Einen 40-minütigen, hochgradig actionlastigen Johnny Silverhand Fanfilm, der Elemente aus den Keanu Reeves Filmen Matrix / John Wick und dem Spiel Cyberpunk 2077 vermengt, mit wenig Budget zu realisieren, kann das gut gehen, noch dazu hier im "old Germany"? Es kann – wenn man weiß, wie es geht. Das Team von T7production um Vi-Dan Tran hatte schon mit "Darth Maul Apprentice" (2016, Regie: Shawn Bu) eine Kostprobe ihres Könnens gegeben – ein Star Wars Fanfilm, der mittlerweile an die 29 Mio. Aufrufe auf YouTube hat –, setzt nun mit dem Film "Cyberpunk 2077 Phoenix Program" jedoch nochmals einen drauf.
Denn selbst wer keine Ballerspiele mag, nur die Hälfte der Verweise versteht und/oder (wie wir) "Cosplay" erst einmal googlen muss, wird schnell erkennen: was hier an Action geboten wird, könnte sich ohne weiteres auch in einem echten Hongkong-Film sehen lassen. Und das ist kein Zufall, denn sowohl Vi-Dan als auch mehrere der beteiligten Kollegen sind Teil des Jackie Chan Stunt Teams. Dies hat in der Produktionsweise und den einfallsreichen und professionellen Action-Sequenzen eindeutige Spuren hinterlassen und auch der Witz, der für Jackie Chan charakteristisch ist, blitzt hier und da auf. Dennoch ist der Clip durchaus brutal, wie es das Genre wohl verlangt (sensible Gemüter seien hiermit vorgewarnt):
Der Film spielt in einer Science-Fiction-Welt – Cyberpunk halt – und somit ist auch die Ausstattung ziemlich ambitioniert, ebenso wie SFX / VFX. Tatsächlich haben bei „Cyberpunk 2077 Phoenix Program“ so viele Menschen mitgewirkt, teilweise weltweit verstreut, dass die Credit-Liste mehr als 10 Seiten umfasst.
Federführend war Vi-Dan Tran, verantwortlich für Drehbuch, Kamera und Schnitt sowie nicht zuletzt auch für die Action-Choreographie – er ist beruflich nicht nur mit Jackie Chan unterwegs, sondern als Stunt Experte und Action Designer zunehmend auch in Hollywood, zB. bei den kommenden Dune (2021) und Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings (2021 / Marvel).
Übrigens hatte er auch beim The Bond Projekt seine Finger mit im Spiel.
Wir haben Vi-Dan und seine Kollegen von T7production ein bißchen ausgefragt, wie das beeindruckende Projekt zustande kam und wie es gelingt, so gute Action zu drehen. Ohne allzu viel vorweg zu nehmen: musikalisch zu sein, scheint dabei ein großer Vorteil zu sein. Außerdem lest ihr hier unter anderem, wie man es schafft, 54 (!) Einstellungen pro Tag zu drehen…

Gute Action ist eine Herausforderung - und teuer
Ihr möchtet mit euren Filmen zeigen, dass man Hollywood-reife Action auch hierzulande produzieren kann, sogar mit geringen Mitteln. Woran hapert es denn eurer Meinung nach hauptsächlich bei der Action "made in Germany"?
(Vi-Dan:) Ein entscheidender Grund ist mit der Frage eigentlich schon angesprochen: „Cyberpunk 2077 Phoenix Program“ konnte nur als non-profit Projekt mit geringen Mitteln funktionieren. Hätten wir jedes Crewmitglied bezahlen müssen, wäre das Projekt locker in einem 3 Millionen Budget-Bereich gelandet und das nur für einen 40 min Quatsch Film :D. Das hätte kein Investor oder keine Filmstiftung bezahlt.
Leider ist Action immer mit hohen Kosten verbunden – von Vorbereitung, SFX, Safety, Stunt Requisiten bis zu VFX. Aber der größte Burner sind meistens die Zeit und das professionelle Stunt Team. Auch in Big Hollywood Blockbuster wird oft zu wenig Zeit in die Action investiert. Und das wird in Deutschland noch heftiger eingeschränkt. Gute Action-Sequenzen brauchen einfach Zeit, gute Planung und richtige Expertise. Das alles ist in Deutschland oft nicht gegeben.
Auch in Hollywood Produktion, an denen ich jetzt in den letzten Jahren arbeiten durfte, beobachte ich immer wieder dieselben Problematiken. Oft scheitert es an der Kommunikation, bzw. die Fusion zwischen Regie, Kamera, Stunt Department und Postproduktion läuft nicht gut.
Ich bin der Meinung, wenn man Action gut erzählen möchte, muss man eine klare Vision vor Augen haben. Es sollte auch nicht nur aus Sicht der Stunt - Kampfchoreographie gut aussehen, sondern auch hinsichtlich Kamera, Storytelling, Feeling und Schnitt gut gemacht sein. Auch der perfekteste Kick oder Schlag kann kacke aussehen, wenn es nicht richtig erzählt, eingefangen oder geschnitten wird.

Meiner Meinung nach ist Action eine der höchsten Formen des Filmmakings. Sehr viele Elemente müssen zusammenspielen, ansonsten funktioniert es nicht. Dazu gibt es die härtesten und kritischsten Zuschauer, die immer an allem meckern müssen. Da den richtigen Ton zu treffen ist nicht einfach - aber auch nicht unmöglich!
Ich glaube letztlich, dass es in Deutschland leider an Mut fehlt – Mut, etwas Neues auszuprobieren und die harte Challenge anzunehmen.
Das Filmprojekt hat im Laufe seiner Entstehung immer größere Dimensionen angenommen – was war ursprünglich geplant und warum habt ihr dann doch viel mehr bzw. länger gedreht?
(Vi-Dan:) Anfang Dezember 2019 hatte Ben (Maul Cosplay, der die Hauptrolle spielt) die Idee, einen Mash Up zwischen Keanu Reeves Filmen (Matrix, John Wick) und des Spiels Cyberpunk 2077 zu machen. Als ich frisch vom Marvel Shang Chi Dreh zurückkehrte, hatte ich wieder mal Bock auf ein freies Projekt. Ben plante eigentlich einen kleinen 5-10min Clip fürs Internet, doch das hat mir nicht gereicht. Ich wollte wieder was großes machen, wie unseren gemeinsamen Film Darth Maul Apprentice (2016). Ursprünglich war jedoch die Story von Cyberpunk 2077 Phoenix Program wesentlich kleiner und das Drehbuch bestand aus nur 6 Seiten.
Zunächst setzten wir den Dreh für 5 Tage in Januar an. Wir merkten schnell, dass wir an unsere Grenzen kamen und öffneten zwei weitere Drehblöcke à 3 Tage auf. Wie alle Produktionen mussten wir den Dreh dann plötzlich wegen Covid19 on hold stellen, dies war rückblickend aber zu unseren Gunsten. Wir nutzten die Pause um Sponsoren zu suchen und zu finden. Dank diesem Support war es möglich, 12 weitere Tage aufzumachen. Letztendlich landeten wir bei 17 Drehtagen und 3 halben Pickup-Tagen.
Aber um ehrlich zu sein, hätte ich gerne sogar noch mehr drehen wollen. Dabei ging es gar nicht mal darum, mehr Footage für den Film zu sammeln, sondern einfach mit Freunden an einem coolen Set zu sein und mehr zu lernen und auszuprobieren. Ich finde, man kommt heutzutage als Filmemacher generell viel zu selten und wenig dazu, am Set zu sein. Meistens sitzt man nur Tage und Nächte in Prepro oder am Schnittplatz und das als leidenschaftlicher Storyteller / Kamera-Guy, das ist schon sehr schade.

Also ihr habt die Corona-Situation im Frühjahr dazu genutzt, um das Projekt auch in Punkto Finanzierung anders anzugehen?
Michael Hilli: Ja genau. Vor dem ersten Corona Lockdown haben wir den Film nur mit eigenen finanziellen Mitteln umgesetzt. Weil unsere eigene Finanzlage aber auch unter der Corona Pandemie litt, sahen wir die Fertigstellung des Films ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung bedroht. Glücklicherweise fanden wir mit Jung von Matt / NERD GmbH einen starken Partner, welcher uns als Sponsoren die Marken Rockstar, BMW, Vodafone und Steel Series vermittelten konnte. So bekamen wir finanzielle Unterstützung, die wir jedoch rein für Transport, Unterkunft und Verpflegung verwendet haben, da es ein non-profit Projekt bleiben sollte.
Die Kampfszenen machen die hauptsächliche Handlung aus, ungefähr wie im Computerspiel. Sie könnten (bis auf den Blade Runner Look) teilweise genauso gut in einem klassischen Hongkong-Film zu sehen sein, finde ich -- Vi-Dan, wie hast Du das gelernt? Welches sind deine Vorbilder?
Gutes Auge! Blade Runner, Cyberpunk, John Wick, Donnie Yen und natürlich Jackie Chan waren unter anderem meine Referenzen, aber auch einige cinematic CG Game-Trailer und Filme.

Puuh, wie habe ich das gelernt? Kampfsport und Stunts mache ich schon seit meiner Kindheit und mit den Jahren habe ich gelernt, was für mich gut oder nicht gut in der Kamera funktioniert.
Ich habe insofern keinen “eigenen” Stil, sondern es kommt immer auf die Situation der Szene und der Charakter-Motivation an. Vor allem, ob die Action die Story antreibt oder nicht. In diesem Fall ist es natürlich SAUviel Action (und ich hoffe es wird nicht allzu langweilig :D), aber ich habe mir dabei sehr viele Gedanken gemacht, was ich genau in den Szenen erzählen möchte. Sei es teilweise nur “ok, hier müssen wir geile John Wick Action zitieren” oder “in dieser Szene müssen wir eine Waffe verlieren und die Brille, damit wir vom Hero die Augen revealen” oder “hier ist ein “Save the Cat” Moment, hier braucht es mehr struggle” etc.
Unter anderem lasse ich mich aber auch gerne am Set inspirieren und jede Choreographie steht für sich selbst. Ich versuche ständig etwas neues auszuprobieren, seien es Kamerafahrten oder Action Gags. Deswegen passierte es auch oft, dass ich am Set gefreestylt habe, das nannten wir dann “jazzen”.
In meinem Beruf als Action Designer konnte ich mich schon oft an dem ein oder anderen großen Filmsets austoben und fühle mich heute recht sicher in der Action-Inszenierung. Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen :)
Action-Choreographie, tanzende Kamera und das Setup
Wie gehst du konkret an die Choreographie solcher Sequenzen heran?
Meine Choreographien beginnen eigentlich schon beim Skripten. Aber ich schreibe nie die Action ausführlich aus. Meistens stehen da nur die Keypoints der Szene und ganz viel “BAM BAM, BUUM, WHAACK, SMACK!”.
Bei Cyberpunk 2077 Phoenix Program wollte ich unbedingt im Hongkong Style arbeiten, sprich alle Choreos und die Rehearsals sind vor Ort passiert. Wir hatten weder Vorbereitung noch Stunt-Training gehabt. Alle Performer inklusive Hauptdarsteller Maul Cosplay mussten die Choreo am Set selber erst lernen.

Ich drehe auch nur das, was ich brauche - also ich drehe zu 99% keine Master Shots. Ich löse die Action im Schnitt in meinem Kopf auf und shoote dementsprechend nur diese Einstellungen.
Das hat mehrere Vorteile:
- gute Ideen kommen sofort am Set, da mich Kostüm, Set Design, Vibes und das Können der Performer motiviert und inspiriert.
- Performer müssen nur 3-5 Beats auf einmal lernen statt ganze Fights mit 300 Beats.
- wir hatten eh keine Zeit für extra Trainingstage :D
Diese Art von Filmmaking kommt aus Hong Kong/China. Alle Jackie Chan Filme wurden exakt so produziert.
Aber fairerweise muss ich schon zugeben: es war sehr stressig für die ganze Crew, weil außer mir alle ahnungslos ans Set kamen und nicht wussten, was wir drehen. Und wenn ich mal etwas Zeit zum Nachdenken brauchte, stand das komplette Set still. Aber WENN die Idee da war, ging es bam bam bam los! So schafften wir teilweise 54 (!) Einstellungen pro Tag.
An einigen strammen Tagen habe ich aber doch einen Tag zuvor eine Shotlist vorbereitet und darin alle meine Cuts aufgelöst und auf Papier gebracht. Und ja, es war für alle sehr hilfreich und um ehrlich zu sein für mich auch! Es kam sonst schon vor, dass ich den Faden verloren habe und mich wieder neu finden musste.
Die Kamera ist fast immer in Bewegung, tanzt sozusagen ein bißchen mit. Führst Du sie intuitiv oder wie genau wird das vorher geplant?
Alles Intuitiv! Und zu 100% richtig ausgedrückt: “Ich tanze mit der Choreo mit”.
Wie schon erwähnt, Choreo, Rehearsal und das wirkliche Shooten passierte alles vor Ort. Sprich es gab keine Probentage und ich habe selbst nie die Choreo 100% gesehen.
Nach meiner Meinung ist die Kameraarbeit für eine gute Actionszene ESSENTIELL!! Sogar wichtiger als die “performance skills” der Performer*innen (uff, viele würden mich für diese Aussage killen XD). Aber man kann eben den shittigsten low low kick mit einer geilen Kamerabewegung oder Schnitttechnik super inszenieren.

Ich kann es nie genug betonen, ich finde Kamerabewegung muss sehr intuitiv sein. Man muss sich anpassen, flexibel sein. Vor allem muss man GENAU schauen, was man wirklich filmt. Ich habe schon mit so vielen Operatoren gearbeitet, die wollen alles gemarkert haben. Sie wollen alles bis zum Detail totproben und blocken. Aber das Problem ist, wenn man dreht: jedes Element (Performer, enge Location, Komparsen, Lichtstativ oder Lampe etc.) - es wird nie dasselbe sein. Bewegt sich der Performer mal ein wenig mehr nach rechts oder links bzw. trifft seinen Marker nicht, kann es sein, dass die Action nicht mehr funktioniert. Deswegen MUSS der Operator genau hinschauen und viele Sachen erfühlen und die Movements der Performer zu 100% kennen. Er muss wortwörtlich mit den Darsteller mittanzen, wie bei einem Tango. Sich führen lassen und jeden Impuls, sei es ein Druck oder Ziehen mit seinem 3. Auge sehen/spüren.
Es ist eine Kunst für sich.
Manche der Kampfszenen sehen zudem sehr akrobatisch aus, beispielsweise mit dem japanisch-sprechenden Gegner, gespielt von Andy Long. Er ist tatsächlich Martial Arts - und Stunt-Profi, unter anderem im Jackie Chan Team. Heißt das, was man sieht ist alles echte Live-Action, oder hattet ihr am Set irgendwelche Hilfsmittel?
Der Endfight ist einer meiner Favoritszenen gewesen (nicht nur, weil wir einmal 48h am Stück gedreht haben :D). Sondern weil Andy Long und ich uns hardcore austoben konnten. Wir griffen bei dem Fight auf viele Jackie/HK-Ideen zurück und nutzten klassisches HK Wire Rigging, um seine Stunts / Sprünge zu verstärken.
(Nachtrag d. Redaktion: Dieser kurze Making-of-Clip auf Facebook zeigt sehr schön, wie bei dieser Szene gearbeitet wurde

Wie sah denn das Kamera-Setup genau aus? Also Kamera, Optiken, Drehformat uä.
