Gute Action ist eine Herausforderung - und teuer
Ihr möchtet mit euren Filmen zeigen, dass man Hollywood-reife Action auch hierzulande produzieren kann, sogar mit geringen Mitteln. Woran hapert es denn eurer Meinung nach hauptsächlich bei der Action "made in Germany"?
(Vi-Dan:) Ein entscheidender Grund ist mit der Frage eigentlich schon angesprochen: „Cyberpunk 2077 Phoenix Program“ konnte nur als non-profit Projekt mit geringen Mitteln funktionieren. Hätten wir jedes Crewmitglied bezahlen müssen, wäre das Projekt locker in einem 3 Millionen Budget-Bereich gelandet und das nur für einen 40 min Quatsch Film :D. Das hätte kein Investor oder keine Filmstiftung bezahlt.
Leider ist Action immer mit hohen Kosten verbunden – von Vorbereitung, SFX, Safety, Stunt Requisiten bis zu VFX. Aber der größte Burner sind meistens die Zeit und das professionelle Stunt Team. Auch in Big Hollywood Blockbuster wird oft zu wenig Zeit in die Action investiert. Und das wird in Deutschland noch heftiger eingeschränkt. Gute Action-Sequenzen brauchen einfach Zeit, gute Planung und richtige Expertise. Das alles ist in Deutschland oft nicht gegeben.
Auch in Hollywood Produktion, an denen ich jetzt in den letzten Jahren arbeiten durfte, beobachte ich immer wieder dieselben Problematiken. Oft scheitert es an der Kommunikation, bzw. die Fusion zwischen Regie, Kamera, Stunt Department und Postproduktion läuft nicht gut.
Ich bin der Meinung, wenn man Action gut erzählen möchte, muss man eine klare Vision vor Augen haben. Es sollte auch nicht nur aus Sicht der Stunt - Kampfchoreographie gut aussehen, sondern auch hinsichtlich Kamera, Storytelling, Feeling und Schnitt gut gemacht sein. Auch der perfekteste Kick oder Schlag kann kacke aussehen, wenn es nicht richtig erzählt, eingefangen oder geschnitten wird.

Meiner Meinung nach ist Action eine der höchsten Formen des Filmmakings. Sehr viele Elemente müssen zusammenspielen, ansonsten funktioniert es nicht. Dazu gibt es die härtesten und kritischsten Zuschauer, die immer an allem meckern müssen. Da den richtigen Ton zu treffen ist nicht einfach - aber auch nicht unmöglich!
Ich glaube letztlich, dass es in Deutschland leider an Mut fehlt – Mut, etwas Neues auszuprobieren und die harte Challenge anzunehmen.
Das Filmprojekt hat im Laufe seiner Entstehung immer größere Dimensionen angenommen – was war ursprünglich geplant und warum habt ihr dann doch viel mehr bzw. länger gedreht?
(Vi-Dan:) Anfang Dezember 2019 hatte Ben (Maul Cosplay, der die Hauptrolle spielt) die Idee, einen Mash Up zwischen Keanu Reeves Filmen (Matrix, John Wick) und des Spiels Cyberpunk 2077 zu machen. Als ich frisch vom Marvel Shang Chi Dreh zurückkehrte, hatte ich wieder mal Bock auf ein freies Projekt. Ben plante eigentlich einen kleinen 5-10min Clip fürs Internet, doch das hat mir nicht gereicht. Ich wollte wieder was großes machen, wie unseren gemeinsamen Film Darth Maul Apprentice (2016). Ursprünglich war jedoch die Story von Cyberpunk 2077 Phoenix Program wesentlich kleiner und das Drehbuch bestand aus nur 6 Seiten.
Zunächst setzten wir den Dreh für 5 Tage in Januar an. Wir merkten schnell, dass wir an unsere Grenzen kamen und öffneten zwei weitere Drehblöcke à 3 Tage auf. Wie alle Produktionen mussten wir den Dreh dann plötzlich wegen Covid19 on hold stellen, dies war rückblickend aber zu unseren Gunsten. Wir nutzten die Pause um Sponsoren zu suchen und zu finden. Dank diesem Support war es möglich, 12 weitere Tage aufzumachen. Letztendlich landeten wir bei 17 Drehtagen und 3 halben Pickup-Tagen.
Aber um ehrlich zu sein, hätte ich gerne sogar noch mehr drehen wollen. Dabei ging es gar nicht mal darum, mehr Footage für den Film zu sammeln, sondern einfach mit Freunden an einem coolen Set zu sein und mehr zu lernen und auszuprobieren. Ich finde, man kommt heutzutage als Filmemacher generell viel zu selten und wenig dazu, am Set zu sein. Meistens sitzt man nur Tage und Nächte in Prepro oder am Schnittplatz und das als leidenschaftlicher Storyteller / Kamera-Guy, das ist schon sehr schade.

Also ihr habt die Corona-Situation im Frühjahr dazu genutzt, um das Projekt auch in Punkto Finanzierung anders anzugehen?
Michael Hilli: Ja genau. Vor dem ersten Corona Lockdown haben wir den Film nur mit eigenen finanziellen Mitteln umgesetzt. Weil unsere eigene Finanzlage aber auch unter der Corona Pandemie litt, sahen wir die Fertigstellung des Films ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung bedroht. Glücklicherweise fanden wir mit Jung von Matt / NERD GmbH einen starken Partner, welcher uns als Sponsoren die Marken Rockstar, BMW, Vodafone und Steel Series vermittelten konnte. So bekamen wir finanzielle Unterstützung, die wir jedoch rein für Transport, Unterkunft und Verpflegung verwendet haben, da es ein non-profit Projekt bleiben sollte.
Die Kampfszenen machen die hauptsächliche Handlung aus, ungefähr wie im Computerspiel. Sie könnten (bis auf den Blade Runner Look) teilweise genauso gut in einem klassischen Hongkong-Film zu sehen sein, finde ich -- Vi-Dan, wie hast Du das gelernt? Welches sind deine Vorbilder?
Gutes Auge! Blade Runner, Cyberpunk, John Wick, Donnie Yen und natürlich Jackie Chan waren unter anderem meine Referenzen, aber auch einige cinematic CG Game-Trailer und Filme.

Puuh, wie habe ich das gelernt? Kampfsport und Stunts mache ich schon seit meiner Kindheit und mit den Jahren habe ich gelernt, was für mich gut oder nicht gut in der Kamera funktioniert.
Ich habe insofern keinen “eigenen” Stil, sondern es kommt immer auf die Situation der Szene und der Charakter-Motivation an. Vor allem, ob die Action die Story antreibt oder nicht. In diesem Fall ist es natürlich SAUviel Action (und ich hoffe es wird nicht allzu langweilig :D), aber ich habe mir dabei sehr viele Gedanken gemacht, was ich genau in den Szenen erzählen möchte. Sei es teilweise nur “ok, hier müssen wir geile John Wick Action zitieren” oder “in dieser Szene müssen wir eine Waffe verlieren und die Brille, damit wir vom Hero die Augen revealen” oder “hier ist ein “Save the Cat” Moment, hier braucht es mehr struggle” etc.
Unter anderem lasse ich mich aber auch gerne am Set inspirieren und jede Choreographie steht für sich selbst. Ich versuche ständig etwas neues auszuprobieren, seien es Kamerafahrten oder Action Gags. Deswegen passierte es auch oft, dass ich am Set gefreestylt habe, das nannten wir dann “jazzen”.
In meinem Beruf als Action Designer konnte ich mich schon oft an dem ein oder anderen großen Filmsets austoben und fühle mich heute recht sicher in der Action-Inszenierung. Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen :)