Interviews Die Huberbuam: 3D extrem -- Stereografie an der Steilwand

Die Huberbuam: 3D extrem -- Stereografie an der Steilwand

Seit einigen Tagen stellt das ZDF seine Kletter-Doku über die Huber-Buam in s3D im Internet zur Verfügung. Wir haben uns gefragt, wie sich unter solchen alpinen Umständen sauberes 3D aufzeichnen läßt -- in einem kurzen E-Mail-Interview gibt die Stereo Crew der Firma Virtual Experience nähere Auskunft...

// 11:42 Do, 13. Okt 2011von

Seit einigen Tagen stellt das ZDF seine Kletter-Doku über die Huber-Buam in s3D im Internet zur Verfügung (Download-Links s.u.). Wir haben uns gefragt, wie sich unter solchen alpinen Umständen – die Route Karma in Berchtesgaden ist ja alles andere als trivial – sauberes 3D bewerkstelligen läßt. Für die Stereografie der anspruchsvollen Produktion zeichnet die Münchner Firma Virtual Experience verantwortlich – in einem kurzen E-Mail-Interview gaben Alaric Hamacher und Maximilian Laufer nähere Auskunft...



 Thomas und Alexander Huber, Copyright ZDF und Peter Borig
Thomas und Alexander Huber, Copyright ZDF und Peter Borig


Der Dreh für diese Kletter-Doku wurde akribisch vorbereitet, damit die 3D-Einstellungen korrekt gemacht werden konnten. Wie lief die Planung genau ab?



Bereits ein halbes Jahr vor Drehbeginn begann unser Team von Virtual Experience aus München das ZDF in Sachen 3D gestalterisch wie technisch zu schulen. Die Beteiligten beim Sender hatten sich auch schon vorher intensiv theoretisch und in einigen Workshops mit dem Thema 3D beschäftigt. So ging man also gut vorbereitet an den Start. Anschließend nahm man sich gute 5 Tage Zeit für eine intensive Drehortbesichtigung. Hierbei wurden bereits alle technischen Parameter (wie z.B. die Auswahl des Rigs, der Kameras, Augenabstände etc.) so präzise wie möglich festgelegt. Diese Informationen flossen ins Skript von Jens Monath ein. In der noch verbleibenden Zeit vor dem Dreh entstanden anhand dessen noch weitere 3D Ideen für den Film, wie z.B. die 3D Bild im Bild Komposition. Diese akribische Vorbereitung half später enorm bei der Umsetzung dieser logistisch äußert fordernden Dreharbeiten.



 3D-Dreharbeiten an der Wand mit Alexander Huber, Copyright ZDF und Peter Borig
3D-Dreharbeiten an der Wand mit Alexander Huber, Copyright ZDF und Peter Borig


Es gab ja eine enge Zusammenarbeit zwischen Ihnen, dem Kameramann Claus Köppinger und dem Regisseur Jens Monath, um optimale s3D-Bilder einzufangen. Wie waren denn die Zuständigkeiten verteilt -- mussten Sie als Stereographer vor allem darauf achten, dass technisch einwandfrei gearbeitet wurde, oder konnten Sie sich auch stilistisch einbringen und Vorschläge machen, welche Einstellungen sich für diese räumlichen Aufnahmen besonders eignen?



Die Zusammenarbeit mit Jens und Claus lief aus unserer Sicht hervorragend ab. Um die 3D-technische Justage und Steuerung der Systeme kümmerten sich in erster Linie der Assistent Stereographer zusammen mit dem Rig Technician und dem Kameraassistenten. So hatten wir als Stereographer die Möglichkeit, Regie und Kamera gestalterisch zur Seite zu stehen. Wir sehen 3D nicht als rein technische Aufgabe an, sondern sind stets bemüht immer gestalterisch, im Team mit Kamera und Regie, Einfluss auf die 3D Bildsprache zu nehmen. Dies geschah auch bereits bei der Ausarbeitung des Drehbuchs. Hierbei waren Jens und Claus von Anfang an total offen, was Vorschläge und Ideen aus Sicht des Stereographers betraf. In erster Linie sollte der Film ein ausgewachsener 3D Film werden. Und hierbei wurden auch keine Kompromisse gemacht. Was übrigens die 2D Auswertung nicht beeinträchtigte.



Und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Huber Buam: mußten sie sich nicht sehr nach den Kameras und der Technik richten, statt umgekehrt..? Und wie lief es überhaupt bei den Dreharbeiten, das ist ja schon unter 2D-Bedingungen am Berg nicht immer ganz einfach?





Gestalterisch mussten sich die Brüder kaum einschränken. Wir waren technisch in der Lage, dokumentarisch fast genauso zu arbeiten wie in 2D. Somit konnte DOP Claus Köppinger seinen eigenen Stil mit Handkamera und Steadycam voll entfalten und wurde zu keinem Zeitpunkt von der Technik gebremst. Dieses arbeiten setzt natürlich einige Übung der Stereo Crew im Umgang mit den 3D Parametern und einen gewissen Erfahrungsschatz voraus. Das ist ein wenig vergleichbar mit der Arbeit eines langjährigen Focus Pullers.


Die Logistik am Berg war jedoch alles andere als einfach. Alle Settings mussten über 100 Meter ferngesteuert werden. Das Setup auf dem P+S Freestyle Rig wurde physisch härtesten Belastungen ausgesetzt und so kam es dann auch ab und an zu kleinen Ausfällen. Dazu musste das Rig auch mal zur Neujustage aus der Wand geholt werden, was die Extremkameraleute Franz Hinterbrander und Max Reichel in der Wand derweilen Zeit und ein paar Nerven kostete. Trotz dieses Umstandes gab es hier aktuell für uns keine vertretbare Alternative zum Freestyle Rig. Natürlich hätte man sich die Arbeit mit Hilfe von Consumer 3D Kameras erleichtern können. Hierbei wären aber nie diese spektakulären Naheinstellungen entstanden, welche die Szenen in der Wand auszeichnen. Und wer ein Pionier sein will, muss eben manchmal auch ein bisschen leiden!



 3D-Dreharbeiten an der Wand mit Alexander Huber, Copyright ZDF und Peter Borig
3D-Dreharbeiten an der Wand mit Alexander Huber, Copyright ZDF und Peter Borig


Es wurden ja vier verschiedene Kamerasysteme verwendet. Anhand welcher Kriterien wurden diese ausgewählt, und für welche Art von Aufnahmen wurden sie jeweils eingesetzt?



Zunächst wurde versucht, möglichst vorhandenes ZDF Equipment zu verwenden. Hier die Panasonic P2 Schulterkameras im P+S Standard Rig. Für die Zeitrafferaufnahmen der 2nd Unit entschied man sich für DSLR Kameras, Canon 7Ds. Hierbei war die hohe Auflösung im RAW Format und die Flexibilität ausschlaggebend. Als Backup war noch die Panasonic AG-3DA1 sowie ein GOPROHD Hero 3D System als Effekt- und POV Kamera im Einsatz. Hauptaugenmerk lag jedoch auf einem kleinen, flexiblen System welches auf der Steadycam, einem Kran mit Remotehead sowie als Schulterkamera und an der Wand benutzt werden konnte. Das Ganze ohne lange Umbauzeiten. Hierzu wurde die gerade neu entwickelte SinaCam verwendet, welche wir je nach Anwendung im P+S Freestyle Rig sowie in einer eigens modifizierten Side-by-Side Variante zum Einsatz brachten. Mit diesem System entstanden dann auch die aufwändigsten Einstellungen an der Steilwand der Lofer Alm.



An eine einheitliche Brennweiten-Verwendung war bei diesem Sujet wohl nicht zu denken. War es trotzdem ein Thema, dass der Raum möglichst konsistent dargestellt werden sollte?



Bei der Umsetzung des Films sollte gestalterisch aus dem Vollen geschöpft werden und keine Einschränkung in Bezug auf die Verwendung von verschiedenen Brennweiten stattfinden. Ein Weitwinkel 3D Film kam für keinen der Beteiligten in Frage.


So entstanden dann auch sehr nahe Einstellungen mit geringer Tiefenschärfe, welche dem Film sowohl in der 3D Fassung sowie auch in der 2D Fassung gestalterisch zugute kamen. Durch die Verwendung von zwei parallelen Rig Setups konnte auch die Zeit für den Umbau der Festbrennweiten minimiert werden.



Man hört ja öfters, dass man nicht beliebige Weiten in ein 3D-Bild quetschen kann, da sonst die Betrachtung unangenehm wird. War das besonders problematisch in diesen Berglandschaften, oder muss man das vielleicht gar nicht so streng handhaben?



Physiologisch unangenehm sind entsprechende Aufnahmen nur bei falschem Umgang mit den 3D Parametern. Das Problem besteht eher in dem Phänomen des Miniaturismus bzw. Modellbahneffektes. Künstlerisch wurde sich aber in diesem Film die Freiheit genommen, weite Berglandschaften mit Hilfe von großen Augenabständen (bis zu 10 Metern) zu komprimieren. Somit entsteht ein eher unnatürliches Bild. Wie gesagt wird dieser Effekt jedoch bewusst als gestalterisches Mittel benutzt. Tilt-Shift Aufnahmen in 2D sind ja auch nicht naturalistischer Art und werden ebenso gerne als Teil der Bildsprache benutzt. Die künstlerische Freiheit hört eben bei 3D nicht auf!