Gefilmt haben wir mit der Blackmagic URSA Mini Pro G2 (Braw 5:1 in 4.6k / 2.39 Widescreen) und SLR Magic Apo Hyperprime PL 25,32,50,85 mm T2.1 Objektiven, sowie als Kamera Gear DJI Ronin 2, Tilta Armor Man 3 sowie Slider, und beim Licht Aputure 300d mkII & 300x, Aputure LED, Boiling LED etc.
Auf den BTS Fotos ist wieder der ArmorMan zu sehen -- was ist für dich der Vorteil damit zu drehen?
Ich liebe das Teil! Ich finde, man ist viel freier und es nimmt mir viel Gewicht ab.
Ich habe in “Into the Badlands” mit Readyrig gearbeitet und auf anderen Shows mit Easyrig.
Der große Vorteil an der Armorman 3 sind die klassischen “Steadycam”-Arme.
- Man sieht keine Schritte mehr (vs. Easy Rig)
- Man kann easy nach rechts und links schwenken (vs. Readyrig)

Der Aufwand für Ausstattung, Kostüm, Maske uä. muss recht hoch gewesen sein, obwohl ihr offensichtlich Zugang zur kreativen Cosplay-Szene hattet. Ihr hattet ja auch ein paar sehr spezielle Shooting Locations - wie habt ihr sie gefunden und musstet ihr da noch nachhelfen, damit sie mehr nach "cyber" aussehen?
Michael Hili: Durch die Cosplay Szene haben wir unglaubliche Unterstützung für unser Projekt erhalten und wollen auch allen an dieser Stelle erneut dafür danken! Einerseits weil so viele Menschen schon in wunderschönen Kostümen ans Set gekommen sind und wir uns um das Aussehen der Statisten meist gar nicht mehr kümmern mussten. Andererseits aber auch, weil uns sehr viele Props von Menschen aus der Szene gestellt wurden.
Die Props konnten wir dann oft auch nutzen um unsere Shooting Locations mehr nach “cyber” aussehen zu lassen. Natürlich waren die Locations auch so schon wie geschaffen für unser Projekt, ein bisschen nachhelfen muss man aber dennoch immer. Hierbei hatten wir Benedikt Marcowka (Production Designer) an Board. Neben seinen Skills im Props und Kostümdesign hat Benedikt auch an der selben Fachhochschule Film studiert wie wir. Das war mehr als nur nützlich. Wir hatten nicht viel Budget und haben unglaublich oft die selben Props benutzt, um jedesmal die Szenerie anders aussehen zu lassen. Für sowas hatte Benedikt immer den richtigen Blick und bisher hat keiner gemerkt, dass wir Locations sowie Props und Kostüme mehrfach recycled haben.

Gefunden hatten wir die Locations Dank früherer Projekte oder durch Zufall, wie beispielsweise bei unserer Bunker-Location. Diese haben wir entdeckt, weil ich nach einem Lagerort für Filmequipment gesucht hatte. Als wir den Hochbunker in Aachen deswegen besucht haben, ist uns aufgefallen, dass dieser Ort auch sehr passend für Cyberpunk wäre.
In der Location, in welcher der Endfight stattfand (The Imperial Lasertag Academy Hamburg), hat Vi-Dan früher schon zwei Musikvideos für “Papillon Rising” gefilmt und kannte die Location daher. Die Partylocation (Holocafé Düsseldorf) sah eigentlich schon cyber genug aus und wurde nur durch Werbehologramme im Hintergrund aufgemotzt.
Editing: jeder Fight wie ein Musikstück
Vi-Dan Tran, du hast ja auch die Kampfszenen selbst editiert. Hast du vorher schon im Kopf, wie du sie montieren möchtest oder verändern sich die Szenen nochmal, wenn du die tatsächlichen Aufnahmen vor dir hast? Wie entscheidest Du, welches Tempo, welchen Rhythmus ein Kampf bekommen soll?
Die Kampfszenen habe ich vor jedem Dreh bzw. während des Dreh schon im Kopf.
