipping bzw. zu tiefes Schwarz im Schattenbereich.
- Wer großflächig bei der False Color Anzeige bereits in Lila (Black Detail Loss) hineingrät, kann in der Farbkorrektur seine Schatten nur noch minimal aufhellen, weil sonst (Fixed Pattern) Noise droht. Hier gilt es dann an der Lichtsetzung der Szene zu arbeiten und entsprechende Schatten zu vermeiden oder sie bewusst drin zu belassen.