Gerne hätten wir auch Aufnahmen mit einem großen Heli gemacht, alle Aufnahmen in 8K und ein paar schöne Highspeed Shots noch obendrauf. Und das Ganze dann als 90 Minuten Kinofilm. Das wäre theoretisch (fast) möglich gewesen, doch praktisch hätte man dann wohl das Budget gesprengt. Abgesehen davon sind wir der Meinung, dass das ZDF hier einen großen Schritt in Richtung high quality 3D Content im Fernsehen getan hat. Gerade Dokumentationen bieten eine Fülle an künstlerischen Möglichkeiten, sich im 3D Film auszutoben, und den Zuschauer mit auf fantastische Reisen zu nehmen.



 Das Produktionsteam während der Dreharbeiten am Wandfuß, Copyright ZDF und Peter Borig
Das Produktionsteam während der Dreharbeiten am Wandfuß, Copyright ZDF und Peter Borig




Die meisten Szenen liegen "hinter" der Leinwand (positive Parallaxe), nur selten ragt etwas aus dem Bildschirm heraus. Könnten Sie uns etwas zu dem 3D-Tiefenkonzept erzählen? Wurde bereits bei den Aufnahmen konvergiert oder wurde parallel gedreht, um die Konvergenz der Bilder dann später in der Postproduktion festzulegen?



Bei dem 3D Konzept des Filmes ging es mehr um die Darstellung der Tiefe, als darum Gegenstände aus dem Fernseher fliegen zu lassen. Dabei war jedoch auch Vorsicht geboten, den Raum nicht zu sehr künstlich in die Länge zu ziehen und somit zu verfremden. In einigen Einstellungen wurde dieser Effekt jedoch trotzdem genutzt, um den Zuschauer visuell und emotional noch mehr in die Extremsituation des Kletterns zu integrieren. Jeder Stereograph hat hier sicher seine eigene Herangehensweise und Stil. Wie auch die Frage nach parallel oder konvergierten drehen. Beim aktuellen Dreh haben wir, je nach Situation, beide Varianten angewandt. Als Stereographer halten wir es jedoch für entscheidend sich die Frage der Konvergenz/Scheinfensterlage nicht von der Postproduktion aus der Hand nehmen zu lassen. Wie auch bei der Lichtbestimmung sollte hier eine Feedbackschleife zur Postproduktion entstehen, so dass das 3D Konzept nicht im Nachhinein beliebig verändert werden kann. Je mehr sich Regisseure in Zukunft mit diesem Thema beschäftigen, desto mehr wird das auch ihrem Sinne sein!



Der Film wurde explizit für das Fernsehen bzw. die Internetdistribution gedreht. Für welche Darstellungsgröße wurden denn die 3D-Einstellungen optimiert (Bildschirme sind ja unterschiedlich groß) -- da muss man sich ja festlegen, oder?



Eine Grundvoraussetzung für die 3D Produktion ist natürlich das Wissen um die finale Projektionsgröße. Alle 3D Einstellungen für die „Huber Baum“ wurden für die Betrachtung auf einem durchschnittliche 3DTV Gerät optimiert. Sky 3D hat hier u.a. einige Richtlinien herausgebracht. Nun gibt es aber auch Anfragen, den Film auf Festivals und großen Leinwänden zu zeigen. Für diesen Zweck muss der Film nochmals komplett in der Postproduktion überarbeitet werden, um auch dem Kinobesucher ein „entspanntes“ Klettererlebnis bieten zu können, soweit sie denn schwindelfrei sind :-)



Vielen Dank!




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Die Kletter-Doku „Die Huberbuam“ steht beim ZDF (powered by YouTube in diesem speziellen 3D-Fall) zum Download oder Online-Abruf zur Verfügung (anaglyph sowie Side-by-Side). Kleiner Tipp: wir mußten bei den anaglyphen 3D-Einstellungen unten rechts im Youtube-Abspielfenster „Rechts-links umkehren“ aktivieren, um eine räumlich korrekte Darstellung zu sehen – ggf. mal ausprobieren.




Regie: Jens Monath


Kamera: Claus Köppinger


Schnitt: Frank Flick



Betreuende 3D Produktionsfirma: Virtual Experience München


Stereografen: Alaric Hamacher, Maximilian Laufer


3D Timelape: Dirk-Martin Heinzelmann, Michael Hermann


3D-DIT: Natascha Fischer, Tina Schneider


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