Was das Editing betrifft: Wenn ich choreografiere, achte ich als erstes auf den Rhythmus, und stelle mir die SoundFX und Melodie vor. Ich behandele eine Fightszene wie ein Stück Musik. Jeder Schlag oder Pistolenschuss, jedes Ausweichen, jede Pause hat eine eigene Melodie. Wenn es ständig dynamisch oder hektisch ist, wirkt auch der Kampf sehr störend. Es muss eine gute Balance haben. Es braucht Power, Schnelligkeit, aber auch mal eine Pause zum Atmen und sacken lassen.
Deswegen ist Sound Design ein super wichtiges Element für eine gute Action Szene.
Wenn‘s um Schnitt geht, muss ich aber ehrlich sagen: Ich fixe auch meine Fehler hier und dort ab und zu!
Ich würde sagen, zu 90% sind es die letzten Takes, die die Besten sind und gut im Schnitt funktionieren. Aber ja, es kann schon passieren, dass ich merke, dass Take 1 oder 3 besser ist.
Tempo und Rhythmus kommt auch meistens aus Gefühl. Ich versuche immer so schnell wie möglich die Szene fertig zu schneiden und schaue mir die Szenen 10000x im Loop an. Pausiere dann für ein paar Stunden oder Tage und schaue sie mir dann noch einmal an. Es kommt vor, dass ich danach Sachen sehe, die mir vorher im Fluss nicht aufgefallen sind. Ich bin aber erst dann zufrieden mit dem Cut, wenn ich nach längeren Nichtschauen merke:”ok, es funktioniert immer noch”. Oder wenn ich einfach keine bessere Lösung für das Problem finde. “It is what it is”.
Welche Software hast du für den Schnitt verwendet und warum?
DaVinci Resolve v16 / v17.
Ich liebe den Workflow und es ist super intuitiv: Schnell die VFX in Fusion bauen, um gleich daraufhin das Grading in der Color page zu machen, ohne die Programme ständig zu wechseln oder “dynamic linking”, was eh nicht so bombe funktioniert.
Des Weiteren sind Tools wie Motion Blur, 3 Bildstabis, 3 verschiedene Noise Reductions, Mask tracking, Skintone, Face beauty effects etc. von Haus aus schon dabei!
Wie lange habt ihr für die verschiedenen Phasen der Postpro gebraucht? Bei den brutalen Schießereien gibt es ja einiges, was an VFX hinzugefügt werden muss (Mündungsfeuer, Verletzungen etc)...
(Vi-Dan:) VFX war eine RIESEN Baustelle, aber dank der genialen VFX Artists haben wir die ganze Postpro von August bis Ende November knallhart durchgezogen.
Ich würde sagen, der finale Gitarren-Shot hat mir am meisten Bauchschmerzen bereitet. Einige VFX Artists haben sich die Finger an dem Shot verbrannt :D

Gibt es auch interessante VFX-Einsätze, die nicht so leicht zu entdecken sind?
Hmm, kleine VFX die man so nicht sieht, haben wir echt hier und dort versteckt. Zb. Exit-Schilder entfernt, Haarfarben geändert, hier und dort Türklinken entfernt oder eine Wunde von Johnny entfernt (wegen Continuity).
Die Flashback Szene mit Alteria ist mit Abstand auch einer meiner Lieblings-VFX Shots, da die Welt komplett 3D ist und wir die Aufnahmen in meinem Vorhof mit 20 Tracking marks gefilmt haben.
Welche VFX-Software kam zum Einsatz?
Michael Hilli: Viele Effekte wurden direkt im Edit bei Davinci Resolve 17, im integrierten Fusion, gemacht. Z.B. V´s leuchtende Augen, ein paar Muzzle Flashes, Glow usw. Sonst wurde mit den unterschiedlichsten Programmen gearbeitet, da sehr viele VFX Artists aus der ganzen Welt am Projekt beteiligt waren. Blender, Houdini, Nuke, After Effects uvm. kamen zum Einsatz. Da diese Programme nicht immer miteinander kompatibel sind, kam es zu vielen Problemen und Verzögerungen. Plugins wie Autokroma BRAW Studio haben hierbei geholfen. Zusammengefügt wurde am Ende dann alles in Davinci Resolve 17.

Ihr filmt sehr professionell und bekommt viele Zuschauer auf YouTube - "Darth Maul: Apprentice" hat unglaubliche 27 Mio. Views, „Cyberpunk 2077 Phoenix Program“ hat momentan über 400.000 Aufrufe. Das liegt neben der hohen Qualität natürlich auch daran, dass es Fanfilme sind, die an bestehende Film- bzw. Game-Universen andocken. Aber das bedeutet wohl auch, dass ihr eure Arbeit trotz des enormen Aufwands nicht vermarkten dürft, oder? Was ist für euch der Reiz der Fanfilme?
Michael Hilli: Der Reiz in solch einem Fanfilm liegt darin, dass wir viel weitsichtiger Denken als nur in einem Projekt. Der Film ist eine großartige Visitenkarte, die zeigt, was wir alles können. Nicht nur einzelne Actionszenen – nein, wir können einen ganzen Feature-Film als Team verwirklichen. Die gesamte Produktion übernehmen. Dies ist etwas, was wir nicht nur uns beweisen wollten.
Natürlich erhoffen wir uns einen Vorteil bezüglich zukünftiger Projekte bzw. Aufträge über diesen Film! Klar. Dies zu leugnen wäre einfach nicht ehrlich. Wir hatten auch schon unseren ersten Erfolg diesbezüglich, mit unserem Kurzfilm “Assassins Creed Valhalla The Hunt” für Ubisoft. Dort haben wir auch unter Beweis gestellt, dass wir auf Auftragsbasis ein gut funktionierendes Team sind. Und mit solchen Projekten wie “Cyberpunk 2077 - Phoenix Program” wird das Team immer größer und somit wächst auch die Möglichkeit, noch größere Projekte zu realisieren.
Es ist für uns auch wichtig, dass wir talentierte Menschen zusammenbringen, ihnen eine Chance geben, mit Industry Professionals zusammenzuarbeiten und auch selber neue Leute dabei kennenlernen.

Aber dieser Film ist im Grunde genommen auch aus purer Leidenschaft entstanden. Oder anders gesagt aus Frustration von vielen, die in der Filmbranche arbeiten. In Deutschland wird so gut wie gar keine handfeste Action gedreht und schon gar nicht in einem Sci-Fi Setting. Davon abgesehen wollten wir auch einfach mal wieder etwas machen. Selbst wenn es sich im Cyberpunk 2077 Universum abspielt, ist die Story und natürlich auch die Action, komplett losgelöst vom Geschehen des Videospiels.
Wenn man sich den Film anschaut, wird man sehen, wieviel Liebe zu Cyberpunk, Keanu Reeves, Videospielen und CDProject und noch so viel mehr drin steckt – er ist von Film- und Videospiel-Liebhabern für Film- und Videospiel-Liebhaber gemacht worden.
Der Film soll gut Entertainen und ein Zeichen setzen! Wenn man es wagt zu träumen, sich ein klares Ziel setzt und einfach nie aufgibt, kann man alles ermöglichen beim Film. Egal mit welchen Mitteln. Aus Kleinem etwas Großes erschaffen! Und diese Botschaft ist uns viel wichtiger als alles andere.
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Cyberpunk 2077 - Phoenix Program
eine T7production
Written, filmed, directed, produced by:
Vi-Dan Tran | Instagram
Main character:
Johnny Silverhand - Maul Cosplay | Instagram
Producers:
Michael J. | Hilli Instagram
Darc Mavid | Instagram
Markus Hiller | Instagram
Music by:
Vincent Lee Instagram
Sound Design:
Darc Mavid
Falk Bittner
Production Designer:
Benedikt Marcowka | Instagram
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